1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Führerschein für Satelliten-Piloten

Fabian Schmidt21. Mai 2014

Satelliten zu steuern ist gar nicht so einfach: Von der Erde aus kann man nicht sehen, was sie tun. Sat-Piloten bekommen nur Zahlen und Buchstaben und müssen darauf reagieren. Auf der ILA kann man ihnen dabei zusehen.

https://p.dw.com/p/1C3GL
Satelliten-Piloten üben in einem Simulationsraum auf dem Gelände der europäischen Weltraumagentur ESA die Steuerung eines Satelliten (Foto: Telespazio VEGA Deutschland / J. Mai).
Generalprobe für einen echten Satellitenflug im Simulationsraum des Satellitenkontrollzentrums der Weltraumagentur ESABild: Telespazio VEGA Deutschland / J. Mai

Ed Trollope ist Physiker und Raumfahrtingenieur. Für die Telespazio VEGA - Deutschland hat er in einem Raum vier Computer aufgebaut, jeweils ausgestattet mit Kopfhörern und Mikrofonen. Das ganze ist ein Simulator - den sich Besucher der Internationalen Luftfahrtausstellung anschauen können. Ein Team von Satelliten-Piloten soll daran jetzt üben wie ein Erdbeobachtungssatellit in die Umlaufbahn freigesetzt wird. Los geht die Übung mit dem Start einer Ariane-Trägerrakete von Kourou auf Französisch-Guyana. Der Start wird mit dem Videobeamer an die Wand des Simulator-Raumes geworfen.

Kurz darauf hat die Rakete den Orbit erreicht. Dann melden sich auf der Leinwand Bodeningenieure von der NASA aus Houston und bestätigen, dass der Satellit erfolgreich ausgesetzt wurde, und sich von der Rakete getrennt hat. Er dümpelt jetzt hilflos in seiner Umlaufbahn umher.

Ohne Strom ist der Satellit verloren

Nun ist schnelles Handeln angesagt: "Dies ist ein kritischer Moment in der Mission", erklärt der Physiker Trollope, "der Satellit braucht seine Solarpaneele um Energie zu bekommen, also müssen wir sie so schnell wie möglich ausfahren."

Er wendet sich an sein Flugkontrollteam: "Ihr habt die Ansagen der Bodeningenieure in Houston gehört und habt jetzt ein 750 Millionen teures Raumschiff übernommen, an dem 500 Leute fünf Jahre lang gearbeitet haben. Jetzt seid Ihr dafür verantwortlich, dass die Mission nicht hier endet."

Wie der Dirigent in einem Orchester

Also übernimmt Spacecraft Operations-Manager (SOM) Rainer Lammert die Regie: "Wir gehen einen genauen Ablaufplan durch, in welcher Reihenfolge alles abgearbeitet werden muss," sagt er. Wie in einem Orchester spielt der Software-Ingenieur quasi den Dirigenten der Operation. Schritt für Schritt führt er die anderen Team-Mitglieder durch die Prozeduren, die nötig sind, um das Sonnensegel auszufahren.

Satellitensimulation: Teilnehmer in einem Übungsraum (Foto: DW/ Fabian Schmidt).
Zur Simulation reichen vier Computer und Sprechanlage: SOM, SOE1, SOE2 und SPACON fahren ein Sonnensegel ausBild: DW/F. Schmidt

"Zunächst prüfe ich, ob sich alle gut über die Sprechanlage verstehen." Die anderen Satelliten-Piloten - das sind SOE1 und SOE2, und bedeutet Spacecraft Operations Engineer. Das sind Flugingenieure, die für einzelne technische Teilbereiche zuständig sind. Diese Rollen spielen der Software-Ingenieur Matthias Maat und der Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik Christian Bodemann. Hinzu kommt Jens Fischer. Beruflich Event-Koordinator, spielt er heute den SPACON, also den Spacecraft Controller. Er ist dafür verantwortlich, die Steuerungssignale zum Satelliten zu schicken.

"So, jetzt schauen wir nach, ob es Daten vom Satelliten gibt", erklärt Lammert den ersten Kontakt zum Satelliten. Er fragt sein Team ab: "SOM an SOE2 - bestätige, dass Telemetrie-Daten empfangen wurden." Hinter Telemetrie verbergen sich allerhand Daten, die der Satellit selber sammelt und zur Erde schickt: Zum Beispiel Informationen über seinen Zustand, seine Position im All, welche Schalter an und welche aus sind, den Zustand seiner Batterie und vieles mehr.

