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Kunst

"Ikea hat unsere Welt verändert!"

29. Januar 2018

Von "Wegwerf-Kultur" und der "Kultur des Selber-Aufbauens" bis zur "Demokratisierung des Designs": das schwedische Möbelhaus hat unseren Alltag verändert, sagt Designexpertin Romana Rebbelmund.

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Ikea Bücherregal Billy
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Deutsche Welle: Frau Dr. Rebbelmund, hat Ikea unsere Kultur verändert?

Romana Rebbelmund: In gewisser Weise schon. In den 1970er Jahren war Ikea wichtig für die Studentenbewegung, weil damals tatsächlich vernünftige Möbel zu einem akzeptablen Preis hergestellt wurden und natürlich auch erworben werden konnten. Aber gesellschaftlich war Ikea noch nicht so anerkannt, die Bürgerschicht hat die Nase gerümpft über die Billigmöbel. Aber dann - vermutlich so am Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert - hat sich das geändert.

Ingvar Kamprad, IKEA-Gründer
Bild: picture-alliance/dpa/KREP/IBL Bildbyrå

Da wurde Ikea salonfähig, was daran lag, dass sie ihr Portfolio geändert haben – und dass eben nicht mehr nur Billy-Regale angeboten wurden, sondern Billy in ganz verschiedenen Varianten - mit Schubladen oder verschließbaren Fächern. Diese Linie hat Ikea weiter ausgebaut, so dass es mittlerweile davon tolle Schranksysteme gibt. Ich selbst habe so eins zuhause. 

Was war an Ikea so sensationell – außer dass es preisgünstig war?

Bei Ikea hast Du nicht das fertige Produkt gekauft, sondern einen Bausatz. Und den konnte man im Prinzip direkt mitnehmen. Bis dahin musste ich erst alles bestellen und es gab lange Lieferzeiten. Ikea hat seine Kunden zu Mittätern gemacht.

Sie sagen "Mittäter" – durch den preiswerten Erwerb von Möbeln kam man vielleicht schneller auf die Idee, sich von einem Stück wieder zu trennen. Stichwort: Wegwerfkultur.

Deutschland Ikeas Bestseller-Regal "Billy"
Nur bedingt umzugstauglich: preiswerte Billy-RegaleBild: picture-alliance/dpa/F. May

Auf jeden Fall. Bei jedem Umzug tauchte die Frage auf: Nehme ich das jetzt mit? Oder entscheide ich mich für etwas anderes? Das war nicht der gute alte Schrank der Oma. Ab jetzt konnte man ein Möbel guten Gewissens und damit leichter entsorgen. Damit war Ikea kulturprägend.

Würden Sie sagen, auch bei der Verbreitung von modernem Möbeldesign hat Ikea Maßstäbe gesetzt?

Ja, auf jeden Fall. Am Anfang gab es noch diese Ikea-Optik. Das hat man den Möbeln angesehen. Aber mittlerweile ist es so, dass sich Ikea eigene gute Designer herangezogen hat.

…mit so tollen Namen wie Niels Gammelgaard?

(lacht) Ja, zum Beispiel. Aber die Ikea-Designer haben sich auch gezielt an anerkanntem Design orientiert, und tun das immer noch. Heute arbeiten auch Designer mit großem Namen für Ikea, das ist überhaupt nicht mehr anrüchig. In unserem Museum bieten wir kombinierte Führungen: Erst wird die Designabteilung besucht, danach geht es zu Ikea, wo man dem speziellen Ikea-Design nachspürt.

Pinakothek der Moderne in München | Ausstellung "Democratic Design - Ikea"
Museumsreif: Ikea-Designobjekte in der Pinakothek der ModerneBild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Wenn Sie an Ikea denken, denken Sie dann auch an "Demokratisierung von Design"?

Preiswerte, gutaussehende Möbel für jedermann, um so die Geschmackskultur zu verbessern. Dieser Gedanke kommt aus dem Bauhaus. Ja, in dieser Nachfolge steht Ikea.

Ikea-Kataloge erscheinen in großer Auflage und sind auch ein Spiegel ihrer Zeit. Was macht sie so zum Bestseller?

Bei mir zuhause liegt auch einer. Die Kataloge haben ein sehr schönes, quadratisches Format. Das ist handlich und übersichtlich. Die Produkte sind sehr professionell fotografiert, die Dinge sehen sehr schön aus. Die Kataloge zeigen nicht nur Möbel, sondern ganze Lebenswelten. Übrigens hat die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln auch Ikea-Kataloge. Schon das zeigt, dass der Ikea-Katalog keine Ramschware ist.

Woher kommt eigentlich die Assoziation von der fehlenden Ikea-Schraube und der verschwundenen Socke?

Romana Rebbelmund, Museum für Angewandte Kunst in Köln
Designexpertin Romana Rebbelmund vom MAKK in Köln Bild: Tim Stubbings

Ich habe schon wahnsinnig viele Ikea-Regale, auch mit Rücken, aufgebaut. Und ich kenne natürlich die sockenfressende Waschmaschine. Und ich weiß, dass es Leute gibt, die verzweifelt sind, weil die alles entscheidende Ikea-Schraube fehlte. Mir ist das zum Glück noch nicht passiert.

Könnten Sie sich eine Welt ohne Ikea vorstellen?

Nein, überhaupt nicht. Selbst hier in meinem Büro hat Ikea seine Spuren hinterlassen – in Form eines ausreichend tiefen, weißen Regals – mit Rückwand…!

Die Kunsthistorikerin Dr. Romana Rebbelmund ist Kuratorin für Bildende Kunst, Design, Grafik, Plakat am Museum für Angewandte Kunst (MAKK) in Köln.