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Europarat erhebt schwere Vorwürfe in CIA-Affäre

7. Juni 2006

Europarats-Ermittler Dick Marty wirft in seinem Abschlussbericht europäischen Länder vor, aktiv mit der CIA zusammengearbeitet zu haben.

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Dick MartyBild: AP
CIA-Flüge in Europa
Eine C17 Globemaster der US-Luftwaffe bei FrankfurtBild: dpa

Deutschland und 13 weitere Länder in Europa haben nach Erkenntnissen des Europarats in der Affäre um Gefangenenflüge und Geheimgefängnisse mit dem US-Geheimdienst CIA zusammengearbeitet oder illegale Aktivitäten geduldet. In den Fällen des nach Afghanistan verschleppten Deutschen Khaled el Masri und der Entführung von Abu Omar, der über den Flughafen Ramstein nach Ägypten gebracht wurde, könne Deutschland gegen Rechte Einzelner verstoßen haben, erklärte Europarats-Ermittler Dick Marty in seinem am Mittwoch (7.6.) in Paris veröffentlichten Abschlussbericht. Dabei ließ er offen, inwieweit sich deutsche Stellen schuldig gemacht haben könnten.

Aktive Komplizenschaft

Der Schweizer Europarats-Berichterstatter erklärt, Behörden mehrerer europäischer Staaten hätten aktiv mit der CIA bei ungesetzlichen Aktionen zusammengearbeitet. Andere hätten diese Aktivitäten bewusst ignoriert oder darüber nichts wissen wollen. Marty nennt in diesem Zusammenhang neben Deutschland auch Schweden, Bosnien-Herzegowina, Großbritannien, Mazedonien, Italien und die Türkei. In diesen Staaten seien die Menschenrechte von Einzelpersonen verletzt worden. Auch andere Europarats-Staaten hätten an illegalen Überstellungen aktiv oder passiv mitgewirkt.

Marty spricht von einem "weltweiten Spinnennetz" von geheimen CIA-Gefängnissen und Transfers zwischen diesen Anstalten. Ziel sei nicht gewesen, Erkenntnisse zu erlangen oder die Betroffenen vor Gericht zu stellen. Vielmehr sollten vor allem die Betroffenen unschädlich gemacht werden, so Marty. Der Berichterstatter appelliert an alle 46 Europarats-Mitgliedstaaten, die Vorwürfe pflichtgemäß aufzuklären. Die Bekämpfung des Terrorismus müsse unter voller Beachtung der Menschenrechte erfolgen.

Geheimgefängnisse in Polen und Rumänien

Deutschland sei auch - mit Duldung oder durch Nachlässigkeit - als "Startpunkt" für Gefangenenflüge des US-Geheimdienstes im Anti-Terror-Kampf benutzt worden. Nach Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen kommt Marty zu dem Schluss, CIA-Bedienstete hätten sich unter anderem in Frankfurt am Main und Ramstein auf Einsätze vorbereitet. US-Gefangenenflüge seien oft im polnischen Szymany sowie in Timisoara und Bukarest in Rumänien gelandet. Weitere Ziele seien Kairo, Amman, Islamabad, Rabat, Kabul, Guantanamo Bay, Taschkent, Algier und Bagdad gewesen. Diese Orte seien entweder bekannt dafür, dass es Gefangenenlager in ihrer Nähe gebe, oder man könne durch die Flugrouten und -häufigkeit auf deren Existenz schließen. Für bestimmte CIA-Flüge nach Rumänien und Polen gebe es keine andere plausible Erklärung, als dass dort Gefangene abgesetzt worden seien.

"Es ist jetzt klar, dass die Behörden in mehreren europäischen Ländern aktiv mit der CIA bei diesen unrechtmäßigen Aktivitäten zusammengearbeitet haben", erklärte Marty zu seinem 67-seitigen Bericht. "Andere ignorierten sie wissentlich oder wollten es nicht wissen." In den Fällen Rumäniens und Polens hätten sich die Fakten "erhärtet", dass es dort geheime Gefangenenzentren gegeben habe. "Auch wenn Beweise im klassischen Sinn des Begriffs noch nicht verfügbar sind, gibt es eine Zahl von schlüssigen Elementen, die darauf hinweisen, dass solche Haftzentren in Europa tatsächlich existiert haben", heißt es in dem Bericht. Weitere Nachforschungen seien nötig. Er warf weiteren Ländern Beteiligung an den "zweifelhaften Aktivitäten" des amerikanischen Geheimdienstes vor. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte Marty beauftragt, die Vorwürfe zu untersuchen. Sein Bericht soll Ende Juni debattiert werden. (stu)