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Ex-Premier Kassjanow: Russlands Außenwirtschaftspolitik ist falsch

11. Mai 2006

Michail Kassjanow sieht einen Zusammenhang zwischen den Erdgaskonflikten und der undemokratischen Entwicklung Russlands. In Brüssel machte er seine Sicht auf den russisch-europäischen Energiedialog deutlich.

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Michail Kassjanow: Geplante Infrastrukturprojekte entsprechen nicht Kriterien der WirtschaftlichkeitBild: picture-alliance/dpa-Report

Der russisch-europäische Energiedialog stand im Mittelpunkt der Rede des ehemaligen russischen Regierungschefs Michail Kassjanow am 10. Mai in Brüssel, wo er sich auf Einladung mehrer Fraktionen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Instituts für Unternehmertum aufgehalten hatte. Zum Seminar über Geopolitik, Energiesicherheit und Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU, an dem Kassjanow als Referent teilnahm, kamen Vertreter der Europäischen Kommission, Politiker, Geschäftsleute und Experten zusammen. Der Besuch des ehemaligen russischen Premiers war inoffiziell. Anlass des Seminars sind die Diskussionen in der EU über den sogenannten Energiedialog.

Keine Bedenken gegen Ostseepipeline

Während seiner Europa-Tournee will Kassjanow in erster Linie seine eigene Sicht auf den russisch-europäischen Energiedialog deutlich machen. In seiner Rede wies Kassjanow auf einen Zusammenhang zwischen den Erdgaskonflikten und der undemokratischen Entwicklung Russlands hin. Dabei ging er auch auf das sensible Thema des so genannten nicht zu diskriminierenden Zugangs zum Transit ein. Gleichzeitig rief der russische Ex-Premier dazu auf, alle Bedenken gegen die neue Ostseepipeline zu verwerfen und den Bau von Terminals am Meer zu beschleunigen, über die auf dem Seeweg Flüssiggas transportiert werden könnte.

Politik mit zweierlei Maß

Kassjanow bezeichnete die von der Führung Russlands und den russischen Staatsunternehmen in den letzten Jahren durchgeführte Außenwirtschaftspolitik als falsch. Er warf Moskau vor, bei der Erdgas-Preisbildung eine Politik mit zweierlei Maß zu betreiben. Gleichzeitig forderte er aber Europa auf, die Interessen Russlands im Energiedialog zu berücksichtigen. Bekanntlich hatten mehrere europäische Staaten, darunter Polen, die faktische Monopolisierung der Energielieferungen nach Europa durch Russland scharf verurteilt. Ferner bemängelte Kassjanow, dass Infrastrukturprojekte geplant seien, die Kriterien der Wirtschaftlichkeit nicht entsprächen.

Kritik an Energiecharta

Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einer neuen Fassung der europäischen Energiecharta. Das Dokument wird schon jetzt in russischen Politik- und Geschäftskreise kritisch betrachtet. Sie sind der Ansicht, dass die Energiecharta die wirtschaftlichen Interessen Russland im Erdöl- und Erdgasbereich benachteiligen könnte. Beobachter in Brüssel meinen, Präsident Wladimir Putin habe als Antwort auf die Rede Kassjanows in Brüssel in seiner Ansprache vor dem Föderationsrat erklärt, Russland könne eine effektive Rolle bei der Schaffung einer einheitlichen europäischen Energiestrategie spielen.

Leonid Sokolnikow, Brüssel
DW-RADIO/Russisch, 10.5.2006, Fokus Ost-Südost