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Euro-Rettungsschirm auf dem Prüfstand

5. Juli 2011

Verstößt die deutsche Beteiligung an Hilfspaketen für Griechenland und andere klamme Euro-Staaten gegen das Grundgesetz? Hierüber verhandelt an diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Geklagt haben Euro-Kritiker.

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Ein blauer EU-Schirm ist im Presseraum des Europarates in Brüssel aufgepannt (Foto: dpa)
Die Euro-Rettung könnte Deutschland bis zu 147 Milliarden Euro kostenBild: picture-alliance/dpa

Man nennt ihn auch den Euro-Rebellen. Denn der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty hatte schon in den 1990er Jahren gegen die Einführung des Euro geklagt - und verloren. Doch er sei kein Rebell, sondern ein Kämpfer für Recht und Ordnung, für die Einhaltung der EU-Verträge und der deutschen Verfassung. Und die besage, dass das Eigentum der Bürger erhalten bleiben soll, insbesondere das Geldvermögen.

Das aber sei durch den Euro-Rettungsschirm in Gefahr, begründet Starbatty seine aktuelle Verfassungsbeschwerde, über die das Bundesverfassungsgericht an diesem Dienstag (05.07.2011) mündlich verhandelt. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe eine außerordentlich gefährliche Politik betrieben, als sie Staatsanleihen verschuldeter Länder ankaufte, argumentiert Starbatty. Denn damit finanziere sie Staatsschulden, sie drucke Geld, um die Schulden eines Staates zu finanzieren. Das führe langfristig zu Inflation und damit zur Entwertung des Geldvermögens.

Verstoß gegen Grundgesetz und EU-Recht

Die Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Foto: dapd)
Vier der Kläger in Karlsruhe: Professoren Hankel, Nölling, Schachtschneider und Starbatty (v.l.n.r.)Bild: AP

Ein weiterer Verstoß gegen das Grundgesetz sei die Verletzung des Budgetrechts des Bundestags, monieren die Euro-Kritiker in ihrer Verfassungsbeschwerde. Eigentlich müsste das deutsche Parlament über jede Auszahlung im Rahmen des Euro-Rettungsschirms neu abstimmen. Gemeinsam mit Starbatty klagen unter anderen der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, Ex-Thyssen-Chef Dieter Spethmann und der CSU-Politiker Peter Gauweiler in Karlsruhe.

Ein weiteres Argument der Euro-Kritiker ist der Verstoß gegen die so genannte no-bail-out-Klausel. Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU steht, dass die Union nicht für Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedsstaaten haftet. Doch die Politiker, auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), verweisen darauf, dass Deutschland und die anderen EU-Staaten nicht zwangsweise für die Schulden hafteten, sondern aus freien Stücken einsprängen. Eine Begründung, die Starbatty nicht gelten lassen will: Wenn Herr Schäuble freiwillig sein eigenes Geld einsetzen wolle, so der Ökonom spitz, dürfe er das tun. Bevor er aber das Geld der Steuerzahler einsetze, müsse er sie fragen, ob er so freigiebig mit ihrem Geld umgehen dürfe. Denn als Finanzminister sei er zunächst den deutschen Steuerzahlern gegenüber verpflichtet.

Griechenland zurück zur Drachme?

DRachme und Euro vor griechischer Flagge (DW-Grafik)
Drachme statt Euro?Bild: DW/viperagp;StudioPortoSabbia-Fotolia.com

Joachim Starbatty geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Budgetrechts des Parlaments bemängeln wird. Aber er hofft darauf, dass das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungsschirm insgesamt als verfassungswidrig ansehen wird. Dann würde Griechenland aus der Währungsunion ausscheiden müssen, glaubt Starbatty. Und dann käme man an einer Umschuldung nicht vorbei. Griechenland weiter Geld zu geben, so dass es seine Gläubiger bedienen kann, bedeute, Griechenland immer stärker in die Schuldenfalle hineinzustoßen. Das sei nichts anderes als ein bail-out für die Banken, ohne dass das europäische Rettungssystem gerettet werde, da ist sich Joachim Starbatty sicher.

Den von Verfechtern des Rettungsschirms befürchteten Dominoeffekt, der auch andere Staaten aus der Euro-Gruppe werfen könnte, fürchtet Starbatty nicht. Er beziehe sich nur auf ohnehin wirtschaftlich schwache Länder. Ihr Ausschluss aus der Euro-Zone wäre zwar ein Ende mit Schrecken, alles andere wäre aber ein Schrecken ohne Ende. Nur eine Umschuldung, bei der Gläubiger nach ausgehandelter Schuldenquote auf Teile ihrer Forderungen verzichten müssten, könne Länder wie Griechenland wieder auf einen wirtschaftlich grünen Zweig setzen, glaubt der Ökonom.

Deutschland zurück zur D-Mark?

Der Vorstandsvorsitzende der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, Joachim Starbatty am Mittwoch (07.04.2010) im Goldberger Saal des Ludwig-Erhard-Hauses in Berlin an einer Podiumsdiskussion teil. Die Gesprächsrunde diskutierte zum Thema "Wie viele Griechenlands verkraftet der Euro?". Der Politik-Talk war vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller veranstaltet worden (Foto: dpa)
Joachim StarbattyBild: dpa

Doch Banken und EU-Politiker verweisen auf die Vorteile einer gemeinsamen Währung: Die Rückkehr zu den Ursprungswährungen würde der Exportnation Deutschland schaden, weil sich ihre Produkte verteuern würden. Doch Starbatty wiegelt ab: Die Deutschen würden von der Aufwertung eher profitieren, weil dann der Euro oder die D-Mark, je nachdem was komme, in der Welt ja viel mehr wert wären. Deutschland exportiere schließlich keine Bananen, wo schon ein Zehntel Prozentpunkt die Nachfrager dazu veranlasst, zu anderen Bananen überzugehen. Die Hochtechnologie-Produkte, die Deutschland verkaufe, könne man an sich nur in Deutschland kaufen.

Er gehe davon aus, dass das Gericht ein faires Urteil im Sinne der Bürger fällen werde, so Starbatty. Mit einer Entscheidung der Karlsruher Richter wird innerhalb von drei Monaten gerechnet.

Autorin: Daphne Grathwohl
Redaktion: Christian Walz / Nicole Scherschun