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EU-Fischereipolitik im Zeichen des Wandels

Iryna Shpakouskaya16. Mai 2013

Immer mehr Schiffe aus Europa gehen in nicht-europäischen Gewässern auf Fischfang. Die Fischbestände vor den Küsten Afrikas, Asiens und Südamerikas geraten zunehmend in Bedrängnis. Die EU will nun dagegenwirken.

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Französische Fischer fischen Jackobsmuscheln. (Foto: AFP)
Bild: Damien Meyer/AFP/Getty Images

Alle zehn Jahre überarbeitet die EU ihre Fischereipolitik - nun ist die nächste Reform an der Reihe. Und dieses Mal darf auch das EU-Parlament mitbestimmen - dank des Reformvertrags von Lissabon. Es ist ein zähes Ringen um jedes Wort, nicht immer waren sich das Parlament und die EU-Fischereiminister einig, doch nun zeichnet sich eine Trendwende in der EU-Fischereipolitik ab. Die zuständige deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner sprach diesen Dienstag (14.05.2013) gar von einer "historischen Chance".

Konkret wollen die EU-Minister - nicht zuletzt auf Druck des EU-Parlaments - die Fischbestände vor Überfischung schützen, und zwar stärker als bisher geplant. In einem Verhandlungsmarathon, der bis in den Mittwoch Morgen dauerte, einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten darauf, den sogenannten Beifang auf fünf Prozent der gefangenen Fische zu beschränken. Mit Beifang werden die Fische bezeichnet, die wieder ins Meer zurückgeworfen werden und dort meist sterben. In einem ersten Reformentwurf wollten die EU-Staaten noch bis zu sieben Prozent zulassen. Außerdem soll die Fangquote neu geregelt werden: Um den Bestand zu schonen, darf also nur so viel gefangen werden, wie dieser verträgt.

Niegerische Fischer fischen auf kleinen Booten vor der Stadt Lagos. (Foto: AP)
Nicht nur in den Gewässern der EU soll das Fischen nachhaltiger werdenBild: AP

Und noch etwas soll sich mit der Reform ändern: Wenn es nach dem Willen des Europaparlaments geht, muss sich die EU auch in den Gewässern der Drittländer für eine nachhaltige und umweltverträgliche Fischerei einsetzen. Die neuen EU-Regeln sollen deshalb auch für den Fischfang in nicht-europäischen Gewässern gelten.

Verschiffung nach Übersee

Jeder zweite Fisch, der in Europa verzehrt wird, stammt aus nicht-europäischen Gewässern. Um die steigende Nachfrage an Fisch und Meeresfrüchten zu stillen, gehen immer mehr Fangflotten in Meeren auf Fischfang, die nicht zum Hoheitsgebiet der EU-Staaten gehören. Der Grund dafür: Die heimischen Bestände sind dramatisch gesunken. Nach Angaben der Umweltstiftung WWF sind 80 Prozent der Fischbestände im Mittelmeer überfischt, im Nordostatlatlantik sind es zurzeit 47 Prozent.

"Hauptfanggebiete für wertvolle Speisefische sind Westafrika und Zentralafrika", sagt Francisco Mari, Projektreferent für Agrarhandel und Fischerei beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). "Billigere Fischarten, die zu Fischmehl verarbeitet werden, lässt die EU im Pazifik fangen, vor allem vor den Küsten Chiles und Perus. Und für Thunfisch sind die Schiffe eigentlich fast in allen Weltmeeren unterwegs", sagt der Experte.

Nach den neuen Bestimmungen sollen Fangschiffe, die weltweit unter der Flagge eines EU-Staates fahren, die Fischbestände der Länder schonen: "Wir wollen, dass EU-geflaggte Schiffe nur die Überschüsse in den Drittländern fischen. Das heißt, sie dürfen nur das fischen, was das Land selbst nicht fangen kann, weil es zum Beispiel nicht genug Boote hat", sagt Ulrike Rodust, sozialdemokratische EU-Abgeordnete und Berichterstatterin des EU-Parlaments für die Fischereireform.

Ulrike Rodust, Mitglied des Europäischen Parlaments. (Foto: Europäisches Parlament)
Ulrike Rodust: "EU-Schiffe sollen nur Überschüsse der Drittländer fischen"Bild: Europäisches Parlament

Kein faires Kräftemessen

An der Küste Westafrikas zum Beispiel leben über eine Million Menschen vom Fischfang. Doch immer häufiger machen die großen Fangschiffe den kleinen Fischern Konkurrenz - und bedrohen ihre Existenz. "Gerade in Afrika kann man mit bloßem Auge sehen, wie sich die großen Trawler ungehemmt in den Fanggebieten der kleinen Fischer bedienen", sagt Francisco Mari. "Jeder sieht das, aber keiner macht was. Es ist sehr wichtig, dass die EU endlich ein Zeichen setzt".

Genau das hat das EU-Parlament auch vor. Die Abgeordneten stimmten im Februar für eine Überarbeitung der Fischereiabkommen mit Entwicklungsländern. Unter anderem sollen die Rechte und Bedürfnisse der lokalen Fischer künftig stärker berücksichtigt werden. Zu diesen Reformbestrebungen des Europaparlaments haben sich die EU-Mitgliedsstaaten jedoch noch nicht geäußert.

Francisco Mari, Projektreferent Agrarhandel + Fischerei, EED, Foto: privat
Francisco Mari fordert, dass die EU ein Zeichen setztBild: privat

Wer profitiert von den Fischereiabkommen mit Drittländern?

Mit insgesamt elf Drittländern hat die EU bereits Abkommen im Rahmen ihrer Gemeinsamen Fischereipolitik abgeschlossen. Doch einige Abkommen stellen Umweltschützer und selbst das Europäische Parlament in Frage. 2011 haben die EU-Abgeordneten etwa eine Verlängerung des Fischereiabkommens mit Marokko verhindert. Die Gründe dafür: Der Vertrag sei zu teuer, außerdem führe der Fischfang zu einer Überfischung und berücksichtige nicht die Rechte der Bewohner der von Marokko annektierten Westsahara, wo die europäischen Schiffe tätig waren.

Diese Kritik versteht Lothar Fischer vom Deutschen Fischerei-Verband nicht. "Die Abkommen mit den Entwicklungsländern sehen wir eigentlich positiv. Wir finden es schwierig, wenn einige Abkommen nicht erneuert werden. Zurzeit haben wir auch leider kein Abkommen mehr mit Marokko und Mauretanien. Das trifft unsere Hochseefischerei schon", sagt Fischer. Er sieht für Deutschland dadurch einen klaren Wettbewerbsnachteil: "Wenn die EU sich aus diesen Regionen zurückzieht, könnten dann andere Staaten, wie zum Beispiel China oder Russland, einsteigen. Ob sie dort regelkonform fischen, wie die EU das möchte, das weiß ich nicht", sagt Fischer.

Die Reform der EU-Fischereipolitik ist längst noch nicht unter Dach und Fach. Nachdem sich die EU-Mitgliedsstaaten diese Woche auf neue Regeln für den Fischfang geeinigt haben, muss noch das Europäische Parlament zustimmen.