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Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Türkei

20. Oktober 2015

Wegen Misshandlung und Folter von Gefangenen ist die Türkei vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Zudem warfen die Richter der Justiz vor, Vorwürfen nicht ausreichend nachgegangen zu sein.

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Gerichtssaal im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Die Türkei muss wegen Menschenrechtsverletzungen mehrere zehntausend Euro an Opfer zahlen. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Polizisten eine Frau, die 1999 wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer verbotenen politischen Organisation verhaftet wurde, im Gefängnis misshandelten. Ihr Fall wurde zudem nicht ausreichend untersucht. Der Frau wurde eine Entschädigung von 45.000 Euro zugesprochen.

Ihren Angaben zufolge wurde sie im Polizeigewahrsam vier Tage lang gefoltert. Demnach wurde sie an den Armen aufgehängt, gegen die Wand geworfen, zum Entkleiden gezwungen und mit Vergewaltigung bedroht. Sie hatte kurz nach den Ereignissen Anzeige erstattet, doch das Verfahren gegen die beschuldigten Polizisten war vom Istanbuler Berufungsgericht 2007 wegen Verjährung eingestellt worden.

Andere Frau scheitert mit ähnlicher Klage

In einem ähnlichen Fall scheiterte eine andere Türkin vor dem EGMR. Die Frau war 2006 nach eigenen Angaben wegen der Verteilung von Flugblättern verhaftet und im Polizeigewahrsam misshandelt worden. Die Beamten hätten ihr mit Vergewaltigung gedroht und sie an mehreren Stellen ihres Körpers berührt. Ein Arzt, der sowohl die Frau als auch einen Polizisten untersuchte, stellte leichte Verletzungen fest.

Laut der türkischen Staatsanwaltschaft erhielt die Frau die Blessuren, als sie sich ihrer Festnahme widersetzte. Die Straßburger Richter sahen keine ausreichenden Beweise für eine Misshandlung. Sie kritisierten die Türkei aber dafür, dass sie die Vorwürfe der Frau gegen die Polizei nicht ausreichend untersucht habe.

Strafzahlung für mangelnde Ermittlungen

Ankara muss zudem 24.000 Euro an die Söhne eines Mannes zahlen, der 2006 in Diyarbakır während gewaltsamer Proteste und Straßenschlachten zwischen Unterstützern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und türkischen Sicherheitskräften getötet worden war. Die Justiz habe sich nicht ausreichend für die Aufklärung des Todes des 78-Jährigen eingesetzt, entschied der EGMR.

Außerdem verurteilten die Richter die Türkei zur Zahlung von jeweils 5000 Euro an acht Türken, die 2008 wegen einer mutmaßlichen Unterstützung der PKK verhaftet worden waren. Sie seien in der Haft unmenschlich behandelt worden.

Anwalt wegen Äußerung über PKK festgenommen

Unterdessen wurde bekannt, dass in der Türkei ein prokurdischer Anwalt vorübergehend festgenommen wurde. Die Polizei brachte den Vorsitzenden der Anwaltskammer in Diyarbakır, Tahir Elci, wegen des Vorwurfs der "terroristischen Propaganda" zu einer Vernehmung nach Istanbul. Ein Gericht wies den Haftantrag jedoch zurück und ließ ihn unter Auflagen frei.

Elci hatte in der vergangenen Woche in einem Fernsehinterview gesagt, die PKK sei "keine terroristische Organisation", sondern eine politische. Gemäß türkischem Recht drohen bei der "Verherrlichung des Terrorismus" mehrere Jahre Haft.

Ba/jj (EGMR, epd, afp)