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Experten sehen deutsche Wirtschaft im Aufwind

15. Oktober 2009

Die führenden Wirtschaftsinstitute erwarten 2010 in Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Grund zur Entwarnung gibt es trotzdem nicht: Zu Jahresbeginn könnten weiter Stellen abgebaut werden.

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Krähne und Container im Hamburger hafen (Foto: AP)
Der deutsche Außenhandel kommt wieder in Schwung und bringt die Konjunktur voranBild: AP

Der Patient kommt allem Anschein nach schneller wieder auf die Beine, als Experten vorhergesehen hatten. Denn trotz weltweiter Wirtschafts- und Finanzkrise erwarten die führenden Forschungsinstitute, dass sich die exportorientierte deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr von ihrem Einbruch erholen und wieder um 1,2 Prozent anziehen wird.

Das geht aus dem Herbstgutachten hervor, dass die Institute am Donnerstag (15.10.2009) vorstellten. Sie haben damit fast schon wieder eine Kehrtwende vollzogen, denn in ihrem Frühjahrsgutachten hatten sie noch einen Rückgang der Konjunktur um 0,5 Prozent für 2010 vorhergesagt.

Die Wirtschaftswissenschaftler Oliver Holtemöller, Kai Carstensen, Joachim Scheide, Roland Döhrn und Torsten Schmidt (Foto:AP)
Die Forschungsinstitute stellen ihr Herbstgutachten vorBild: AP

Prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt

Trotz der positiven Zahlen schränkten sie denn auch ein, dass es noch keine Entwarnung für den Arbeitsmarkt oder die Staatshaushalte geben könne. Für das laufende Jahr 2009 sei mit einem Einbruch von rund 5 Prozent zu rechnen. Die Zahl der Arbeitslosen von derzeit 3,35 Millionen soll im kommenden Jahr auf einen Durchschnittswert von 4,1 Millionen steigen.

Der Höhepunkt des Stellenabbaus sei für den Jahresauftakt zu erwarten, weil dann viele Unternehmen über die Verlängerung der Kurzarbeit entscheiden müssten, schreiben die Experten in ihrem Gutachten.

Kurzarbeit hat Firmen über die Runden gebracht

Beschäftigte in der Metall verarbeitenden Industrie (Foto: DW)
In vielen Betrieben sind Beschäftigte in Kurzarbeit

Bisher sei der Arbeitsmarkt trotz der Krise erstaunlich robust gewesen, erläuterte der Wirtschaftsforscher Roland Döhrn vom RWI Essen. Denn viele Unternehmen seien dank der Kurzarbeit über die Runden gekommen.

Allerdings hätte dadurch die Produktivität der Firmen gelitten und dies müssten die Unternehmen wieder "normalisieren", so Döhrn. Daher sein Resumee: "Für den Arbeitsmarkt kann man noch keine Entwarnung geben."

Einbuch bei den Steuern zu erwarten

Auch die Steuereinnahmen seien in diesem Jahr noch relativ günstig - eine Entwicklung, die laut Dörn aber nicht so weiter gehen wird. Der große Einbruch werde bei den gewinnabhängigen Steuern noch kommen.

Wegen dieser zu erwartenden rückläufigen Steuereinnahmen sei für das kommende Jahr eine deutlich höhere Staatsverschuldung zu befürchten, heißt es im Herbstgutachten. Daher die Warnung an die Politiker in Berlin, nur keine Steuersenkungen auf Pump zu finanzieren. Zwar seien Entlastungen denkbar und auch wünschenswert, sie würden aber "eine sehr ehrgeizige Sparpolitik" voraussetzen.

Kanzlerin warnt vor zu viel Euphorie

Portait Angela Merkel (Foto: AP)
Für die Kanzlerin kommt die Wirtschaft nur langsam aus dem TiefBild: AP

Allein beim Export sei eine positive Entwicklung zu erwarten. Doch expandiere die Weltwirtschaft längst nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Jahren. "Es geht aufwärts, aber nicht auf dem Niveau wie vor zwei Jahren", so die Gutacher.

Auch Kanzlerin Angela Merkel warnte vor übertriebenen Erwartungen und zu viel Euphorie. Ein Wachstum dieser Größenordnung bedeute, dass "wir erst langsam aus dem Tal kommen, aber noch lange nicht da sind, wo wir waren", so Merkel.

Einfluss auf Koalitionsverhandlungen

Trotzdem werden die Ergebnisse des Herbstgutachtens nicht ohne Folgen für die Politik bleiben. Denn sie fließen in die neue Prognose der Bundesregierung mit ein, die am Freitag veröffentlicht werden soll.

Und diese wiederum ist Grundlage für die weiteren Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen den konservativen Parteien CDU und CSU auf der einen Seite und der liberalen FDP auf der anderen Seite. Dabei geht es im Moment um Möglichkeiten für die im Wahlkampf versprochenen Steuererleichterungen.

DIHK verbreitet Zuversicht

Viel optimistischer als die Wirtschaftsforscher haben sich bereits die Unternehmen gezeigt. Laut der am Mittwoch veröffentlichten Konjunkturumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) verbessert sich die Geschäftslage der Unternehmen erstmals seit zwei Jahren wieder. "Die Wirtschaft hat zu einem großen Teil die konjunkturelle Talsohle durchschritten", so das Fazit von Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.

Der DIHK erwartet für 2010 ein Wachstum von 2,0 Prozent, für 2009 ein Minus von 4,8 Prozent. Nur noch 24 Prozent der befragten Unternehmen bewerteten die Geschäftserwartungen als schlecht. Im Frühsommer waren es noch 41 Prozent und zu Jahresanfang 46 Prozent gewesen.

Steigende Exportzahlen erwartet

Die Belebung des Exports beschleunigt sich, der Export hat laut der DIHK-Konjunkturumfrage fast wieder den Stand von Herbst 2008 erreicht, als die Krise gerade begann. Inzwischen rechnen wieder mehr Unternehmen mit steigenden Exportraten (29 Prozent) als mit einem Rückgang (22 Prozent). Die Industrie- und Handelskammern hatten bis kurz vor der Bundestagswahl rund 25.000 Firmen befragt.

Autorin: Eleonore Uhlich (dpa,ap,rtr,afp)

Redaktion: Dirk Eckert