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Sozialdemokraten geeint gegen Rechtspopulismus

12. Dezember 2015

Der Front National in Frankreich, die FPÖ in Österreich und die AfD in Deutschland - Rechtspopulisten bekommen in ganz Europa Aufwind. Europäische Sozialdemokraten sagen ihnen auf dem SPD-Parteitag den Kampf an.

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Sigmar Gabriel mit Manuel Valls, Werner Faymann und Stefan Löfven auf dem SPD-Parteitag (Foto: dpa)
Schulterschluss auf dem SPD-Parteitag: Walter Faymann, Manuel Valls, Sigmar Gabriel und Stefan Löfven (von links nach rechts)Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"In der Demokratie gibt es keinen Platz für die Feinde der Demokratie", mahnte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz. Angesichts der jüngsten Wahl- und Umfrageergebnisse rechter Parteien haben sozialdemokratische Spitzenpolitiker aus mehreren europäischen Ländern dazu aufgerufen, sich gegen Rechtspopulismus zu stellen.

Die Rechten seien "nichts anderes als die Konjunkturritter der Angst", betonte Schulz in seiner Rede vor den Delegierten des SPD-Parteitags. Schulz unterstrich, Parteien wie der Front National in Frankreich, aber auch die "Alternative für Deutschland" (AfD) und die "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ) in Österreich nutzten die Verängstigung der Menschen und testeten jeden Tag ein Stück mehr, "wie weit sie mit ihrer "rassistischen, inszenierten, verführerischen und brutalen Rhetorik" gehen könnten.

Schulz: "Zerfall Europas realistisch"

Angesichts dieser Entwicklung warnte der Sozialdemokrat vor einem Zerfall der Europäischen Union: "Das Scheitern Europas ist ein realistisches Szenario." Dies sei das Ziel der Ultranationalisten, die einen Sieg nach dem anderen einfahren würden. Die europäische Staatengemeinschaft mache derzeit "die schwierigste Zeit" durch, die sie je erlebt habe, betonte auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Martin Schulz auf dem SPD-Parteitag (Foto: Reuters)
EU-Parlamentspräsident Schulz sieht die Einheit der EU in GefahrBild: Reuters/F. Bensch

Überall in Europa stünden Sozialdemokraten derzeit "in einem Wettbewerb gegen Nationalisten", erklärte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. Vordringlichste Aufgabe der europäischen Regierungen sei es nun, die Flüchtlingskrise solidarisch zu lösen. "Wir sollten zeigen, wie wir Ordnung und Menschlichkeit zusammenbringen in einem Europa, das groß genug ist, Menschen zu helfen, die auf der Flucht sind", betonte er.

Löfven: Keine Schuldzuweisungen

Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven verlangte für die EU ein neues Asylsystem mit sicheren Außengrenzen und kontrollierten Migrationsströmen. Die Länder müssten der Gefahr widerstehen, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen, mahnte er im Hinblick auf die kontroversen Diskussionen und Verhandlungen, in denen sich die EU-Staaten bislang nicht auf eine dauerhafte Lösung für die Verteilung der Flüchtlinge einigen konnten.

Marine Le Pen nach den Regionalwahlen in Frankreich (Foto: Reuters)
Der Schrecken der französischen Sozialisten: Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front NationalBild: Reuters/B. Tessier

Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls war ebenfalls in Belin anwesend. Er rief den Delegierten zu: "Wir brauchen ein weltoffenes Europa, dass seine Werte verteidigt!" Europa müsse aber auch Standfestigkeit beim Umgang mit den Flüchtlingen beweisen. Viele Menschen glaubten nicht mehr an Europa und sähen, dass Terroristen ganz leicht die Grenzen übertreten könnten. Gleichzeitig verurteilte er Äußerungen von Populisten, wonach vor Krieg fliehende Menschen mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden. "Das ist eine unzulässige Verquickung", warnte Valls.

Rechtspopulistische Parteien sind derzeit europaweit auf dem Vormarsch. Die rechtsextreme Partei Front National fuhr zuletzt bei den Regionalwahlen in Frankreich Erfolge ein. In Österreich legte die FPÖ bei Wahlen immer mehr zu. Einen Aufschwung erlebt laut jüngsten Meinungsumfragen auch die AfD in Deutschland.

Gemeinsam, statt gegeneinander

Die Europapolitik zählte zu den inhaltlichen Schwerpunkten des SPD-Bundesparteitags in Berlin. Dort rief Partei-Chef Sigmar Gabriel die Genossen auch am letzten Tag zu Geschlossenheit und realistischen Erwartungen auf. "Was wir lernen müssen nach diesem Parteitag, ist aufzupassen, dass die Rigorosität nicht Einzug hält in die Sozialdemokratie", sagte der Vizekanzler in seinem Schlusswort. Um Erfolg zu haben, müsse die SPD "am Ende des Tages für die gemeinsame Sache kämpfen und nicht gegeneinander".

Sigmar Gabriel auf dem SPd-Parteitag (Foto: dpa)
Wird er 2017 Kanzlerkandidat? Von den Genossen erntete er viel KritikBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Als Regierungspartei müsste sich die SPD am Machbaren orientieren, mahnte Gabriel. Mit Blick auf die Freihandelsabkommen TTIP heiße das: Anstatt die Verhandlungen abzubrechen, müsse die SPD versuchen, so viele sozialdemokratische Anliegen festzuschreiben wie möglich. Nach einer kontroversen Debatte hatten die 600 Delegierten des Bundesparteitags in Berlin zuvor mit großer Mehrheit für den Antrag des SPD-Vorstands gestimmt, der die transatlantischen Vereinbarungen befürwortet.

Wer tritt 2017 gegen Merkel an?

Am Rande des Parteitags spielte auch die Frage nach dem SPD-Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2017 eine Rolle. EU-Parlamentspräsident Schulz sagte Gabriel in der "Passauer Neuen Presse" seine "volle Unterstützung" für eine Kandidatur zu. Widerspruch kam von der SPD-Linken, die Gabriels Kurs auf dem Parteitag wiederholt kritisiert hatte. "Die Kandidatenfrage ist offen", sagte der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel dem "Tagesspiegel". Mit einer "Basta-Politik" werde Gabriel es nicht schaffen, Partei und SPD-Anhänger für den Bundestagswahlkampf zu motivieren.

Gabriel selbst äußerte sich nach seiner Schlappe bei der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden zurückhaltend. "Jeder Vorsitzende der SPD muss sich das vorstellen können und wollen", sagte er dem ZDF. Entschieden werde aber erst 2017. Bei der Wahl am Freitag sprachen dem SPD-Chef nur 74,3 Prozent der Delegierten ihr Vertrauen aus. In der ARD nannte der Vizekanzler das Ergebnis jedoch "eine Chance". Er betonte: "Klarheit in der Sache ist besser als hundertprozentige Wahlergebnisse."

nin/kle (dpa, afp, rtr)