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"Gesprächsfaden wiederaufnehmen"

Thomas Latschan2. Februar 2016

Diese Woche reist Außenminister Steinmeier in den Iran und nach Saudi-Arabien, um zwischen den verfeindeten Staaten zu vermitteln. Aber was kann er dort bewirken? Darüber sprach die DW mit Nahost-Experte Henner Fürtig.

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Bundesaußenminister Steinmeier in Teheran (Foto:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Deutsche Welle: Der Konflikt zwischen Riad und Teheran ist total verhärtet. Was kann ein deutscher Bundesaußenminister da überhaupt erreichen?

Henner Fürtig: Er kann zumindest versuchen, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, der ja außerordentlich dünn geworden ist, nachdem Saudi-Arabien zu Beginn des Jahres mehrere Regimegegner hingerichtet hat, darunter auch einen der prominentesten schiitischen Geistlichen des Landes. Dies hat vor allen Dingen der Iran als besonderen Affront betrachtet. Seitdem sind alle Gespräche verstummt. Die diplomatischen Beziehungen sind von Seiten Saudi-Arabiens abgebrochen, die Botschafter zurückgerufen worden, es gibt de facto gegenwärtig keinen Dialog. Und da kann der deutsche Außenminister schon sehr gute Dienste leisten.

Deutschlands Rolle ist da ja nicht ganz einfach. Einerseits will man nach der Aufhebung der Sanktionen die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran wiederaufbauen, gleichzeitig liefert Berlin aber Panzer an Saudi-Arabien. Inwiefern beeinflusst das Steinmeiers Möglichkeiten, dort als neutraler Vermittler aufzutreten?

Deutschland genießt sowohl im Iran als auch in Saudi-Arabien einen guten Ruf. Es hat ja auch schon vor den Sanktionen mit dem Iran eine sehr intensive Wirtschaftspolitik betrieben. 2005, im letzten Jahr bevor die internationalen Sanktionen gegen den Iran griffen, war Deutschland mit fast fünf Milliarden Euro Gesamthandelsvolumen der größte Handelspartner des Iran überhaupt. Insofern zeigt das, wie stark die Kontakte zum Iran waren, und daran will man natürlich jetzt nach den Sanktionen wieder anknüpfen. Deutschland unterhält auch zu Saudi-Arabien sehr starke Wirtschafts- und vor allem Handelsbeziehungen. Insofern ist Deutschland in beiden Hauptstädten wohlgelitten. Zudem gibt es auch keine koloniale oder wie auch immer negativ geartete Vergangenheit in den Beziehungen.

Die Interessen beider Regionalmächte könnten unterschiedlicher nicht sein. Gibt es in Riad und Teheran überhaupt eine Bereitschaft, aufeinander zuzugehen?

Diese Bereitschaft ist gegenwärtig nicht wirklich zu erkennen. Wir haben eine erhebliche Zuspitzung seit Jahresbeginn, aber die Konflikte reichen deutlich weiter zurück, eigentlich bis in das Jahr 1979, als im Iran die Islamische Revolution stattfand. Diese veränderte das Kräfteverhältnis grundsätzlich. Seitdem haben wir ein ständiges Auf und Ab in den Beziehungen. Gegenwärtig befinden wir uns an einem weiteren Tiefpunkt. Vermittlungsbemühungen können da - so nützlich und sinnvoll sie auch sein mögen - die Konfliktlage insgesamt nicht innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen lösen. Dazu gehen die Konflikte viel zu tief. Aber sie können ihre Auswirkungen etwas mildern.

Prof. Dr. Henner Fürtig (Foto: GIGA/Werner Bartsch)
Henner Fürtig ist Direktor des Hamburger GIGA-Instituts für Nahost-StudienBild: Werner Bartsch

Welche Auswirkungen hätte es für die Region, wenn sich der Konflikt nicht wirklich eindämmen ließe?

Ich glaube, in beiden Hauptstädten regieren trotz aller Verwerfungen noch rational denkende Politiker, die es zu einem tatsächlichen militärischen Schlagabtausch mit dem Gegner nicht kommen lassen wollen. Was wir gegenwärtig eher sehen, sind Stellvertreterkonstellationen im Jemen, in Syrien, letztendlich auch im Irak. Ich glaube aber nicht, dass wir tatsächlich vor einem offenen Krieg zwischen beiden Staaten stehen.

An der Reise gibt es auch Kritik, weil beide Regime wenig zimperlich sind, wenn es um die Verletzung von Menschenrechten geht. Steinmeier sagt, Außenpolitik funktioniere aber nur, wenn man auch mit derart kritischen Staaten im Dialog bleibe. In der heutigen Welt voller gefährlicher Konflikte gelte das mehr denn je. Hat Steinmeier recht?

Man muss nur nach Genf schauen, wo sich die Konstellation jetzt dort auf der Syrien-Konferenz unglaublich kompliziert zeigt und wo letztendlich alle Beteiligten wissen, dass ohne aktives Zutun von Ländern wie Saudi-Arabien und dem Iran an einen Erfolg, selbst an einen mittelfristigen Erfolg dieser Konferenz nicht zu denken ist. Das zeigt ganz deutlich, dass man hier tatsächlich mit großem Vertrauen in die diplomatische Kunst, aber letztendlich auch mit fantasievollen Lösungen in die Gespräche gehen muss. Wenn man auf den alten, eingefahrenen Pfaden verbleibt, dann ist an einen Konferenzerfolg in Genf nicht zu denken. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Atomabkommen mit dem Iran, das Präsident Rohani kürzlich bei seinem Europabesuch als "kleines politisches Wunder" bezeichnet hat. Und da hat er letztendlich recht. Wer hätte nach zwölf Jahren Krise gedacht, dass es tatsächlich zu einem derartigen Ende kommen würde? Und letztendlich muss man auch an die Syrien-Krise mit dem gleichen Ansatz herangehen wie an die Atomverhandlungen mit dem Iran. Dass wir auch dort einen langen Atem brauchen werden, steht außer Frage.