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Eurozone: Schluss mit dem Sparen?

Zhang Danhong5. April 2013

Ein weiteres Sparen würde die Eurozone in eine tiefere Krise stürzen, sagen die einen. Man könne aber die Schuldenkrise nicht mit mehr Schulden bekämpfen, meinen die anderen.

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Euro-Sparschwein an der EZB
Ende der Sparpolitik?Bild: picture-alliance/dpa

Hohe Schulden, tiefe Rezession und Massenarbeitslosigkeit - bei dieser Kombination denken viele sofort an Griechenland. Doch die Beschreibung trifft genauso auf Deutschland Anfang der 1930er Jahre zu. Der damalige Reichskanzler Heinrich Brüning wollte durch eine rigide Sparpolitik die Staatsfinanzen sanieren. Sein Versuch endete in Massenarmut und Hyperinflation. Die Weimarer Republik zerbrach. Ein gewisser Adolf Hitler ergriff die Macht.

Auf Drängen der Geldgeber mussten auch die kriselnden Länder in Südeuropa die Löhne senken und die Steuern erhöhen. Nun stecken sie im Teufelskreis aus Rezession, Massenarbeitslosigkeit und immer höheren Schulden fest. Der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger sieht Parallelen mit der Weimarer Republik und gibt der Sparpolitik eine Mitschuld an der desolaten Lage. "Die Situation in Griechenland liegt nicht zuletzt an der wirtschaftspolitischen Schocktherapie", sagte Bofinger in einem Interview.

Spanier protestieren gegen Sparpolitik

Südeuropa hat das Sparen satt

Dieser Schocktherapie haben vor kurzem auch die italienischen Wähler eine klare Absage erteilt. Für Guntram Wolff, stellvertretender Direktor der Denkfabrik Bruegel in Brüssel, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch in Spanien ein politischer Unfall passiert: "Wir sind uns gerade in Deutschland nicht klar darüber, wie dramatisch die Situation inzwischen in Südeuropa ist."

Dr. Guntram Wolff, Vizedirektor der Denkfabrik Bruegel aus Brüssel, auf einer Veranstaltung der Hanns Martin Schleyer-Stiftung (Foto: DW)
Deutschland leistet keinen Beitrag für die Konjunktur im Euroraum: Guntram WolffBild: DW/Zhang Danhong

Es herrsche dort ein Gefühl der Perspektivlosigkeit. Dagegen müsse etwas getan werden, sagt Wolff. Die fiskalische Anpassung müsse zwar weiter gehen, aber nicht mehr so schnell wie in der Vergangenheit. Sollen die Krisenländer gar neue Konjunkturpakete schnüren? Nein, sagt der Wirtschaftswissenschaftler aus Brüssel, "weil sie an den Finanzmärkten bereits hohe Risikoprämien zahlen. Neue Schulden würden diese Prämien erhöhen und stellen ein klares Risiko dar."

Deutschland soll Geld locker machen

Seiner Meinung nach ist Deutschland das einzige Land in der Eurozone, das sich solche Konjunkturspritzen leisten kann. Doch die Bundesrepublik konsolidiere. Staatliche Investitionen würden zurückgefahren. Somit trage Deutschland nichts zur Konjunkturbelebung im Euroraum bei, kritisiert Guntram Wolff.

Was würde in Südeuropa passieren, wenn Deutschland tatsächlich ein Konjunkturpaket auflegen würde? Dieser Frage ist auch die Bundesbank nachgegangen. "Die Antwort ist im Wesentlichen: Gar nichts. Wir werden die Rezession in Südeuropa nicht mit einem Konjunkturprogramm in Deutschland bekämpfen können", sagt Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.

VProf. Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), auf einer Veranstaltung der Hanns Martin Schleyer-Stiftung (Foto: DW)
Am Sparen führt kein Weg vorbei: Clemens FuestBild: DW/Zhang Danhong

Löhne müssen weiter runter

Zudem habe Südeuropa nicht nur ein Nachfrageproblem, sondern eine Fehlanpassung der Preise. "Die Löhne, die Lohnkosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie müssen runter", fordert Fuest. Wenn man Konjunkturprogramme mache, stoppe man diese Anpassung und verlängere die Krise, ist der Ökonom überzeugt. Programme für Jugendliche hingegen würden keine Lohnanpassung verhindern: "Ich bin dafür, Mittel in die Hand zu nehmen, um etwas für die Ausbildung von Jugendlichen zu tun", so Fuest weiter.

Dass in Spanien und Griechenland mehr als jeder zweite Jugendliche keine Arbeit findet, ist ein unhaltbarer Zustand, darin sind sich die Ökonomen einig. Wolfgang Franz, ehemaliger Chef der Wirtschafsweisen, weiß aus eigenen Studien, "dass Jugendarbeitslosigkeit im Hinblick auf das spätere Erwerbsleben keine Wunde ist, die schnell verheilt. Es bleibt eine hässliche Narbe in Form von verringerten Arbeitsplatzchancen und Einkommenschancen."

Prof. Wolfgang Franz, ehem. ZEW-Präsident, auf einer Veranstaltung der Hanns Martin Schleyer-Stiftung (Foto: DW)
Jugendarbeitslosigkeit bleibt eine hässliche Narbe: Wolfgang FranzBild: DW/Zhang Danhong

Das deutsche System als Vorbild

Das deutsche System der dualen Berufsausbildung könnte den Südländern als Vorbild dienen. Franz wüsste ganz genau, wo er das Geld hernehme: "Statt ein paar Subventionen an die Landwirtschaft würde ich sagen: Helft diesen jungen Menschen, macht Lehrstätten auf und schickt Leute hin, die sie ausbilden."

Auch wenn die EU-Mitglieder das mitmachen würden, würden Jahre ins Land gehen, bis die Maßnahmen wirken. In der Zwischenzeit hält Guntram Wolff direkte Transfers in den Süden für unumgänglich: "Dieses Thema wird kommen. Eine Währungsunion braucht Stabilisierungsmechanismen, die über Grenzen hinweg gehen. Sonst ist sie langfristig nicht tragfähig."