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Rechte von Asylbewerbern gestärkt

Christoph Hasselbach14. November 2013

Der Europäische Gerichtshof hat die Abschiebemöglichkeiten von einem EU-Land zum anderen begrenzt. Doch viele halten die gesamte europäische Asylpolitik für gescheitert.

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emporgereckte Hände mit Ausweisdokumenten Foto: picture-alliance/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Bisher ist in der EU allein das Land für einen Asylantrag zuständig, in dem ein Asylbewerber den Boden der Europäischen Union betritt. Geht er von dort in ein anderes EU-Land, kann ihn dieses in das Ankunftsland zurückschicken. Im Brüsseler Jargon wird dies Dublin-II-Regelung genannt, nach der Stadt, in der die Regierungen dies vor zehn Jahren vereinbart haben. Doch was ist, wenn in dem Ankunftsland die Asylbewerber schlecht oder sogar unmenschlich behandelt werden? Kann der Flüchtling auch dann überstellt werden? Darüber hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zu entscheiden.

Geklagt hatte ein iranischer Asylbewerber, der 2007 über Griechenland nach Deutschland gegangen war; dort lebte auch seine Familie. Die deutschen Behörden erklärten sich gemäß Dublin-II für nicht zuständig und schickten den Mann nach Griechenland zurück, wo er zeitweilig inhaftiert wurde und monatelang auf der Straße lebte. Der EuGH hat jetzt zwar das Dublin-System nicht grundsätzlich angetastet, aber relativiert: Wenn ein Asylbewerber in einem EU-Land unmenschlich oder erniedrigend behandelt wird, kann demnach der abschiebende Staat zur Prüfung des Asylantrags verpflichtet sein.

Keine Chance auf ein faires Verfahren

Bereits damals, als der Fall des Iraners erstmals die Gerichte beschäftigte und die Öffentlichkeit von ihm erfuhr, hat er aber schon die Wahrnehmung über die griechische und die europäische Asylpolitik verändert. Die Behandlung von Asylsuchenden in Griechenland wurde unter die Lupe genommen und gilt seitdem als untragbar. Deutschland verzichtet bereits seit längerem auf die Abschiebung dorthin.

Hungerstreik von Asylbewerbern Foto: DW/H. Kiesel
Flüchtlinge in Berlin wollen mit einem Hungerstreik ihre Aufnahme erzwingenBild: DW/H. Kiesel

Die deutsche Europaabgeordnete Rebecca Harms von den Grünen wollte sich selbst ein Bild von den Verhältnissen in Griechenland machen. Im Gespräch mit der Deutschen Welle klagt sie: "Mein Eindruck war, dass es in Griechenland zur Zeit für fast keinen Flüchtling, selbst mit den besten Begründungen, möglich ist, in ein ordentliches Asylverfahren zu kommen und dann am Ende auch anerkannt zu werden." Selbst Menschen, die anerkannte Folteropfer seien und das nachweisen könnten, hätten praktisch keine Chance. Ihnen werde der Zugang zu Rechtsanwälten und Behörden systematisch verwehrt. Die Flüchtlinge, meint Harms, würden als Konsequenz aus ihrer aussichtslosen Lage dann lieber in der Illegalität bleiben und seien dann völlig schutzlos.

Deutschland will keine Veränderung

Aber es geht bei dem Streit um mehr als um die Verbesserung der Behandlung von Flüchtlingen. Es geht auch um die europäische Asylpolitik insgesamt. Die Länder im Süden Europas klagen immer lauter, sie müssten als Hauptankunftsländer für Flüchtlingsströme über das Mittelmeer die ganze Last tragen. Die Länder im Norden und in der Mitte, darunter Deutschland, verteidigen Dublin-II dagegen. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich sagt auch, Deutschland nehme mehr Flüchtlinge auf als manches Mittelmeerland, absolut sowieso, aber teils auch relativ zur Bevölkerungszahl.

Rebecca Harms hält zwar die Beschwerde der Südeuropäer für berechtigt: "Die Länder des Nordens verstecken sich hinter der Dublin-II-Regelung und versuchen, eben nicht den fairen Anteil an Asylbewerbern zu übernehmen." Doch den Ländern in Südeuropa wirft sie vor, sie hätten "aufgehört, eine ordentliche Asyl- und Flüchtlingspolitik zu machen." Sie setzt sich für zweierlei ein: Es müsse überall in der EU ein einheitlicher, hoher Standard für die Behandlung gelten. Letztlich solle das Dublin-Verfahren aber aufgegeben und durch eine Aufteilung von Flüchtlingen nach Länderquoten ersetzt werden.

Anti-Flüchtlings-Parteien auf dem Vormarsch

Karl Kopp, Europareferent der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, der den iranischen Asylbewerber von Anfang an juristisch begleitet hat, fühlt sich von dem Urteilsspruch aus Luxemburg bestätigt. Im Gespräch mit der Deutschen Welle meint er, dass das Dublin-System sich überlebt hat: "Das schnelle Dublin-Verfahren, das Ex-und-Hopp, das blinde Vertrauen gegenüber anderen EU-Staaten, wie es Deutschland immer wollte und auch praktiziert hat, wird es nicht mehr geben." Denn selbst in den EU-Staaten "geschehen schwerste Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schutzsuchenden." Und Deutschland sowie andere Dublin-Befürworter würden das bestehende System nicht mehr lange aufrecht erhalten können: "Man wird nicht einfach in einer ruhigen Mittellage sein und die Verantwortung immer abgeben können an andere, sondern Deutschland wird mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen und wird immer häufiger nicht abschieben können", eben weil Gerichte dies untersagten.

Rechtsextreme Politiker Le Pen und Wilders Foto: picture-alliance/dpa
Rechtsextreme Politiker Le Pen aus Frankreich und Wilders aus den Niederlanden wollen Einwanderung begrenzenBild: picture-alliance/dpa

Doch auch wenn Gerichte eine humanere Behandlung von Asylbewerbern erzwingen sollten - das innenpolitische Problem in den Mitgliedsstaaten ist damit nicht gelöst. Überall in Europa legen rechtsextreme Parteien zu, sei es die Nationale Front in Frankreich, die Partei der Freiheit in den Niederlanden oder die Goldene Morgenröte in Griechenland. Diese Parteien unterscheiden sich teilweise stark voneinander. Aber sie alle haben zumindest ein gemeinsames Ziel: mehr Einwanderung zu verhindern.