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EU plant Steuer für Internetfirmen

16. September 2017

Die Finanzminister der EU wollen im Dezember über ein neues vorläufiges Steuermodell für Internetunternehmen entscheiden. Noch gibt es viele Gedankenspiele und wenig Einzelheiten. Aus Tallinn berichtet Bernd Riegert.

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Firmensitze hat Google viele. Wo aber werden die Steuern fällig?Bild: picture-alliance/ROPI/Eidon/Scavuzzo

Wo soll man ein Unternehmen besteuern, das weltweit im Internet tätig ist? Soll man den Umsatz oder doch wie bisher den Gewinn besteuern? Und wie wird der gemessen? Diese Fragen haben die 28 Finanzminister der Europäischen Union bei ihrem Treffen im estnischen Tallinn hin- und hergewälzt. Es geht darum, wie künftig große und kleine Firmen, deren Geschäftsmodell auf dem Datennetz fußt, besteuert werden sollen. Bislang konnten Internetkonzerne wie Google, Facebook, Amazon, Ebay und viele andere mehr ihre Steuerschulden in Europa durch geschicktes Ausnutzen der Steuermodelle in den unterschiedlichen Mitgliedsstaaten über Tochterfirmen oftmals auf Null reduzieren. Das empfinden viele Bürger, aber auch Mitbewerber, die in der realen Welt Produkte herstellen, als zutiefst ungerecht.

Steuern unabhängig vom Firmensitz?

Vier EU-Staaten, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien haben deshalb zusammen mit der estnischen EU-Ratspräsidentschaft eine Initiative gestartet, um die Besteuerung von Internet-Firmen neu zu ordnen. "Für uns ist es wichtig, ein internationales Steuermodell zu finden, dass die Geschäftsmodelle moderner digitaler Unternehmen in Betracht zieht", erklärte der estnische Finanzminister Toomas Töniste. Estland, das als Vorreiter der digitalen Wirtschaft in der EU gilt, hat ein besonderes Interesse an neuen Steuergesetzen, denn dem Staat könnten heute Steuereinnahmen in großer Höhe entgehen, mutmaßt Töniste. Und das gehe nicht nur Estland so. "Es soll garantiert werden, dass Unternehmen besteuert werden können, egal wo sie ihren Sitz haben und wo sie ihre Geschäfte betreiben."

Estland EU-Finanzminister Tagung in Tallinn- Wolfgang Schäuble
Bundesfinanzminister Schäuble: Fair besteuern wie reale WirtschaftBild: DW/B. Riegert

"Fair besteuern wie die reale Wirtschaft"

Da sich manche Firmen und virtuell in einer Datenwolke tummeln und dort Dienste oder Finanzprodukte vermitteln, erfordert das auf Seiten der klassischen Steuerbehörden ein völliges Umdenken, meint auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Die klassische "Betriebsstätte" einer Firma gebe es nicht mehr. Der Umsatz sollte besteuert werden, nicht mehr der Gewinn. Der kann durch Steuervermeidung und Verschieben in steuerlich günstige Länder wie Luxemburg, Malta, die Niederlande und andere oftmals minimiert werden. Es könne ja nicht so bleiben, dass große internationale Konzerne heutzutage keine oder sehr wenige Steuern zahlten, mahnte nicht nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Wir wollen das erfolgreiche Unternehmen der digitalen Ökonomie ähnlich wie die reale Wirtschaft ihren fairen Anteil zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte leistet." Wie hoch Steuersätze und die Steuereinnahmen ausfallen sollten, wollte Finanzminister Schäuble nicht sagen. Man habe aber ein Gefühl, wie die Umsätze bei diesen Unternehmen aussehen und was fair sein könnte. "Aber Zahlen nenne ich trotzdem keine."

"Nur globale Lösung"

Zahlen soll es erst im Dezember geben. Dann soll die EU-Kommission ein praktikables Modell vorlegen. Auf dieser Basis könnte die EU zumindest eine Zwischenlösung beschließen. Bis zu einem endgültigen Steuersystem für die digitale Wirtschaft dürfte es noch dauern. Denn dazu wäre auch die Einigung mit den USA und China nötig. "Was immer wir auch machen, das muss die ganze Welt umsetzen", meinte der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramega in Tallinn. Globale Unternehmen müssten auch global besteuert werden, damit sie nicht einfach aus der EU in Steueroasen im Rest der Welt ausweichen. "Die Sache ist noch nicht klar", schränkte Gramega den Enthusiasmus der vier großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein. Luxemburg bietet genau wie Irland, die Niederlande, Belgien, Malta, Österreich den Unternehmen teilweise großzügige steuerliche Schlupflöcher, um sie in ihre jeweiligen Staaten zu locken.

Diese Praxis der Konkurrenz mit niedrigen Steuersätzen untereinander könnte langsam auslaufen, befürchtet der Finanzminister von Malta, Edward Scicluna. Auch er bremst: "Es ist sehr schwierig solche Unternehmen im digitalen Raum zu besteuern. Ich hoffe, das wird keine zweite, bislang gescheiterte Finanztransaktionssteuer. Wir schauen uns das an, wenn überhaupt wird das nur weltweit funktionieren." Es gibt seit Jahren Bemühungen der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, Steuerschlupflöcher zu schließen. Diese "BEPS" genannte Initiative soll - irgendwann - zu einer gerechteren Besteuerung von internationalen und lokal tätigen Unternehmen führen sowie Steueroasen austrocknen.

Symbolbild Steueroasen British Virgin Islands
Weltweit werden Gewinne verschoben: Tricksen, vermeiden, verstecken in Tochterfirmen und OasenBild: Fotolia/Trueffelpix

Viele offene Fragen

Die Besteuerung der Umsätze statt der Gewinne hält der luxemburgische Finanzminister Gramega für problematisch. Das wäre ein totaler Systemwechsel. Eine Firma, die hohe Umsätze habe, müsse nicht unbedingt viel Geld verdienen, könnte sogar Verluste machen. Was sollte man da also besteuern? "Wir besteuern seit 100 Jahren den Gewinn eines Unternehmens. Wenn man davon abspringen will, dann muss man sich das gut überlegen. Und man muss es zusammen tun", sagte Gramega.

Der Chef der Brüsseler Denkfabrik "Bruegel", Guntram Wolff, wies in Tallinn noch auf ein weiteres Problem hin: "Was ist eigentlich ein Internet-Unternehmen?" Sind das Firmen, die über ein Webseite Produkte verkaufen? Dann wäre fast jedes Unternehmen vom Autokonzern bis zum Supermarkt betroffen. Oder sind das nur Unternehmen, die Dienstleistungen oder Daten vermitteln? Also eine Hotelvermittlung oder ein Lieferservice. Und was ist überhaupt Umsatz? Ist das nur der Geldfluss oder können das auch Daten sein, die als Gegenleistung ausgetauscht werden? Viele Fragen, die die EU bis zum Dezember beantworten will. Trotz der vielen Probleme mahnte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble endlich anzufangen, etwas zu tun. "Eine zweitbeste Lösung ist besser als gar keine."

Bei den Steuermodellen geht es durchaus um Milliardenbeträge im hohen zweistelligen Bereich mutmaßen EU-Beamte. Als Beispiel dient eine Steuernachforderung in Höhe von 13 Milliarden Euro an den Techologiekonzern Apple, die die EU-Kommission erhoben hat. Irland, das die Schuld von Apple eintreiben müsste, weigert sich allerdings mit Hinweis auf seine Steuergesetze.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union