Erst wenn die Satelliten-Piloten auf der Erde den Empfang bestätigt haben, hat SOM Lammert ein umfassendes Bild des Zustandes des Satelliten - alles ist so wie geplant. Erst jetzt beauftragt er sein Team, Steuerungsbefehle zurück an den Satelliten zu schicken.

Zahlenreihen und festgelegte Prozeduren

Die eigentlichen Steuerungsbefehle, zum Beispiel zur Aktivierung der Motoren, die die Solarsegel bewegen, bestehen aus langen Buchstaben- und Zahlenreihen. "Jedes Kommando hat eine sehr spezifische Struktur und hat jede Menge Zusatz-Informationen, sodass das Raumschiff weiß, von wem der Befehl kommt, dass er gültig ist, und so weiter", erklärt Simulations-Ausbilder Trollope. "Es kann eine sehr kurze Informationskette sein, vielleicht sogar nur eine digitale Null oder eins. Es kann aber auch viel mehr Information sein. Abhängig davon, was für ein Kommando es ist."

Etwa eine Viertelstunde und viele Buchstabenreihen später ist es geschafft: Die Telemetrie bestätigt den Satelliten-Piloten, dass die Solarsegel ausgefahren sind und Strom liefern. "Alles sieht bisher gut aus. Gut gemacht, Leute!", freut sich Lammert.

Eine Ansicht eines Satelliten in einem Simulationsprogramm der Telespazio VEGA Deutschland. Solche Simulationsprogramme werden genutzt, um Kontrolleure, die später echte Satelliten steuern, auszubilden (Foto: Telespazio VEGA Deutschland).
Echte Satelliten-Piloten können das nicht sehen: Die Sonnensegel im Simulator sind jetzt aktivBild: Telespazio VEGA Deutschland

Satelliten-Piloten dürfen bei Stress nicht aufgeben

Meistens geht es auch gut - aber nur, weil die Satelliten-Piloten sich stur an ihre Ablaufpläne halten. Für jede denkbare Panne gibt es einen Notfallplan. Das sind dann viele Ordner voller Papier. "Das sieht recht unsexy aus. Aber das ist das womit die Kontrolleure arbeiten", sagt Alexandra Sokolowski, Sprecherin von Telespazio VEGA. "Sie müssen ihre Daten interpretieren. Das ist teilweise sehr trocken und stressig."

Und oft müssen Satelliten-Kontrolleure auch lange warten: Bei erdnahen Satelliten passiert das immer dann, wenn der Satellit gerade das Erkennungsfeld der eigenen Parabolantenne verlässt und dann erst noch mal um die Erde kreisen muss. Bei sehr weit entfernten Weltraum-Sonden, zum Beispiel Rosetta stellt die schiere Entfernung die Piloten auf die Geduldsprobe. Selbst mit Lichtgeschwindigkeit braucht ein Signal dann anderthalb Stunden hin und zurück. Und das muss auch am Simulator trainiert werden. "Däumchen drehen im Kontrollraum, muss man auch erst mal aushalten. Das ist auch Stress", sagt Sokolowski.

Bevor ein Pilot an einen echten Satelliten herangelassen wird, muss er deshalb monatelang am Simulator unter Beweis stellen, dass er den Überblick behält und der Belastung gewachsen ist. Denn auf keinen Fall darf beim Launch eines echten Raumfahrzeugs das passieren, was der Raumfahrt-Ingenieur Christian Bodemann einmal bei einer Übung erlebt hat. Als Trainer hatte er einen Transportflug zur Internationalen Raumstation (ISS) mit dem automatischen Transfer-Vehikel ATV simuliert.

"Nach etwa acht Stunden kamen die Nutzer an und sagten: Der Simulator taugt nichts. Ich kann kein Kommando schicken - nichts funktioniert", erinnert sich Bodemann. Dabei war der Simulator völlig in Ordnung. Die Lösung: "Die Schüler hatten vergessen, die Sonnensegel auszufahren. Die Batterien waren nach acht Stunden leer. Die hatten einfach nur umgeblättert - in ihren Prozeduren - und da haben ein paar Zettel zusammengeklebt. Dann haben sie den Teil übersprungen und haben es nicht gemerkt." In der realen Welt wäre da das ATV verloren gewesen - und die Astronauten auf der ISS ohne Nachschub.