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Europa und das Kosovo

Auron Dodi 10. Juni 2004

Fünf Jahre nach dem Ende des Kosovokriegs ist der Status der Region noch immer ungeklärt, die UN-Verwaltung bleibt bestehen. Die Europäische Union soll mehr Engagement zeigen: Aber was soll sie denn noch alles leisten?

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Viel Sicherheit bringt nicht unbedingt viel FortschrittBild: AP

Die gewalttätigen Ausschreitungen im März 2004 zeigen, dass das propagierte friedliche Zusammenleben zwischen den großen Bevölkerungsgruppen - Albanern und Serben - labil ist. Die internationale Schutztruppe KFOR hat das Blutvergießen nicht verhindern können. Und auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung geht es kaum voran - trotz der Tatsache, dass die EU größter Geldgeber im Kosovo ist.

Einiges erreicht

Das so genannte EU-Standbein der UNMIK, die Europäische Agentur für Wiederaufbau, und die Ratspräsidentschaften der EU, haben Aufbau eines wirtschaftlichen Rahmens für Kosovo vorangetrieben: Dem Aufbau der vom Krieg zerstörten Häusern folgte die Errichtung eines Bankensystems mit über 100 kommerziellen Zweigen landesweit sowie die Währungsumstellung auf Euro. Das Zollsystem wurde modernisiert und neue wirtschaftliche Gesetze eingeführt.

Der Privatisierungs-Prozess wurde in Gang gesetzt, um das erklärte Ziel der Errichtung einer Marktwirtschaft in Kosovo voranzutreiben. Über eine Milliarde US-Dollar finanzielle Hilfe hat die EU seit 1999 fließen lassen, zum Beispiel durch das CARDS-Programm und die Mittel des Stabilitätspaktes für Südosteuropa. Der Stabilisierungs- und Assozierungs-Prozess schaffte für Kosovo Anfang 2003 Handels-Erleichterungen mit den EU-Staaten. Zudem sind Europäer in drei der vier Besatzungs-Zonen federführend. Und die Investitionen dort haben zusätzlich zum Wiederaufbau der Region beigetragen. Diese wirtschaftliche Dynamik war aber kurzlebig.

Mehr Reisen für mehr Leistung?

Die politische Entwicklung hinkt der wirtschaftlichen hinterher. "Ich denke, es gab Fortschritte im Politischen: Wir hatten Lokalwahlen, wir haben eine Regierung und ein Parlament. In allen anderen Bereichen gibt es kaum Fortschritte", bilanziert die Leiterin der SOE-Delegation im Europäischen Parlament, Doris Pack. "Die Privatisierung wird behindert, unter anderem durch die ungeklärten Eigentumsverhältnisse. Und was das Zusammenleben der Ethnien betrifft, das ist total ungeklärt."

Der Stagnation der Wirtschafts-Entwicklung stellten die EU-Vertreter Reise-Dynamik entgegen. Der Chef der Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, und sein Kollege von der Europäischen Kommission, Chris Patten, machten in den letzten drei Jahren dutzende Besuche in Kosovo und Belgrad. Vertreter der UNMIK und der Kosovo-Albaner hielten regelmäßig zur Berichterstattung und Konsultationen in Brüssel auf.

Die EU-Außenminister hörten gerne in Brüssel die Erklärungen der wechselnden UNMIK-Chefs und bekundeten ihre Unterstützung für deren Arbeit. Schließlich scheint das politische Interesse der Europäer gerechtfertigt, hinsichtlich der massiven Präsenz der EU-Staaten im Nachkriegs-Kosovo: 80 Prozent der rund 36.000 dort stationierten KFOR-Soldaten kommen aus EU-Ländern, viele UNMIK-Polizisten ebenso, die EU muss für 65 Prozent der Hilfsgelder für Kosovo aufkommen und hat viele Zivil-Experten vor Ort.

Wer hat die Kontrolle?

Eine konkrete Strategie und einen Zeitplan für die Lösung der endgültigen Statusfrage haben die europäischen Institutionen jedoch bisher offenbar nicht. Vielmehr nähren sie bei den Kosovaren den Verdacht, ebenso wie die UNMIK nur auf Zeit zu spielen. So schloss sich der EU-Außenbeauftragte Javier Solana Mitte 2003 der Position des US-Diplomaten Marc Grossmann an, die Gespräche über die Statusfrage Mitte 2005 zu eröffnen, sollten dann einige rechtstaatliche Standards erfüllt sein. Und EU-Außenkommissar Chris Pattens sagte, man könne den Vorschlag der serbischen Regierung unter Vojislav Kostunica, der eine Kantonisierung des Kosovo vorsieht, eventuell als Diskussionsbasis nehmen.

Der Ausbruch der blutigen März-Unruhen mit über 19 Toten, über 4000 Vertriebenen und Zerstörungen richtete sich auch gegen die Politik der UNMIK. Für die EU in Brüssel kamen diese gewalttätigen Ausschreitungen unerwartet. Solana hatte kurz davor den Beginn des technischen Dialogs Belgrad-Prishtina als Zeichen gewertet, dass die ethnischen Konfrontation überwunden seien. Die EU verlangt, dass die kosovarische Regierung die politische Verantwortung dafür übernimmt, die Täter vor Gericht stellt und den Wiederaufbau der zerstörten Häusern finanziert.

Dass die Extremisten praktisch freien Raum fanden, war aber auch ein Zeichen dafür, dass der UNMIK die Lage in Kosovo nicht ausreichend unter Kontrolle hat. Ende März dieses Jahres haben die Staats-und Regierungschefs der EU beschlossen, einen ständigen Vertreter Javier Solanas nach Kosovo zu entsenden. Er soll helfen, künftige Gewaltausbrüche in Kosovo unter Kontrolle zu halten, und den EU-Institutionen Lösungen für die verfahrene Situation in Kosovo vorschlagen.