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Eurogruppe gibt Athen neue Chance

Bernd Riegert15. August 2015

Die Euro-Finanzminister genehmigen 86 Milliarden Euro an neuen Hilfskrediten für das bankrotte Griechenland. Finanzminister Schäuble fordert Athen auf, die Chance zu nutzen. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Griechischer Finanzminister Euklid Tsakalotos (Foto: Reuters/François Lenoir)
Erleichtert: Griechenlands Finanzminister Euklid TsakalotosBild: Reuters/François Lenoir

Am Freitagmorgen hatte der linke griechische Premierminister Alexis Tsipras dem konservativen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble einmal mehr Erpressung vorgeworfen. In seiner Rede im Parlament zur Abstimmung über den Kreditvertrag mit den Europäern hatte Tsipras gesagt, er sei gezwungen worden, das Hilfspaket anzunehmen, sonst hätte Schäuble Griechenland aus der Euro-Währungsunion herausgedrängt. Am Abend ließ sich der attackierte Bundesfinanzminister kaum anmerken, was er von den Ansichten der griechischen Regierung hält. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagte Schäuble: "Na ja, gut, die Regierung in Griechenland muss ungefähr das Gegenteil von dem machen, was sie im Wahlkampf versprochen hat. Aber wenn es Griechenland hilft, dann ist es ja gut. Wenn er (Tsipras, Anm. d. Red.) das ein bisschen unfreundlich sagt, dann sagt er in der Sache ja, dass die klare Haltung der Bundesregierung, der Bundeskanzlerin, des Bundesfinanzministers dazu geführt hat, dass Griechenland jetzt auf einem Weg ist, von dem alle glauben, das ist eine neue Chance. Und das ist ja das Entscheidende." In der Euro-Gruppe seien sich die Minister einig gewesen, dass man diese Chance jetzt angehen werde. "Aber wir müssen vorsichtig bleiben", so Schäuble.

"Exzellente Kooperation"

Wolfgang Schäuble war offenbar mit den Klarstellungen zufrieden, die er vom griechischen Finanzminister Euklid Tsakalotos verlangt hatte. Tsakalotos sollte darlegen, wie die Minderheitsregierung in Athen die auf 29 Seiten versprochenen Reformen denn nun umsetzen will. Nächste Woche will Alexis Tsipras die Vertrauensfrage stellen. Einige Wochen später könnten dann Neuwahlen folgen. Ob sich dann eine stabile Koalitionsregierung bilden lässt, ist ungewiss. Trotzdem ist es Tsakalotos auch durch seinen ruhigen und diskreten Verhandlungsstil gelungen, wieder Vertrauen aufzubauen. Darin waren sich die Vertreter der verhandelnden Institutionen, also Europäische Zentralbank, Europäische Kommission und Internationaler Währungsfonds einig. Der Chef des Rettungfonds ESM, Klaus Regling, sagte sogar, die Zusammenarbeit mit den Griechen sei "exzellent" gewesen. Die griechische Seite sei im Gegensatz zu früheren Sitzungen gut vorbereitet gewesen. "Und das hilft manchmal ja auch", fügte der Chef der Eurogruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem hinzu. Jetzt komme es darauf an, "dass die griechische Regierung sich das Programm zu eigen macht, schnell handelt und umsetzt", gab der EU-Kommissar für den Euro, Valdis Dombrovskis, dem griechischen Finanzminister mit auf den Heimweg.

Finanzminister Schäuble zur Griechenland-Rettung: "Ich bin froh."

Fonds für Staatsvermögen soll früher arbeiten

Am Ende gaben die Finanzminister der Euro-Gruppe grünes Licht und billigten das Memorandum of Understanding mit Griechenland, also den 86 Milliarden Euro umfassenden Kreditvertrag für drei Jahre. Außerdem fand die Liste der "prior actions" Gnade in den Augen der Euro-Gruppe. In dieser Liste sind die zahlreichen Gesetzesvorhaben aufgelistet, die Griechenland jetzt innerhalb weniger Monate beschließen und umsetzen muss. Dazu gehören eine Rentenreform und die Streichung von Steuervorteilen für Landwirte genauso wie eine umfassende Reform der öffentlichen Verwaltung, in der eine Bezahlung nach Leistung eingeführt werden soll. Unstimmigkeiten, wie genau ein neuer Fonds zum Verkauf und zur Verwaltung von Staatsvermögen gemanagt und aufgebaut werden soll, konnten beigelegt werden. Der Privatisierungfonds soll nun bis zum Ende des Jahres die Arbeit aufnehmen. Auf diesem Fonds, der Erlöse von 50 Milliarden Euro einbringen soll, hatte vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel beim entscheidenden Krisengipfel am 12. und 13. Juli bestanden. Die Hälfte der Erlöse soll in den Schuldendienst fließen.

