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EU trainiert Atomfahnder

Ralf Bosen10. Mai 2013

Die EU verstärkt ihren Kampf gegen den Atomschmuggel. In der Nähe von Karlsruhe werden Ermittler in einem neuem Ausbildungszentrum geschult, den illegalen Handel mit radioaktiven Stoffen zu stoppen.

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Fahnder während der EUSECTRA-Schulung in Schutzkleidung. Foto: EUSECTRA.
Europäischen Ausbildungszentrum für Gefahrenabwehr im Nuklearbereich EUSECTRABild: European Commission 2013

Die Sirene schrillt grell und durchdringend. Bei dem LKW, der gerade die Stahlsäulen mit den eingebauten Strahlendetektoren passiert hat, ist eine erhöhte Gammastrahlung gemessen worden. Im Kontrollterminal warnt eine Computerstimme "Gamma Alarm, Gamma Alarm".

Die Schulungsteilnehmer, die in dem Beobachtungs-Container des EU-Trainingszentrums für nukleare Sicherheit Eusectra sitzen, greifen zu ihren mobilen Messgeräten, eilen nach draußen und stoppen den LKW. Jetzt müssen sie die wichtigsten Fragen klären: Woher genau kommt die Strahlung, wie hoch ist sie? Könnte es ein Fehlalarm sein oder versucht jemand waffenfähiges Plutonium zu schmuggeln?

"Wenn an einer Grenze ein Alarm ausgelöst wird wegen erhöhter Strahlung an einem LKW, wird dieser normalerweise zur Seite genommen und der Alarm wird zunächst mal überprüft", sagt Klaus Mayer, der Projektleiter von Eusectra, der die Übung an der Trainings-Grenzkontrolle kontrolliert. In diesem Fall würde man dann das Gepäckstück und die Person voneinander trennen mit und die Stralenquelle suchen, erklärt Mayer.

EUSECTRA-SCHULUNG, Szenario der Grenz-Kontrolle. Lastwagen zwischen Säulen. (Foto: European Commission)
Die Test-Anlage für Grenz-KontrollenBild: European Commission 2013

Mit einem Handgerät wird dann geprüft, ob es ein Fehlalarm ist, oder ein Alarm, der von einem natürlichen Strahler ausgelöst wurde, wie das häufig bei Transporten von Keramik, Bananen, Dünger oder Tabak vorkommt oder, ob es sich um einen echten Alarm handelt.

Fehlalarme gehören zur Routine

Haben sie eine wirklich Gefahr entdeckt, informieren die Grenzschützer die zuständige Behörde, die dass weitere Vorgehen übernimmt und entsprechendes Fachpersonal entsendet. Das muss alles sehr schnell gehen. "Eine solche Entscheidung müssen die Beamten in den paar Minuten treffen", erläutert Klaus Mayer. "Einerseits dürfen sie den Grenzverkehr nicht behindern, weil das Kosten verursacht, andererseits müssen sie aber auch die Sicherheit gewährleisten." Inzwischen umkreisen die Schulungsteilnehmer den LKW an von allen Seiten. Als sie die Ladung im Heck des LKW kontrollieren, knattern und pfeifen die Messgeräte immer lauter. Bald darauf ist die Strahlenquelle entdeckt. Es ist nur ein Sack mit Kunstdünger, der innerhalb der Grenzwerte mit Uran belastet ist.

Alarme aufgrund einer natürlichen Strahlenquelle gehören zum Alltag bei Atomschmuggel-Prüfungen an den EU-Außengrenzen sowie den Flug- und Seehäfen. Dennoch müssen die Kontrolleure bei jedem Einsatz voll konzentriert und jederzeit in der Lage sein, die Ursache eines Strahlenalarms verlässlich einordnen zu können. Fehleinschätzungen oder ungenaue Kontrollen könnten von tödlicher Wirkung sein, sollte waffenfähiges Plutonium in die falschen Hände geraten.

Ermittler untersuchen einen Lieferwagen (Copyright: European Commission, 2013)
Bei Strahlenalarm dürfen Ermittler nichts übersehenBild: European Commission 2013

Furcht vor Atom-Terrorismus

Immer mehr Sicherheitsexperten sehen die Gefahrenabwehr im Nuklearbereich als eine der größten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an. Die Statistiken der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEO) belegen seit Jahren einen Aufwärtstrend bei Fällen von radioaktivem Material, das irgendwo auftaucht oder aus behördlicher Kontrolle verschwindet. Der Aufwärtstrend ist allerdings auch darin begründet, dass immer mehr Staaten an die Datenbank der IAEO berichten und genauer kontrolliert wird. "Es werden mehr Fälle aufgedeckt", erläutert Projektleiter Mayer, "und damit trägt der abschreckende Charakter dieser Kontrollmechanismen dazu bei, das Problem besser in den Griff zu bekommen."

