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Deutsche Reaktionen auf US-Kongresswahl 2010

3. November 2010

Wie vorhergesagt sind die Republikaner die überragenden Gewinner der US-Kongresswahl 2010. Das schwächt den demokratischen US-Präsident Obama innenpolitisch, wird aber auch für Europa Konsequenzen haben.

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Gestikulierender Obama vor US-Flagge (Foto: AP)
Obama ist nach der Wahl geschwächtBild: AP
Hans-Ulrich Klose (Foto: dapd)
Er koordiniert die transatlantischen Beziehungen: Hans-Ulrich Klose (SPD)Bild: dapd

"Es ist ein Votum vor allem gegen die in Regierungsverantwortung stehenden Demokraten und nicht unbedingt für die oppositionellen Republikaner. Obama ist als Messias gewählt worden und kaum im Amt hat die Welt festgestellt, dass er ein Mechaniker ist." So analysiert der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Hans-Ulrich Klose, Koordinator der transatlantischen Zusammenarbeit der Bundesregierung, die Wahlniederlage Obamas.

Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der Grünen, sucht weniger Gründe der Wahlniederlage bei Obama und zeigt sich enttäuscht über das große Wählerpotential der "Erzkonservativen", wie sie sagt. "Ich glaube, dass die Amerikaner dabei sind, den besten Präsidenten abzuschießen, den sie je hatten. Den besten US-Präsidenten, den auch Europa je hatte."

Eine Brise Bush - und viel Kontinuität

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (Foto: AP)
Glaubt an den starken und entscheidungsfreudigen US-Präsidenten: Außenminister WesterwelleBild: AP

Bei der Bundesregierung überwiegt demgegenüber demonstrative Gelassenheit. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) mag keine einschneidenden Veränderungen durch das Wahlergebnis erkennen. "Wir setzen darauf, dass die außenpolitische Kontinuität gewahrt bleibt", sagte er am Mittwoch.

Dem stimmt auch Transatlantik-Koordinator Klose zu, obwohl er überzeugt ist, dass der zuhause geschwächte Obama jetzt in der Außenpolitik sein Glück versuchen werde. Betätigungsfelder wie die Afghanistan-Politik, der Atomkonflikt mit dem Iran oder der Nahostkonflikt gebe es ja genug. "Da hilft es, dass Obama den sogenannten Reset-Button in den amerikanisch-russischen Beziehungen auf Neustart gedrückt hat, weil die Russen gebraucht werden", so Klose. Dass die außenpolitischen Schwerpunkte sich jetzt in Richtung der Republikaner verschieben könnten, glaubt Klose nicht. Wenn auch einige Züge des Vorgängers George W. Bush dauerhaft Politik blieben: "Obama wird immer ein bisschen Bush machen, weil für Amerika nach den traumatischen Ereignissen vom 11. September Sicherheit eine herausragende Rolle spielt."

Europa wird stärker in die Pflicht genommen

Ruprecht Polenz (Foto: dpa)
Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im BundestagBild: DPA

Der Christdemokrat Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, ist vom Gegenteil überzeugt. Ein Präsident, der im Inland mit einer Rekordarbeitslosigkeit kämpfe, werde sich vornehmlich darum kümmern. "Die US-Rolle in der Welt wird von den internationalen Partnern auch danach beurteilt, wie stark man zuhause ist". Schon deshalb werde der innenpolitisch geschwächte Obama jetzt wohl kein außenpolitisch starker US-Präsident sein können. "Und wenn die Amerikaner sich jedenfalls nicht verstärkt, sondern eher vielleicht etwas weniger damit beschäftigen können, dann bedeutet das, dass wir Europäer mehr tun müssen", ist Polenz sicher.

Vor allem bei der Lösung des Nahostkonflikts und der angestrebten Zwei-Staaten-Lösung schwant Kerstin Müller von den Grünen nichts Gutes: "Es wird Schwierigkeiten im Nahostprozess geben, weil etwa Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu darauf spekuliert hat, dass es eine solch große Niederlage gibt."

Die Niederlage der Demokraten und der Sieg der Republikaner dürfte auch in den internationalen Handelsbeziehungen Sand ins Getriebe streuen, sagt Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der Liberalen: "Ich erwarte, dass im amerikanischen Repräsentantenhaus die Tendenzen bezüglich höheren Protektionismus eher zunehmen werden."

Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der Grünen (Foto: Karlheinz Schindler)
Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der GrünenBild: picture alliance/dpa

Und Handelspolitik könnte nicht der einzige Politikbereich werden, wo Kooperation wieder eher durch Konfrontation ausgetauscht wird. Außenpolitikerin Müller denkt hier vor allem an den internationalen Klimaschutz: "Da kann man jetzt mit den Amerikanern nicht mehr rechnen." Schon deshalb seien die Kongresswahlen 2010 ein schwarzer Tag für den internationalen Klimaschutz.

Blockadespiele allein werden die Wähler nicht akzeptieren

Hans-Ulrich Klose betont aber, dass die jetzt gestärkte Mitverantwortung der Republikaner auch Vorteile mit sich bringe: "Wenn die Republikaner weiter verfahren wie bisher, zu allem und jedem Nein zu sagen, werden sie als Partei, die nicht liefert, wahrgenommen, und das ist in Amerika ein großes Problem."

Kompromissfindung zwischen Demokraten und Republikanern in allen Politikfeldern sei das Gebot der Stunde. Doch die sei in den vergangenen Jahren eher schwieriger geworden als einfacher, sagt Ruprecht Polenz: "Im Grunde hat man am Ende kaum noch miteinander geredet und jetzt soll man gemeinsam Kompromisse finden, das wird nicht einfach". Doch ganz gleich, wie die politischen Beobachter in Deutschland die Lage des amtierenden US-Präsidenten einschätzen, alle sind davon überzeugt, dass er noch längst nicht abgewählt ist.

Autor: Richard A. Fuchs

Redaktion: Kay-Alexander Scholz