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Europa schaut auf Österreich

22. Mai 2016

Es dürfte ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden - und es wird eine Richtungsentscheidung: Wird ein scharfer Kritiker oder ein klarer Befürworter der EU neues Staatsoberhaupt der Alpenrepublik?

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Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen (Foto: AFP)
Norbert Hofer (l.) und Alexander Van der Bellen bei ihrem letzten TV-DuellBild: Getty Images/AFP/H. Neubauer

In Österreich läuft die auch international mit Spannung erwartete Stichwahl um das Präsidentenamt. Die rund 6,4 Millionen Wahlberechtigten können entscheiden, ob Norbert Hofer von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) oder der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ihr neuer Bundespräsident wird. Hofer hatte die erste Wahlrunde vor einem Monat überraschend mit 35 Prozent der Stimmen gewonnen, Van der Bellen kam auf rund 21 Prozent. Damit steht erstmals seit 1945 kein Kandidat der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP in der Stichwahl. Der sozialdemokratische Amtsinhaber Heinz Fischer konnte nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten.

Multikulti oder Grenzen dicht?

Der 45-jährige gelernte Flugzeugingenieur Hofer sieht den Schutz der österreichischen Grenzen vor illegaler Einwanderung derzeit als das wichtigste politische Projekt an. Er wendet sich gegen den Verlust österreichischer Werte durch "die neue Völkerwanderung" und ließ auf sein Wahlplaket den Slogan "Deine Heimat braucht Dich jetzt" drucken. Andererseits wirkte Hofer als Stellvertreter von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in den vergangenen Jahren darauf hin, dass die Freiheitliche Partei einen gemäßigteren Ton als früher anschlägt. Offen fremdenfeindliche und antisemitische Äußerungen sind seltener geworden, dafür gräbt die FPÖ mit Themen wie soziale Sicherung und Verbesserung der Kaufkraft auch den Sozialdemokraten das Wasser ab.

Der 72-jährige Wirtschaftsprofessor Van der Bellen warnt, der Rechtspopulist Hofer könne das Land nicht würdig repräsentieren, als Präsident würde dieser Österreichs Ansehen im Ausland schaden. Immer wieder verwies er in diesem Zusammenhang auch auf den EU-kritischen Kurs der FPÖ. Schon als Grünen-Chef (bis 2008) sprach sich Van der Bellen für eine offene, multikulturelle Gesellschaft aus. Viele bekannte Gesichter aus Theater, Fernsehen und Literatur unterstützen den links-liberalen Präsidentschaftskandidaten öffentlich. Wegen dessen europafreundlicher Haltung hofft unter anderem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf einen Sieg Van der Bellens.

Beide Kontrahenten hatten im Wahlkampf betont, ihr Amt aktiver als bisherige Präsidenten ausüben zu wollen. Hofer warb sogar mit der Ankündigung um Stimmen, die Regierung zu entlassen, wenn er mit deren Arbeit unzufrieden wäre. Das österreichische Staatsoberhaupt hat - zumindest auf dem Papier - mehr Macht als zum Beispiel der deutsche Bundespräsident, vorwiegend jedoch repräsentative Funktionen.

Rennen völlig offen

Die Wahllokale sind bis 17 Uhr MESZ geöffnet. Danach werden Hochrechnungen und erste Ergebnisse veröffentlicht. Das amtliche Endergebnis wird erst nach Auszählung der Briefwahlstimmen am Montagabend vorliegen. Aus Sicht des österreichischen Parteienforschers Peter Filzmaier ist der Wahlausgang noch keineswegs entschieden - trotz des klaren Vorsprungs von Hofer in der ersten Wahlrunde. Die Hoffnung Van der Bellens beruhe auf den über zwei Millionen Wählern, die im ersten Wahlgang zu Hause geblieben seien, sagte Filzmaier.

Deutschland würde laut Bundestagspräsident Norbert Lammert auch die Wahl des FPÖ-Politikers Hofer zum österreichischen Bundespräsidenten respektieren. "Wie auch immer es ausgeht, werden wir selbstverständlich mit dem gewählten Staatspräsidenten ein ordentliches, faires Verhältnis haben", sagte der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk. Er sei nach den jüngsten Entwicklungen in Österreich "heilfroh, dass wir in Deutschland den Bundespräsidenten in einer eigens zu diesem Zweck zusammengerufenen Bundesversammlung wählen und nicht in einer Direktwahl".

wa/sti (dpa, afp)