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EU verhängt Rekordstrafe gegen Chemieriesen

Gerda Meuer / Brüssel22. November 2001

Wegen illegaler Preisabsprachen für Vitamine verhängen die Wettbewerbshüter der EU Strafen von über 800 Millionen Euro gegen acht Chemieunternehmen

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Das sind keine schönen Stunden in den Chefetagen des Ludwigshafener Chemieriesen BASF. Zwar hatte man sich dort bereits auf ein hohes Bußgeld eingestellt, doch die jetzt von der Brüsseler EU-Kommission verhängte Strafe übertrifft selbst pessimistische Erwartungen. Fast 300 Millionen Euro, also umgerechnet nahezu 600 Millionen Mark soll der Konzern nach Brüssel überweisen. Denn die Beamten von Wettbewerbskommissar Monti sind davon überzeugt, dass sich die BASF in den 90er Jahren an dem sogenannten Vitaminkartell beteiligt hat. Neben der BASF ermittelten die Kartellwächter gegen weitere 12 Hersteller von Vitaminen wegen illegaler Preisabsprachen. Gegen acht wurde ein Bußgeld verhängt, so dass insgesamt eine Rekordstrafe fällig wird: 855 Millionen Euro. Wettbewerbskommissar Monti sagte, dies sei die höchste Strafe, die in der Europäischen Union für die Bildung von Kartellen jemals verhängt wurde. Er begründete die Summe mit der Vielzahl der Fälle, der Anzahl der verwickelten Hersteller und der Dauer der illegalen Absprachen.

Höchstes Bußgeld gegen Hoffman LaRoche

Die höchste Strafe muss allerdings nicht die BASF zahlen, sondern der Schweizer Konzern Hoffmann LaRoche, der in der Wettbewerbskommission als treibende Kraft der illegalen Absprachen gilt und zudem mit einem 50-prozentigen Anteil weltführend auf dem Vitaminmarkt ist. Fast eine halbe Milliarde Euro verlangt Brüssel von den Schweizern als Buße. Für Monti sind die Rekordstrafen gerechtfertogt: "Das ist in der Tat der schwerste Fall von Wettbewerbsverstoß, den die Kommission jemals untersucht hat. Das betrügerische Verhalten der Firmen hat sie in die Lage versetzt, höhere Preise zu nehmen, als dies die Kräfte des Wettbewerbs zugelassen hätten. Dadurch wurden die Verbraucher geschädigt, und die Konzerne konnten beträchtliche unrechtmäßige Profite einstecken."

Vitamine werden einer Vielzahl von Produkten beigefügt, von Müsli, Gebäck und Getränken bis zu Tierfutter, Medikamenten und Kosmetika.

Kartellabsprachen auf höchster Führungsebene

Die Beamten listen sogar detalliert auf, wie die Absprachen - vor allem in den 90er Jahren - getroffen wurden. Die Mitglieder des Kartells haben demnach für die jeweiligen Vitaminprodukte Preise festgelegt und Absatzquoten zugewiesen. Eventuelle Preissteigerungen wurden jeweils abgesprochen und umgesetzt. Sogar ein Mechanismus zur Überwachung und Sicherung der Vereinbarungen wurde festgelegt. Und, so fand das Wettbewerbskommissariat bei den Recherchen heraus, die geheimen Absprachen auf den Vitaminmärkten waren niemals spontan oder zufällig, sondern wurden von denselben Personen auf den höchsten Führungsebene getroffen.

Aventis arbeitete mit EU-Behörden zusammen und bleibt daher straffrei

Auch der Chemiekonzern Aventis, vor der Fusion mit einem französischen Konzern unter dem Namen Höchst bekannt, war ein Teil des Vitaminkartells. Allerdings ging Aventis straffrei aus, weil das Unternehmen, so Kommissar Monti, bereits im frühen Stadium der Ermittlungen mit Brüssel kooperierte und Einzelheiten der Kartellbildung ausplauderte. Deshalb sei Aventis das erste Unternehmen, dem die EU-Kommission volle Immunität erteile, sagte Monti. Andernfalls wäre die Strafe empfindlich gewesen: "Die Kooperation war ganz einfach, aber sie war sehr wichtig, weil Aventis als erste geredet haben. Hätte sich die Firma nicht so kooperativ gezeigt, wären fast 100 Millionen Euro fällig gewesen."

Bei einem Kartellverfahren in den USA zu den Vitaminkartellen vor zwei Jahren war Aventis schon einmal wegen seiner Kooperation von der Strafe verschont worden. Anders aber Hoffmann LaRoche, BASF und der japanische Konzern Takeda, die damals schon mit Millionenbeträgen zur Kasse gebeten wurden. Auf dem Brüsseler Konto muss das Bussgeld innerhalb der nächsten drei Monate eingegangen sein. Es sei denn, die Chemieriesen klagen gegen die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof.