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EZB-Chef auf Werbetour

Sabine Kinkartz25. September 2012

In keinem anderen Land stoßen die von der Notenbank angekündigten Anleihekäufe auf so große Skepsis wie in Deutschland. EZB-Präsident Draghi geht in die Offensive und wirbt in Berlin um Verständnis.

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Der Präsident der EZB, Mario Draghi, in Begleitung des BDi-Präsidenten Hans-Peter Keitel. (Foto:Michael Sohn/AP/dapd)
Bild: AP

Offiziell und für ein breites Publikum vernehmbar war Mario Draghi in Berlin erst für den Nachmittag als Redner auf dem Tag der deutschen Industrie angekündigt. Doch den Chef der Europäischen Zentralbank zog es bereits ein paar Stunden früher in die deutsche Hauptstadt. Ein Arbeitstreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel war vereinbart, allerdings hinter verschlossenen Türen und ohne Information der Presse. Es gehe um einen "allgemeinen Austausch zu aktuellen Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion", hieß es von der Bundesregierung.

Was Europas oberster Währungshüter und die deutsche Regierungschefin konkret zu bereden hatten, kann sich allerdings jeder denken. Vor knapp drei Wochen hat Draghi offen erklärt, dass die EZB zum großen Schlag bereit ist und im Notfall unlimitiert Anleihen von Euro-Krisenstaaten aufkaufen will. Seitdem hat zwar der Druck auf den Finanzmärkten nachgelassen, in Deutschland aber wird die Kritik immer lauter.

Lob für den Widerstand des Bundesbank-Chefs

Unruhe löst vor allem die Diskussion darüber aus, ob die EZB Staatsanleihen tatsächlich nur dann aufkaufen darf, wenn sich der betroffene Krisenstaat zuvor unter den europäischen Rettungsschirm begeben und damit den entsprechenden Reformauflagen unterworfen hat. An dieser Koppelung dürfe nicht gerüttelt werden, mahnt der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel. Doch nicht nur das. Auf dem Jahrestreffen des Industrie-Verbandes stellte sich der BDI-Chef darüber hinaus unmissverständlich hinter Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der im EZB-Rat als Einziger gegen das Ankaufprogramm, und damit auch gegen den EZB-Präsidenten gestimmt hatte.

Deutschland: Zahlmeister Europas?

Kein leichter Auftritt also für Mario Draghi, der die kurzfristig erfolgte Einladung des BDI sofort angenommen hatte. Es sei ihm eine Ehre und er empfinde es als ein Privileg, auf dem Tag der deutschen Industrie sprechen zu dürfen, so umwarb der EZB-Präsident gleich zu Beginn seine Zuhörer. Ausdrücklich bedankte er sich auch "für den freundlichen Beifall zur Begrüßung", als habe er mit weitaus Schlimmerem gerechnet.

Geldwertstabilität wird beachtet

"Ich bin fest davon überzeugt und das ist auch meine Kernbotschaft an Sie heute: Wenn alle politischen Entscheidungsträger mit den nötigen Reformen weitermachen, dann haben wir viele Gründe dafür, positiv gestimmt zu sein über die Richtung der Eurozone", so Draghi. Die Stimmung an den Finanzmärkten habe sich verbessert und es sei zu erwarten, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr wieder auf einen Wachstumskurs umschwenke. "Wir sehen, dass Fortschritte an allen Fronten erreicht wurden", so der EZB-Chef.

Mit Nachdruck trat Draghi trat Sorgen entgegen, die Europäische Zentralbank könne gegen ihr Mandat verstoßen, indem sie mit den Anleihekäufen gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoße. "Wir bei der EZB werden weiterhin auf die Geldstabilität achten, denn das ist das Fundament für Wachstum und für die Schaffung von Arbeitsplätzen." Aufkäufe würden nur auf dem Sekundärmarkt stattfinden, also auf dem Markt, auf dem bereits aufgelegte Staatsanleihen gehandelt werden. Mit den "neuen Maßnahmen" würden "nicht fundierte Ängste über die Eurozone" beseitigt, so Draghi. Sie könnten aber "nur eine Brücke zu einer stabileren Zukunft sein". "Wir werden Sie nicht enttäuschen", umwarb er abschließend die rund eintausend deutschen Manager.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. (AP Photo/Michael Sohn)
Beim Thema Anleihenkäufe einer Meinung: Bundeskanzlerin Merkel und BDI-Präsident KeitelBild: dapd

Nicht den bequemen Weg wählen

Deren Skepsis dürfte trotz der werbenden Worte des EZB-Präsidenten bestehen bleiben. Die Politiker sollten bei der Überwindung der Krise nicht vorschnell auf Anleihekäufe zurückzugreifen, "auch wenn dies der scheinbar bequemere Weg" sei, hatte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel in seiner Auftaktrede auf dem Tag der deutschen Industrie gefordert. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Weg zum dauerhaften Rettungsschirm ESM freigemacht habe, müsse dieser nun auch eingesetzt werden.

"Frau Bundeskanzlerin, lassen sie uns das als Chance nehmen, vielleicht als letzte Chance, den Euro-Raum auf Disziplin und Wettbewerbsfähigkeit zu gründen", appellierte Keitel an Angela Merkel, die seiner Rede in der ersten Reihe sitzend folgte. "Sonst wird auch das Angebot der EZB zum Ankauf staatlicher Titel geradewegs in eine Vergemeinschaftung von Lasten führen, in eine Lockerung der Konsolidierung, in einen Abschied vom Weltmarkt."

Bundeskanzlerin warnt vor Fehlanreizen

Ein Appell, der bei der Kanzlerin durchaus auf offene Ohren stößt. Forderungen nach einer Vergemeinschaftung der Schulden erteilte Angela Merkel jedenfalls erneut eine klare Absage. "Wir haben Instrumente der Solidarität, aber Haftung und Kontrolle müssen unmittelbar miteinander verknüpft sein. Wir wüssten, dass wir ansonsten fatale Fehlanreize bekommen würden. Deshalb sind Vergemeinschaftungswünsche ohne die dafür jeweils notwendige Struktur des Durchgriffs und des Eingriffs nicht zielführend, sondern bringen uns wieder dahin, wo wir herkommen und von wo wir wegkommen müssen."

Eine schnelle Lösung der Schuldenkrise wird es nach Ansicht der Kanzlerin aber nicht geben. Europa müsse sich fragen, wie das verloren gegangene Vertrauen wieder hergestellt werden kann. "Wir brauchen einen langen Atem, um diese Krise zu überwinden", so Merkel, "und die richtigen Weichenstellungen."

Nicht täglich nach neuer Hilfe rufen

Eine Ansicht, die die deutsche Wirtschaft durchaus teilt. Man müsse jetzt die Geduld aufbringen, den ESM wirken zu lassen, meinte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. Die entscheidende Hilfe müsse aber aus den betroffenen Ländern selbst kommen. Sie müssten ihre Haushalte in Ordnung und ihre Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen. "Kar, wenn nötig mit unserer Hilfe, aber strikt im Rahmen der Regeln", so Keitel. Der BDI-Präsident appellierte an die Krisenländer, ihre eigenen Erfolge nicht kleinzureden, vieles komme in den betroffenen Ländern ja tatsächlich in Bewegung. "Diese Trendwende müssen sie den Finanzmärkten überzeugend und professionell vermitteln, anstatt täglich nach neuer Hilfe zu rufen", so Keitel.