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Kein Geld für Konjunkturprogramme

17. September 2011

Nach außen hin wollten USA und EU ein möglichst geschlossenes Bild im Kampf gegen die Schuldenkrise abgeben, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Doch hinter verschlossenen Türen gab es Streit beim Treffen in Wroclaw.

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Symbolbild 2-Euro-Münze
Bild: picture-alliance/dpa

US-Finanzminister Timothy Geithner war auf Einladung der polnischen Ratspräsidentschaft zur Gruppe der 17 Finanzminister der Euro-Zone in Wroclaw (Breslau) gestoßen. Im Gepäck hatte der ehemalige Banker am Freitag (16.09.2011) gute Ratschläge, wie Europa gegen die Schuldenkrise und die aufziehende Wirtschaftsflaute angehen sollte. US-Präsident Barack Obama hatte die Probleme mit den überschuldeten Staaten in der Euro-Zone als Gefahr für die Weltwirtschaft gegeißelt. Geithner war der erste amerikanische Ressortchef, der je an einem Treffen der EU-Finanzminister teilnahm. Auf die Frage, ob dies der dramatischen Lage diesseits und jenseits des Atlantiks geschuldet war, sagte der Vorsitzende der 17 Euro-Staaten, Jean-Claude Juncker, verschmitzt: "Das war kein dramatischer Auftritt, sondern ein Gespräch unter Freunden.“

Beratungen in Wroclaw (Foto: dapd)
Bei den Beratungen in Wroclaw (von links): EU-Kommissar Rehn, Euro-Gruppen-Chef Juncker, EZB-Präsident Trichet und Klaus Regling, Chef des EFSFBild: dapd

Ganz so harmonisch war die Diskussion wohl nicht, denn Timothy Geithner, sonst nicht medienscheu, mied jede Begegnung mit der europäischen Presse in Breslau. Auch das übliche Gruppenfoto der Minister wurde ohne den Amerikaner aufgenommen. Aus Delegationskreisen hieß es, Geithner sei entsetzt gewesen über die Uneinigkeit unter den 17 Euro-Staaten, wie der schlimmsten Krise seit Bestehen der Währung zu begegnen sei. Das Gerede vom Ende der Währungsunion müsse beendet werden, sagte Geithner den Delegationskreisen zufolge.

Abfuhr in Breslau

Der Finanzminister aus Washington drängte die Euro-Zone ihren Rettungsfonds EFSF nicht nur auf 440 Milliarden Euro, sondern auf eine weit größere Summe zu erhöhen, um notfalls auch Italien vor der Pleite retten zu können. Geithner schlug dazu die Einbindung der Europäischen Zentralbank in den Aufkauf von Staatsschulden vor, was mit einigen finanztechnischen Tricks zu einer Erhöhung der Kapazität des EFSF führen könnte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble soll dies nach Angaben aus österreichischen Delegationskreisen abgelehnt haben. Die amerikanische Methode führe zu einer größeren Inflationsgefahr und stelle die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank vollends in Frage. Euro-Gruppen-Chef Juncker, der Premierminister von Luxemburg ist, beschied Geithner kühl: "Wir diskutieren die Ausweitung des Rettungsfonds EFSF nicht mit jemanden, der nicht Mitglied der Euro-Zone ist.“

Timothy Geithner in Wroclaw (Foto: dapd)
Machte sich keine Freunde: US-Finanzminister Geithner bei den Beratungen in WroclawBild: dapd

Maria Fekter, Finanzministerin in Österreich, kritisierte die Vorschläge des amerikanischen Kollegen. Timothy Geithner sei zum Beispiel für eine Transaktionssteuer für die Finanzmärkte nicht zu haben: "Das hat er strikt abgelehnt, der Herr Geithner. Uns zu erklären, was wir mit Steuergeldern zu tun haben, und gleichzeitig einer guten Maßnahme eine Absage zu erteilen, das habe ich nicht als gerechtfertigt empfunden", sagte Fekter. Die von Geithner ins Spiel gebrachten neuen Konjunkturprogramme für die europäische Wirtschaft wies auf der anderen Seite Juncker zurück. Dazu fehle schlicht das Geld, so Juncker: "Wir sehen innerhalb der Euro-Zone keinen Spielraum für weitere Konjunkturprogramme. Das ist nicht möglich. Wir können die finanzielle Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht gefährden, die gerade angelaufen ist.“

Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker (Foto: dpa)
Euro-Gruppen-Präsident Jean-Claude Juncker lehnte die US-Anregungen dankend abBild: picture-alliance/dpa

Arbeiten am Rettungsschirm

Bis Ende September sollen die Mitgliedsstaaten den neuen Vertrag über den Rettungsfonds verabschiedet haben. Bislang haben nur vier Staaten diesen Schritt getan. In Deutschland soll der Bundestag in der letzten Septemberwoche abstimmen. Danach soll der EFSF ein ausleihbares Volumen von 440 Milliarden Euro haben. Dafür müssen Deutschland und andere Staaten ihre Kreditgarantien erhöhen. Luxemburgs Premier Juncker sagte in Breslau, der EFSF werde neue Instrumente bekommen und wesentlich flexibler werden. Er kann zum Beispiel Staatsanleihen direkt aufkaufen und Banken Finanzspritzen gewähren.

Was Griechenland angeht, so prüft zur Zeit wieder die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds in Athen, ob das Land die Bedingungen für weitere Zahlungen erfüllt. EU-Währungskommissar Olli Rehn forderte Griechenland auf, seinen Verpflichtungen nachzukommen. "Jetzt kommt es einzig und allein auf den politischen Willen und die Fähigkeit der griechischen Regierung und des Parlaments an, die finanziellen Zielmarken zu erreichen", sagte Rehn in Wroclaw. "Der Ball liegt im Feld der Griechen.“

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos (Foto: dapd)
Griechenland sei im Plan, erklärte Finanzminister VenizelosBild: dapd

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, dass Griechenland voll auf Kurs sei und alle Bedingungen erfüllen werden. Das Land braucht spätestens Mitte Oktober acht Milliarden Euro Kredit, sonst wird es zahlungsunfähig. Was passiert, wenn die Rechungsprüfer der Troika Griechenland kein gutes Zeugnis ausstellen, ist unklar.

Über Berlin nicht amüsiert

Eine Diskussion über eine eventuelle Insolvenz Griechenlands fand offiziell in Wroclaw nicht statt. Euro-Zonen-Chef Juncker kritisierte die Diskussion innerhalb der Bundesregierung nicht direkt, machte während einer Pressekonferenz aber klar, dass er damit nicht zufrieden sei. Man müsse verbale Disziplin üben und Konflikte nicht noch anheizen, sagte Juncker. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hatte über eine geordnete Insolvenz Griechenlands gesprochen, was auch die heftige Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgelöst hatte.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Marko Langer