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Fünf Jahre EU-Chemikaliengesetz

Ralph Heinrich Ahrens1. Juni 2012

Die EU will mit der REACH-Verordnung die Menschen besser schützen und europäischen Firmen auf dem Weltmarkt bessere Chancen geben, weil die Produkte dann sicherer werden.

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BASF-Anlage, in der der abbaubare Kunststoff Ecoflex hergestellt wird (Foto: BASF)
Bild: BASF

Die Europäische Union (EU) hofft mit dem weltweit schärfsten Chemikaliengesetz, der REACH-Verordnung, Unternehmen und Unternehmer zur Innovation zu motivieren. Die Hoffnung besteht darin, dass Hersteller in ihren Produkten gefährliche Substanzen immer mehr durch harmlosere ersetzen. Dadurch sollen dann neue, innovative Produkte entstehen, die auch weltweit einen Markt finden können.

Was bedeutet REACH?

Die Abkürzung der Chemikalienverordnung steht für: "Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals". Das bedeutet, dass Chemieunternehmen jede Chemikalie, von der sie mehr als eine Tonne jährlich vermarkten, zuerst registrieren müssen. Sie müssen dazu ausführliche Berichte - Registrierungsdossiers genannt - an die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) schicken. Diese Agentur sitzt in Helsinki und managt die Umsetzung von REACH. Die Unternehmen berichten in den Dossiers über die Gefährlichkeit der Stoffe und darüber, wie mit ihnen risikolos umgegangen werden kann.

Die Daten in den Registrierungsdossiers werden dann in der Evaluierung ausgewertet, damit künftig wirklich sicher mit gefährlichen Chemikalien umgegangen wird. Die ECHA prüft stichprobenartig die Angaben der Industrie. Zum Teil müssen die Unternehmen ihre Unterlagen nachbessern.

Ein geschlossenes System zur Arbeit mit potentiell gefährlichen Materialien. Hier ein Laborant bei der Arbeit mit Nano-Materialien (Foto: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Baua). Copyright: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). http://www.baua.de. Die Bilder wurden von unserer Mitarbeiterin Frau Sabine Plitzko erstellt. Zugeliefert am 7.7.2011 durch Fabian Schmidt.
Beim Umgang mit gefährlichen Materialien müssen Hersteller hohe Sicherheitsstandards einhaltenBild: BAuA

Die Industrie darf sehr gefährliche Chemikalien künftig nur langfristig einsetzen, wenn die EU die jeweilige Verwendung zugelassen, also autorisiert, hat. Solche Chemikalien können etwa jene sein, die Krebs auslösen, die Fruchtbarkeit beeinflussen oder sich sehr stark in der Umwelt anreichern.

Die REACH-Regeln gelten seit Juni 2007 - also seit fünf Jahren. Umweltschützer sehen Licht und Schatten. "Noch immer werden Mensch und Umwelt nicht ausreichend vor schädlichen Chemikalien geschützt", meint Olaf Bandt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). REACH habe bisher zu keinem Verbot einer einzigen Chemikalie geführt.

Ohne Daten keinen Markt

Andere Umweltschützer halten dennoch viel von REACH. "Es ist ein genialer Schritt nach vorne", meint Sonja Haider vom Internationalen Chemikaliensekretariat (ChemSec), einem schwedischen Umweltverband. Das Problem: Industrieunternehmen konnten bislang zigtausende chemischer Stoffe verwenden, ohne deren Gefährlichkeit und deren Risiken für Mensch und Umwelt wirklich kennen zu müssen.

Das ändert sich mit REACH. "Es gilt das Prinzip 'ohne Daten kein Markt'", ergänzt Sylvia Maurer von der Europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC in Brüssel. Unternehmen werden so in die Pflicht genommen: Sie müssen nachweisen, wie ihre Chemikalien sicher verwendet werden können.

Eine zerschnittene Puppe aus China liegt in einem Labor beim TÜV Rheinland in Köln auf einem Tisch (Foto: Rolf Vennenbernd/(c) dpa - Bildfunk)
Viele Alltagsprodukte enthalten schädliche Weichmacher. Aber es gibt bessere Ersatzstoffe.Bild: picture-alliance/dpa

Dabei gibt es allerdings ein praktisches Problem: 30.000 und mehr Chemikalien lassen sich nicht alle gleichzeitig testen. Die EU geht daher stufenweise vor. Unternehmen, die mehr als 1.000 Tonnen einer Chemikalie jährlich in der EU vermarkten, mussten bereits bis Ende 2010 zeigen, wie gefährlich diese sind und wie sie sicher eingesetzt werden können. Für Chemikalien, von denen sie deutlich weniger vermarkten, haben sie zum Jahr 2018 Zeit, diesen Nachweis zu erbringen.

Im Fokus stehen vor allem die sehr gefährlichen Chemikalien - also etwa jene, die Krebs auslösen, sich in der Umwelt anreichern oder das Hormonsystem beeinflussen. Unternehmen, die solche Stoffe einsetzen wollen, brauchen künftig eine Zulassung. Auch das gilt nicht sofort für alle Stoffe. Erst müssen sehr gefährliche Chemikalien auf die so genannte Kandidatenliste gesetzt werden. "Die Liste schafft ein Bewusstsein dafür, welche Schadstoffe vorrangig zu ersetzen sind", meint die Umweltschützerin Haider. Sie kritisiert aber, dass diese Liste erst 73 Schadstoffe enthält. "Das ist bei rund 1.500 sehr gefährlichen Chemikalien viel zu wenig."

Doch die Liste wirkt bereits: Die EU hat für 14 dieser 73 Stoffe konkrete Fristen für die Zulassung gesetzt - so auch für vier Phthalate. Das sind fruchtbarkeitsschädigende Chemikalien, die etwa dem Kunststoff PVC als Weichmacher beigemischt werden. Unternehmen, die diese Stoffe weiter nutzen wollen, müssen dies bis Herbst 2013 bei der EU-Chemikalienagentur (ECHA) beantragen.

Bürger mischen sich ein

Auch Bürger können sich einmischen, betont Sylvia Maurer. Die Chemikalienverordnung REACH erlaubt es ihnen, in jedem Geschäft und bei jedem Hersteller nachzufragen, ob etwa ein Stück Spielzeug, ein Teppich, eine Regenjacke oder ein Handy eine Substanz von der Kandidatenliste enthält. Bürger sollten diese Möglichkeit häufiger als bisher nutzen und so den Firmen zeigen, "dass Verbraucher bestimmte Chemikalien einfach nicht mehr wollen", sagt die Verbraucherschützerin. Allerdings brauchen Hersteller und Geschäfte erst nach 45 Tagen zu antworten.

Haider weiß, dass es schwierig, aufwändig und teuer sein kann, in einem Produkt einen gefährlichen durch einen harmloseren Stoff auszutauschen. Immerhin geht es darum, einen Ersatzstoff zu finden, der die gleichen Eigenschaften aufweist. "Aber es ist möglich", betont die Umweltschützerin. Um Unternehmen zu ermutigen, sich ernsthaft mit dem Ersatz gefährlicher Substanzen zu befassen, hat ChemSec das Webportal Subsport entwickelt. Es informiert über mehr als 100 Fallbeispiele, in denen Firmen gefährliche Chemikalien erfolgreich durch sicherere oder durch andere Technologien ersetzen konnten.