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Ausnahme in der Truppe

Peter Philipp26. Oktober 2006

Das mutmaßliche Fehlverhalten von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan ist ärgerlich, aber nicht typisch für die Truppe, meint Peter Philipp in seinem Kommentar. Die Regierung hat richtig reagiert.

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Kommentargrafik für DW-World, 3.8.2004
Grafik für Kommentar oder Fernschreiber-Kolumne, November 2005

Solche Ausdrücke gehören üblicherweise nicht in den Wortschatz deutscher Minister. Umso deutlicher ist die Verärgerung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung zu spüren, wenn dieser in einem Fernsehinterview von "Idioten" spricht, die durch ihr Handeln den Ruf der Bundeswehr und Deutschlands beschädigt haben. Nach der Veröffentlichung eines Vorfalls, bei dem Bundeswehrsoldaten sich vor drei Jahren in Afghanistan auf abstoßende Weise mit einem – bisher nicht identifizierten – Totenschädel fotografieren ließen, denken viele in Deutschland wie der Minister.

Es ist nicht nur die Sorge um den eigenen Ruf, auch nicht die Sorge um eine nun möglicherweise erhöhte Gefährdung der deutschen Soldaten in Afghanistan, die Politiker und Bürger in Deutschland bewegt. Zu allererst ist man sich einig in der gemeinsamen Verabscheuung solchen Fehlverhaltens. Was die größte deutsche Boulevardzeitung am Mittwoch mit schockierenden Fotos dokumentierte, steht im klaren Widerspruch zu allem, was man in Deutschland als moralisches Wertesystem bezeichnet.

Strafbares Handeln

Und solches Handeln ist auch strafbar. Für "Störung der Totenruhe" oder "Leichenschändung" drohen bis zu drei Jahre Gefängnis. Es ist deswegen wichtig, dass Bundeswehr und Staatsanwaltschaft noch vor der Veröffentlichung der Fotos ihre Untersuchung eingeleitet und dass sie die Verantwortlichen offenbar innerhalb von Stunden ausfindig gemacht haben. Wichtig nicht nur, weil die Täter bestraft und andere abgeschreckt werden müssen. Wichtiger noch, weil hiermit demonstriert wird, dass solch ein Vorfall eben nicht symptomatisch ist für die Bundeswehr, sondern eine Ausnahme. Die Statistik der bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr belegt dies: In den letzten Jahren waren daran rund 200.000 Soldaten beteiligt – ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen wäre.

Wir können stolz darauf sein, dass unser System des "Bürgers in Uniform" zu funktionieren scheint. Aber keine falsche Überheblichkeit: Dieses System bringt es eben auch mit sich, dass die Bundeswehr ein Querschnitt der Bevölkerung ist. Und die setzt sich nun einmal nicht nur aus moralisch integren Personen zusammen. Schwarze Schafe kann es deswegen in der Bundeswehr geben, wie es sie in der Gesellschaft auch gibt. Wichtig ist, wie man mit ihnen umgeht und wie rasch und entschlossen man etwas gegen sie unternimmt.


Gefahr durch Radikale

Bisher haben Politik und Bundeswehr richtig auf den Vorfall reagiert. Und wir können auf Ermahnungen aus Washington verzichten: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Bleibt zu hoffen, dass auch die afghanischen Behörden ihren Betrag leisten zur Verhütung einer Eskalation: In Kabul weiß man genau, dass die Deutschen gekommen sind um zu helfen – man hat sie ja selbst darum gebeten. Und in Kabul weiß man natürlich auch, dass solch ein Vorfall nicht die Regel ist, dass Radikale aber nur allzu bereit sind, ihn dazu aufzubauschen.