Europa fürchtet Armut
23. Juni 2010Die EU begeht im Jahr 2010 offiziell das "Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung." Gleichzeitig wächst bei den Bürgern die Sorge um immer leerer werdende Geldbeutel.
Angst wächst wegen der Wirtschaftskrise
Je nach Auslegung leben in der Europäischen Union zwischen 80 und 120 Millionen Menschen in Armut oder an der Grenze zur Armut. Insgesamt drei Viertel der Europäer haben das Gefühl, dass die Situation sich in ihrem Heimatland verschlimmert. Vor allem die Griechen (85 Prozent), Franzosen und Bulgaren glauben, dass im letzten Jahr die Armut zugenommen hat.
EU-Sozialkommissar Lazslo Andor bestätigte bei der Vorstellung einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage, dass die "Wahrnehmung der Menschen nah an der Realität" sei. Ein großer Teil der Europäer habe "Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen", so Andor. In Deutschland sagten 57 Prozent, dass sie zunehmend Armut in ihrem Umfeld erleben. In Schweden dagegen nehmen nur 22 Prozent der Befragten steigende Armut wahr.
Lebensmittel, Gesundheit, Rente
Teure Lebensmittel oder hohe Rechnungen - etwa ein Fünftel der EU-Bürger gab an, im vergangenen Jahr mindestens einmal nicht genug Geld für solche Ausgaben gehabt zu haben. Diese Statistik hat sich zum Vorjahr (21 Prozent) nicht wesentlich verändert.
Zum Thema Gesundheitsvorsorge sagten 30 Prozent der Befragten, es sei schwieriger geworden, die Leistungen für sich und ihre Familie zu bezahlen. Für sechs von hundert Deutschen ist die Gesundheit "kaum noch bezahlbar."
Auch um die Altersvorsorgung machen sich immer mehr Europäer Gedanken. In 17 von 27 EU-Staaten fragt sich über die Hälfte der Befragten, ob sie noch ein "menschenwürdiges Leben" im Alter führen kann. Fast drei Viertel rechnen mit einer geringen Rente und wollen selbst möglichst viel für den Ruhestand sparen.
Strategie "EU 2020" soll Armut bekämpfen
Mitte Juni hatten sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU auf gemeinsame Ziele bei der Armutsbekämpfung geeinigt. Mit der Strategie "EU 2020" wollen sie unter anderem in den nächsten zehn Jahren 20 Millionen Menschen aus der Armut holen. Wie genau die nationalen Regierungen das schaffen sollen, und wie in den einzelnen EU-Staaten die Armutsgrenze definiert wird, ist allerdings noch nicht im Detail bekannt. Zur Messung von Armut können verschiedene Indikatoren verwendet werden.
Laut EU-Kommissar Andor ist es nun besonders wichtig, "das Wirtschaftswachstum zu fördern". Die harten Sparprogramme einiger Länder hätten zu Einschnitten geführt. Auf dem Arbeitsmarkt erwartet er für das Jahr 2011 eine Erholung. Trotzdem hat etwa ein Fünftel der EU-Bürger Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Besonders pessimistisch zeigten sich die Menschen im Baltikum, in Rumänien, Bulgarien und Griechenland.
Autorin: Susanne Henn
Redaktion: Fabian Schmidt