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Eine schwierige Partnerschaft

Ralf Bosen16. November 2012

China wandelt sich rasant. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg verbindet sich wachsende politische Macht. Die EU will den Dialog mit der Weltmacht verstärken. Aber es gibt Hindernisse.

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A Chinese paramilitary police officer reacts to having his photograph taken in front of the image of the European Union (EU) flag at the EU embassy in Beijing, China, 02 November 2007. EU officials are proposing increased anti-dumping measures following continued accusations that China is engaging in unfair trade practices, causing friction in bilateral relations. EU steel producers and textile manufacturers claim China hoards an enormous trade surplus while maintaining strict trade barriers. The EU is China's largest trading partner, ahead of the US and Japan, as Chinese exports to the EU increased nearly 21 percent year-on-year in 2006, according to the European Commission. EPA/MICHAEL REYNOLDS +++(c) dpa - Bildfunk+++
Mögliche Handelsbeschränkungen der EU für Importe aus ChinaBild: picture-alliance / dpa

Wann immer sich Spitzenpolitiker der Europäischen Union und Chinas in der Öffentlichkeit treffen, strahlen sie in die Kameras. Doch ihre Konflikte können sie nicht weglächeln. Beide Seiten trennen Welten hinsichtlich ihres Demokratieverständnisses und ihres Umgangs mit den Menschenrechten. Immerhin sind mit der neuen Führung in China unter dem zukünftigen Präsidenten Xi Jingping in Europa zarte Hoffnungen einer weiteren Annäherung verknüpft. Der China-Experte der Frankfurt School of Finance, Horst Löchel, glaubt, dass Xi Jingping grundsätzlich für einen etwas gemäßigteren Kurs steht als der bisherige Präsident Hu Jintao: "Das muss nicht heißen, dass China jetzt gewissermaßen in die Marktwirtschaft durchmarschiert. Aber ich meine doch, dass zumindestens die Politik der Liberalisierung und Öffnung beschleunigt fortgesetzt wird."

Fakt ist, dass Europa und China aufeinander angewiesen sind, weil sie von ihren engen Handelsbeziehungen profitieren. Europa ist wichtigster Handelspartner Chinas, während chinesische Investitionen unter anderem helfen, die Folgen der Eurokrise einzudämmen. Der Leiter der EU-Delegation in China, Markus Ederer, sieht die EU auf Augenhöhe mit China: "Wir sind der größte Markt für chinesische Waren. Die EU-Firmen sind die größten Lieferanten von Hochtechnologie in China und China hat ein massives Interesse am Erhalt des Euro."

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao, EU-Ratschef Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Barroso schütteln sich im September auf dem EU-China-Gipfel in Brüssel die Hände (Foto: AP)
EU-China-Gipfel im September: Strahlen für die KamerasBild: dapd

Chinas Einfluss in Europa wächst

Das Interesse Chinas am Euro liege darin begründet, erläutert Ederer im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass es seine Währung Yuan als künftige Weltreservewährung aufbauen möchte. Dies sei für China viel leichter möglich, wenn es nicht nur eine große Währung gebe, nämlich den Dollar. Es ist also vor allem der Handel, der China an Europa kettet und umgekehrt. Die bilateralen Beziehungen gleichen im Moment einer aus Kalkül vermittelten Vernunftehe, bei der im Hintergrund bereits der Scheidungsanwalt lauert.

Denn auf westlicher Seite wächst das Misstrauen, seitdem China systematisch auf Einkaufstour in europäische Länder geht. Es gibt Befürchtungen, dass China vor allem von der Finanzkrise geschwächte Länder von sich abhängig machen könnte. So sind Teile des Hafens der griechischen Stadt Piräus mittlerweile in der Hand chinesischer Unternehmer. Der Hafen ist eine der verkehrsreichsten Seedrehscheiben der Welt und für die chinesische Wirtschaftsexpansion enorm wichtig. Experten gehen davon aus, dass die Führung in China fertige Pläne für ihre zukünftige Europa-Politik in der Schublade liegen hat. Der CDU-Europa-Abgeordnete und Außenpolitiker Elmar Brok sprach gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" davon, dass China ein "gesamtstrategisches Konzept für Europa hat, nach dem sich auch seine Unternehmen richten müssen."

Eine Porträtaufnahme von Markus Ederer (Foto: EU Delegation in China)
EU-Botschafter Markus EdererBild: EU Delegation in China

Der EU fehlt eine Strategie

Eigentlich müsste die EU ihrerseits mit einem strategischen Konzept für China kontern. Es gebe zwar eine Strategie für den Umgang mit der asiatischen Großmacht, sagt Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin im DW-Interview. Allerdings sei sie der erheblichen Entwicklung Chinas in den letzten Jahren nicht angepasst worden. Sodass man allenfalls noch davon reden könne, dass es eine sehr veraltete Chinastrategie gebe." Kritische Beobachter würden sogar sagen, wir haben eigentlich in der Europäischen Union gar keine Chinastrategie", sagt Kempin. "Keine Strategie, die uns in die Lage versetzt, mit dem heutigen China als boomende Wirtschaftsmacht, als zunehmend auch geopolitisch, geostrategisch bedeutende Macht umzugehen."

Ein Versäumnis für das die EU nur teilweise verantwortlich ist. Einerseits versucht sie zwar stellvertretend für ihre 27 Mitgliedsstaaten Außenpolitik zu betreiben. Andererseits besteht aber jedes EU-Land aus Eigeninteresse auf selbstständigen Umgang mit China. Das gilt besonders, wenn es um profitable Wirtschaftsabkommen geht, so EU-Außenpolitik-Expertin Kempin. "Hier erlauben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht, für sie die Stimme zu erheben und quasi in ihrem Namen Politik zu betreiben. Das behalten sich die Mitgliedsstaaten sehr gern selbst vor und damit schwächen sie natürlich die Europäische Union als gemeinsamen Akteur, der gegenüber China politisch handfest auftreten könnte."

Eine Portätaufnahme von Ronja Kempin (Foto: Stiftung Wissenschaft und Politik)
Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: SWP

Hoffnung auf neue Führung

Der EU-Botschafter in China, Markus Ederer, sieht dies nicht als Schwächung. Natürlich sei es wirtschaftlich die Regel, dass die Länder Europas ihre eigenen Außenwirtschaftsbeziehungen pflegen. Die EU habe auch keine Firmen. Von daher sei es völlig normal, dass nationale Regierungen versuchten, das Beste für ihre Wirtschaft zu tun. "Aber was die Handelsbeziehungen und die Bedingungen für die Handelsbeziehungen betrifft, ist die EU allein zuständig. Die EU verhandelt Handelsabkommen, demnächst auch ein Investitionsabkommen mit China."

Damit spricht Ederer ein zentrales Problem an. Während europäische Märkte für ausländische Investoren weitgehend offen sind, schotten sich die Chinesen ab oder zwingen Unternehmer aus dem Westen in ihrem Land zu produzieren, was unter anderem zu Arbeitsplatzverlusten in Europa und zu Patentschutzverletzungen europäischer Produkte führt. Ederer hofft nun, dass die neue Führung in Peking in dieser Frage einlenkt und dass "China seinem ökonomischen Gewicht entsprechend auch politisch globale Verantwortung übernimmt." Erst dann werden wohl die Spitzen der EU und Chinas bei ihren nächsten Gipfeltreffen ein Lächeln zeigen, dass tatsächlich von Herzen kommt.

Kräne be- und entladen Lastwagen im Containerhafen (Foto: dpa)
Container im Hafen von Tianjin: China setzt auf ExportBild: picture-alliance/dpa