Schuldenschnitt oder Streckung?

Erst im Oktober wollen sich die europäischen Finanzminister und die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, darüber einigen, ob sich der IWF auch künftig finanziell am dritten Hilfspaket beteiligt. Lagarde, die telefonisch zur Sitzung in Brüssel zugeschaltet war, wollte keine Zusagen machen. Sie verlangte von den europäischen Geldgebern erneut signifikante Schuldenerleichterungen für Griechenland, das mit den neuen Krediten und der schwachen Wirtschaft im Jahr 2016 einen Schuldenstand von 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreichen wird. Die Rückführung dieser Schulden ist nach Einschätzung des IWF mit dem laufenden Programm nicht dauerhaft möglich. Auch die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank sehen ein großes Problem bei der Schuldentragfähigkeit. Allerdings sind die Rezepte unterschiedlich. Einen Schuldenschnitt lehnen die Europäer ab. Höchstens bei einer weiteren Verlängerung der Kreditlaufzeiten über die durchschnittlichen 32 Jahre hinaus könne es noch einen Spielraum geben, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble der Deutschen Welle. Alle Euro-Minister betonten noch einmal in ihrer gemeinsamen Stellungnahme, dass eine Beteiligung des IWF eine unabdingbare Voraussetzung für das Hilfsprogramm sei. "Wir brauchen den IWF als Wachhund", sagte der slowakische Finanzminister Peter Kazimir. Die Forderungen von Bundesfinanzminister Schäuble nach konkreten Zusagen des IWF im Vorfeld des Brüsseler Treffens tat Kazimir als "deutsche Haarspaltereien" ab.

IWF-Chefin Christine Lagarde (Foto: picture alliance/dpa/IMF/S. Jaffe)
IWF-Chefin Lagarde zögertBild: picture-alliance/dpa/IMF/S. Jaffe

25 Milliarden Euro für Bankenrettung

Auch mit der Lage der Banken haben sich die Finanzminister der Euro-Zone am Abend noch einmal intensiv befassen müssen. 25 der zugesagten 86 Milliarden Euro an Krediten sind für die Sanierung der maroden Banken vorgesehen. Bis zum Oktober soll ein Stresstest durchgeführt werden. Die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank hatten dazu ein Papier vorgelegt, in dem es heißt, die Banken seien durch die wochenlange Schließung und die immer noch gültigen Kapitalverkehrskontrollen heftig unter Druck geraten. Die griechischen Banken sind praktisch vom Kapitalmarkt abgeschnitten und hängen nach wie vor am Tropf der Europäischen Zentralbank, von der sie mit Notfall-Liquidität versorgt werden. In ihrer Analyse gehen die Geldgeber-Institutionen davon aus, dass die griechische Wirtschaft wegen der "politischen Unsicherheit" und der "Einnahmeeinbrüche bei den Steuern und Regierungsentscheidungen" in diesem und im nächsten Jahr weiter schrumpfen statt wachsen wird. Erst 2017 soll die Wirtschaft wieder wachsen. Ein Primärüberschuss im Staatshalt wird erst wieder im nächsten Jahr erwartet.

Frau betritt eine Bank in Athen (Foto: picture alliance/dpa/S. Baltagiannis)
Immer noch kurz vor dem Absturz: griechische BankenBild: picture-alliance/dpa/S. Baltagiannis

Parlamente müssen noch zustimmen

Dem dritten Hilfsprogramm für Griechenland müssen jetzt noch sieben nationale Parlamente zustimmen, darunter der Deutsche Bundestag am kommenden Mittwoch, wie unterdessen in Berlin bestätigt wurde. Das finnische Parlament hat den Deal bereits gebilligt. Läuft alles nach Zeitplan, kann schon am kommenden Donnerstag eine erste Rate von 26 Milliarden Euro ausgezahlt werden. "Die erscheint sehr hoch", sagte der Eurogruppen-Vorsitzenden Jeroen Dijsselbloem. "Aber zehn Milliarden davon gehen sofort in die Sanierung der Banken und 16 Milliarden sind für die Verbindlichkeiten vorgesehen, die die Regierung in Athen angehäuft hat." Dazu gehören fällige Schulden beim IWF und der bei der EZB und unbezahlte Rechnungen im Inland. Die Regierung Tsipras schuldet der privaten Wirtschaft mehrere Milliarden Euro, die in den letzten Monaten nicht beglichen wurden. Das wird jetzt mit europäischen Mitteln nachgeholt. "Damit kommt das Geld ja auch der privaten Wirtschaft und hoffentlich dem Wachstum zugute", sagte EU-Kommissar Dombrovskis und versuchte ein hoffnungsvolles Gesicht zu machen. Im Oktober soll überprüft werden, ob sich die griechische Regierung an die vereinbarten Auflagen hält. Danach könnte dann die zweite Auszahlung erfolgen.