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Erst verpönt, nun beliebt

Suzanne Krause27. August 2009

Früher wurden Kinder gehänselt, die bretonisch sprachen. Heute gibt es 38 Schulen, die in der Regionalsprache unterrichten. Das Bretonische lebt weiter.

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Zwei Flaggen wehen im Wind auf einer Wehrmauer (Foto: Suzanne Krause)
Die Bretonen wollen ihre Sprache bewahrenBild: DW

Das Fest Noz ist ein typisch bretonisches Nachtfest. Im Sommer feiern die Bretonen jeden Donnerstag vor dem Leuchtturm von Bangor. Mitten in der Pampa auf der Belle-Ile, der größten bretonischen Insel, steht eine kleine Bühne. Während die Sonne im Meer versinkt, tanzen an die 200 Menschen ganz traditionell im großen Kreis.



Die Musik kommt von der Gruppe "Arvest" - ein bretonischer Geheimtipp. Zu ihrem Repertoire gehören traditionelle bretonische Lieder und viele Eigenkompositionen. "Wir singen vom Leben heute, von aktuellen gesellschaftlichen Problemen, vom Alltag - und zwar auf Bretonisch", sagt Sänger Yves Jego. "Bretonisch haben wir erst nach dem Abi gelernt. Das war ziemlich spät, aber wir wollten die Sprache unserer Großeltern kennen und beherrschen", ergänzt Yann Raoul, zweiter Frontmann der Band. Das Bretonische verfüge über eine Musikalität, die man im Französischen so nicht finde.

Menschen tanzen auf einem Platz (Foto: Suzanne Krause)
Alt und jung tanzen gemeinsam auf bretonische LiederBild: DW

Eine Sprache der Alten

Im Publikum allerdings können nur die wenigsten den bretonischen Texten von "Arvest" folgen. Laut Untersuchungen ist der typische Muttersprachler heute eine Rentnerin, die im Nordwesten der Atlantikküste lebt und fast nur noch zuhause bretonisch spricht. Höchstens 200.000 Menschen beherrschen die Regionalsprache noch. 1970 seien es noch 500.000 gewesen, sagt Rozenn Milin. Die Bretonin, die bei der Stiftung des früheren Staatspräsidenten Jacques Chirac das Programm für die Rettung bedrohter Sprachen leitet, kämpft für den Erhalt des Bretonischen.

Doch auch sie ist keine wirkliche Muttersprachlerin: "Meine Eltern haben in der Schule Französisch lernen müssen. Vorher sprachen sie nur bretonisch." Rozenns Eltern gehören zu der Generation, die geschlagen, beschimpft und erniedrigt wurde, weil sie kein Französisch beherrschte. Darum sprachen sie mit ihren Kindern französisch, um ihnen diese Demütigung zu ersparen. Aber untereinander unterhielten sich die Eltern auf Bretonisch. "So habe ich im Alltag manches aufgeschnappt", erinnert sichRozenn. Und lernte immer weiter.

Auf einem gelben Auto mit zwei Aufklebern: bretonische Flagge und TV-Logo (Foto: Suzanne Krause)
Der Fernsehkandal TV Breizh sendet auf bretonischBild: DW

Weg vom Image der Tölpelsprache

Seit Ende des 19. Jahrhunderts war das Bretonische von der französischen Zentralregierung systematisch diffamiert, verbannt und verboten worden. Erst 1977 eröffnete die erste Schule des Vereins "Diwan", in der auf Bretonisch unterrichtet wird. Mittlerweile gibt es 38 "Ecoles Diwan" mit über 3000 Schülern. Auch in öffentlichen Schulen gibt es heute zweisprachigen Unterricht. Doch dieser Nachwuchs wiegt bei weitem nicht die Zahl der Muttersprachler auf, die wegsterben.

Auf Belle-Ile beherrsche kaum jemand die Regionalsprache fließend, sagt Pierre Gallen. Als er vor zwanzig Jahren in Rente ging, verfasste er eine Anthologie des inseltypischen Dialekts. "Ich wollte damit Spuren der Geschichte von Belle-Ile bewahren."

Ein älterer Herr hält ein Buch in der Hand (Foto: Suzanne Krause)
Pierre Gallenin in seinem Arbeitszimmer in SauzonBild: DW

Das Paradox: Das Bretonische ist keinesfalls eine Museumssprache. Gewohnt bildhaft bürgert sie Begriffe der Gegenwart ein. Telefon beispielsweise wird übersetzt mit: "die Stimme, die weit reicht". Dennoch erscheinen die Bemühungen der Band "Arvest", mit ihren bretonischen Texten mehr Menschen für die Sprache zu begeistern, wie eine Sisyphus-Aufgabe.