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EZB: Ende der Anleihekäufe in Sicht

Brigitte Scholtes mit Reuters
14. Juni 2018

Die Wende wird eingeleitet: Die Anleihekäufe werden zum Jahresende eingestellt. Der Leitzins soll aber noch bis über den Sommer 2019 hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben. Fragen und Antworten.

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Pressekonferenz EZB-Chef Draghi in Riga
Bild: Getty Images/I. Znotins

EZB kündigt Ende ihrer umstrittenen Anleihekäufe an

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat wichtige Weichen für eine Normalisierung ihrer seit Jahren extrem lockeren Geldpolitik gestellt. Sie kündigte am Donnerstag in Riga an, die vor allem in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Zudem stellten die Währungshüter in ungewöhnlich deutlichen Worten klar, dass die Leitzinsen frühestens im Herbst 2019 angehoben werden - ein Tick später als manche Experten erwartet hatten. Die Kluft zur US-Notenbank dürfte damit noch größer werden, weil jenseits des Atlantiks die Fed das Tempo bei ihren Zinserhöhungen angesichts des dortigen Wirtschaftsbooms sogar noch erhöhen will.

Was genau plant die EZB?

Die Anleihekäufe waren zunächst bis Ende September geplant, bis dahin kauft die Notenbank monatlich Anleihen und andere Wertpapiere im Volumen von 30 Milliarden Euro. In den letzten drei Monaten dieses Jahres werden diese Käufe dann auf 15 Milliarden Euro pro Monat reduziert, am Jahresende sollen sie ganz auslaufen. 

Kommt diese Entscheidung überraschend?

Nicht wirklich. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte schon vor einigen Tagen eine Diskussion über ein Ende der Anleihekäufe angekündigt. Einige Marktteilnehmer zeigten sich allenfalls überrascht, dass die EZB auf ihrer gestrigen Sitzung schon Details beschlossen hat und nicht erst auf der nächsten Sitzung Ende Juli. Der Euro reagierte mit Verlusten und erreichte bei 1,1619 US-Dollar den tiefsten Stand seit Ende Mai.

Warum soll das Anleihekaufprogramm beendet werden?

Das hat zwei Gründe. Zum einen ist die Konjunktur im Euroraum wieder angesprungen, die Wirtschaft dürfte im laufenden Jahr um 2,1 Prozent wachsen. Die Unterstützung durch so viel Liquidität wie bisher ist also nicht mehr nötig. Der andere Grund, den Draghi nicht ausdrücklich nannte, ist juristischer Art: Die EZB hat sich selbst verpflichtet, nicht mehr als ein Drittel der Anleihen eines einzelnen Staats zu halten. In Deutschland hat sie diese Marke fast erreicht, aber auch in Frankreich, Spanien und Italien ist diese Grenze nicht mehr weit entfernt. Sollte die diese überschreiten, wäre sie dominanter Gläubiger und könnte den Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung kaum noch zurückweisen. Staaten direkt zu finanzieren ist ihr aber untersagt.

Weshalb hat die EZB das Kaufprogramm überhaupt aufgelegt?

Die EZB hat im Frühjahr 2015 mit dem Aufkauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren am Finanzmarkt begonnen, inzwischen hat sie mehr als 2,5 Billionen Euro dafür investiert. Mit dieser Liquiditätsflut hat sie dazu beitragen wollen, dass die Wirtschaft im Euroraum wieder anspringt. Denn mit ihrer Nachfrage hält sie die Renditen am Anleihemarkt niedrig, das Geld bleibt billig.

Zieht die EZB sich nach einem möglichen Ende des Programms ganz zurück?

Nein. EZB-Chef Mario Draghi hat nochmals deutlich gemacht, dass die Notenbank die von ihr gehaltenen Anleihen wieder am Kapitalmarkt investieren wird, wenn diese auslaufen. Das heißt, das Volumen der von ihr gehaltenen Anleihen wächst dann zwar nicht mehr, aber die Liquidität bleibt im Markt. Das will sie solange tun, wie sie es aus ökonomischer Sicht für nötig erachtet. Noch hat der Rat nicht darüber diskutiert, wann man sich auch hier zurückzieht. Damit will man die Finanzmärkte nicht verschrecken - und signalisiert gleichzeitig, dass die Geldpolitik expansiv bleibt.

Wann steigen die Zinsen denn voraussichtlich?

Das dürfte noch einige Zeit dauern - bis in den Sommer 2019 hinein, sagte der EZB-Präsident. Ökonomen rechnen damit, dass die Notenbank nicht vor Ende 2019 zum ersten Mal die Zinsen erhöht.

Deutschland Frankfurt Skyline
EZB-Zentrale am Mainufer in FrankfurtBild: Imago

Die Inflation ist aber doch wieder gestiegen?

Die Inflationsrate liegt wieder nahe zwei Prozent, dem Satz also, an dem die EZB die Preissteigerung sehen möchte. Doch sind die Preise aktuell vor allem wegen der teureren Energie gestiegen. Für das Gesamtjahr rechnet die Notenbank mit einem Satz von 1,7 Prozent.

Was bedeutet das für die Verbraucher im Euroraum?

Sie müssen weiter mit niedrigen Zinsen leben, und nicht nur das: Weil die Inflation wieder anzieht - in Deutschland sind die Preise im Mai um 2,2 Prozent gestiegen – verliert das Geld an Wert. Der "Realzins", also der Zinssatz, der nach Abzug der Inflation übrigbleibt, steht im Moment also bei minus 2,2 Prozent. Kredite jedoch bleiben weiter billig, deshalb können Investitionen weiter günstig finanziert werden.

Nimmt Draghi das nicht zur Kenntnis?

Der EZB-Präsident verwies nach der Ratssitzung ausdrücklich darauf, dass die Sparer nicht ihrer Renditen beraubt würden - sie könnten ja anderweitig investieren und würden das auch tun. Die niedrigen Zinsen hätten dazu beigetragen, dass die Wirtschaft sich erholt, davon hätten auch Banken, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds profitiert, die Bilanz sei also insgesamt sehr positiv.

Was hält der Finanzmarkt von den Maßnahmen?

Die begrüßen den Ausstieg aus den Anleihekäufen. So hält Clemens Fuest, Chef des Münchner ifo-Instituts, dies für einen wichtigen Schritt in Richtung einer Normalisierung der Geldpolitik: "Durch die Käufe von Staatsanleihen wird die Notenbank immer mehr zum Gläubiger der Staaten. Das kann die Unabhängigkeit der Geldpolitik untergraben. Eine Rückkehr zu Normalität in der Geldpolitik ist auch deshalb wichtig, weil sonst in der nächsten Konjunkturkrise Handlungsspielräume fehlen." Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel hält die Entscheidung der EZB noch nicht für eine Wende in der Geldpolitik, die bleibe sehr expansiv, vor allem, weil diese noch lange nicht die Zinsen erhöhen wolle. Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, mahnt jedoch ein "zügiges Ende der Negativzinsen" an. So sieht das auch Andreas Martin, Vorstand im Bundesverband Volks- und Raiffeisenbanken. Er wünscht sich zudem bald Klarheit darüber, wie die EZB ihre hohen Bestände an Staatsanleihen perspektivisch zurückführen werde.