Klaus Mayer kommt auf den internationalen Terrorismus zu sprechen. Spätestens seit dem 11. September werde dieses Problem von den Sicherheitsbehörden anders betrachtet als früher, erklärt er. Dies lasse "viele Staaten ihre Anstrengungen verstärken, auch Atomschmuggel auf allen Ebenen zu bekämpfen, und dazu ist dieses neugegründete Aus- und Fortbildungszentrum ein ganz wesentlicher Beitrag."

Werkstatt für Schmutzige Bombe

Die Europäische Union hat 2.3 Millionen Euro in die Anlage in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe investiert. Das Ausbildungszentrum, das am "Forschungsinstitut für Transurane" angesiedelt ist, wurde im Rahmen des Aktionsplans zur Abwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Bedrohungen errichtet, der 2009 vom Europäischen Rat verabschiedet wurde. Die Schulungsprogramme wurden in Zusammenarbeit mit der IAEO und dem Energieministerium der USA entwickelt. Neben dem Schwerpunktthema, die Abwehr des illegalen Handels mit Kernmaterial, unterstützt Eusectra die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Aufbau von Expertennetzen.

Klaus Mayer (links) erklärt Atomfahndern die neuesten Messtechniken Foto: European Commission
Klaus Mayer (links) erklärt Atomfahndern die neuesten MesstechnikenBild: European Commission 2013

Es gibt eine Schulungshalle, mehrere Labors und eine Außenanlage, an der unter anderem Grenzkontrollen nachgestellt werden. "Aber wir haben auch Szenarien, wo wir durchspielen, dass die Polizei eine Bastelwerkstatt von jemandem entdeckt hat, der eine schmutzige Bombe bauen wollte." Einer Bombe also, deren Wirkung darauf beruht, radioaktives Material durch Einsatz konventioneller Sprengstoffe am Angriffsziel zu verteilen, um die Umgebung zu verseuchen.

Tests mit Plutonium und Uran

Von der Außenanlage geht es nun zum nächsten Training ins Hauptgebäude. Dabei sind mehrstufige Sicherheitschecks zu bestehen. Vor dem Laborbereich, dem Herzstück des Eusectra-Ausbildungszentrums zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kernmaterial, sind die Kontrollen am schärfsten. Man braucht einen Extra-Ausweis, Mobiltelefone müssen abgegeben werden, es gibt Körperscans und Schleusen. Die Sicherheitsauflagen sind wegen des hier lagernden Nuklearmaterials nötig. Aus Kontaminationsgründen gibt es auch kein fließendes Wasser, also keine Toiletten.

Vor der letzten Schleuse muss jeder Schulungsteilnehmer noch einen weißen Kittel und Schuhüberzieher aus Baumwollstoff überziehen. Im weißgekachelten Laborbereich sind die nächsten Kontroll-Szenarien aufgebaut wie ein Flughafen-Gepäckband mit Röntgensichtung und die Werkstatt eines möglichen Atom-Terroristen. Zudem können die Atomfahnder mit den unterschiedlichsten Messgeräten sowohl US-amerikanischer wie auch russischer Produktion an niedrigdosierten Kernmaterial üben.

Training für Experten aus aller Welt

Vor Einrichtung des Ausbildungszentrums, erzählt Klaus Mayer, habe man eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, "um zu erfahren, was überhaupt benötigt wird, weil die EU-Mitgliedsstaaten natürlich ihre eigenen Schulungen für Grenz- und Zollbeamte sowie andere Ermittler durchführen." Bei der Auswertung der Studie hätten seine Kollegen und er festgestellt, dass niemand Trainingseinheiten mit echtem Nuklearmaterial, mit Uran oder mit Plutonium, angeboten habe. "Wir haben gesehen, dass wir ergänzend zu den Angeboten der Mitgliedsstaaten etwas anbieten können, das nicht nur für unsere EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch für die Internationale Atomenergiebehörde und auch für Partner außerhalb der EU interessant ist."

Ermittler vor Laborgerätschaftgen Foto: European Commission
Im Labor werden die radioaktive Stoffe gemessenBild: European Commission 2013

Die internationalen Partner sind interessiert. Seit Eröffnung des Ausbildungszentrums Eusectra Mitte April hat es bereits mehrere Lehrgänge und gezielte Schulungen gegeben. Die Teilnehmer kamen aus Nord- und Zentralafrika, Zentralasien, Südostasien, der Gemeinschaft unabhängiger Staaten GUS und Europa. So unterschiedlich die Teilnehmer auch sind, sie alle eint die Hoffnung, den Atomschmugglern frühzeitig auf die Spur zu kommen.