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Netzneutralität in EU beschlossen

27. Oktober 2015

Die gesetzlich verankerte Netzneutralität soll dafür sorgen, dass der Internetverkehr ohne Diskriminierung oder Einschränkung abgewickelt wird. Zudem stimmten die EU-Abgeordneten für das Ende des Roaming-Gebühren 2017.

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Symbolbild Netzneutralität
Bild: picture-alliance/dpa

Das Europaparlament hat die umstrittene Verordnung zur sogenannten Netzneutraliät verabschiedet. Damit soll in der Europäischen Union die Gleichbehandlung von Datentransfers durch die Anbieter von Internetzugangsdiensten gewährleistet werden. Ausnahmen sind nur bei gerichtlichen Anordnungen, etwa zur Sperrung bestimmter Dienste, oder zur Vorbeugung von Cyberangriffen möglich.

Recht zur Vertragskündigung

Außerdem müssen Anbieter von Internetdiensten den Nutzern vor Unterzeichnung eines Vertrages "klar und verständlich" erläutern, wie hoch die tatsächlich zu erwartenden Download- und Uploadgeschwindigkeiten sind. Bei erheblichen Abweichungen von diesen Zusagen soll der Kunde das Recht haben, einen Vertrag vorzeitig zu kündigen oder eine Entschädigung zu verlangen.

Die vorgeschlagene EU-Verordnung zur Netzneutralität hatte im Vorfeld viel Kritik auf sich gezogen. Worum geht es? Der Begriff Netzneutralität bedeutet bisher, dass Betreiber oder Anbieter alle Datenpakete gleichberechtigt durch die Leitungen schicken können - egal, woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben. Beschrieben wird so ein "offenes Internet", für das keine europäischen Regeln gelten. Nur einzelne EU-Staaten haben Vorschriften.

Stau im Netz

Doch weil die Datenmenge wächst - ähnlich wie auf der Autobahn -, nimmt die Staugefahr zu. Und damit sind die Regulierer auf den Plan getreten. Deren bisherige Formulierungen haben wiederum die Kritiker aufgeschreckt: Sie fürchten, dass die Netzneutralität de facto abgeschafft wird.

Die gewichtigste Stimme in der Debatte ist die von Sir Tim Berners-Lee, dem Erfinder des World Wide Web. Er bemängelte, die vorgeschlagene EU-Verordnung sei "schwach und verwirrend". Wenn die vorliegenden Regelungen so übernommen würden, dann würden sie die Innovation, die Meinungsfreiheit und Privatsphäre bedrohen, so Berners-Lee. "Das hier ist für jedermann", hatte er schon 2012 zur Eröffnung der Olympischen Spiele in London vor Millionen Menschen getwittert und damit klargemacht, dass das Internet eine zutiefst demokratische Angelegenheit bleiben müsse.

Neben Berners-Lee haben sich mehr als 30 führende Startups, Internetunternehmen und Investoren aus Europa und den USA für eine stärkere Verankerung der Netzneutralität stark gemacht. Zu diesen Firmen gehören zum Beispiel Netflix, Reddit, Soundcloud, Tumblr und Vimeo.

Kritiker fürchten insgesamt eine Einschränkung der Netzneutralität durch schwammige Formulierungen. So erlaubt die Verordnung bestimmte "Spezial-Dienste", die im Netz bevorzugt werden dürfen. "Dass Internetprovider jetzt die Möglichkeit bekommen, bestimmten Datenverkehr auf ihren Leitungen zu drosseln und anderen zu bevorzugen, schafft nicht nur ein Zwei-Klassen-Internet, sondern nimmt auch die Anreize, Leitungskapazitäten weiter auszubauen", beklagte die Piraten-Europaabgeordnete Julia Reda.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen forderte, bei der Umsetzung der Verordnung in nationales Recht die vagen Formulierungen im Sinne der Netzneutralität zu konkretisieren. "Ein robuster diskriminierungsfreier Internetzugangsdienst ist die Basis für inhaltliche Vielfalt und Meinungsfreiheit im Netz", erklärte Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD).

"Nutzer dürfen nicht auf der Überholspur abgehängt werden"

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, begrüßte die Verordnung im Prinzip: "Es ist gut, dass das Europäische Parlament endlich die Verordnung für den einheitlichen Telekommunikationsmarkt beschlossen hat. Die Bundesnetzagentur muss jetzt schnell handeln und dafür sorgen, dass Netzneutralität in Deutschland abgesichert wird." Man brauche dringend verbindliche Mindeststandards für Qualität und Geschwindigkeit im Internet. "Nutzer dürfen nicht von einigen Anbietern auf der Überholspur abgehängt werden."

Zudem beschlossen die Europaparlametarier, dass Handy-Benutzer ab Sommer 2017 in der gesamten EU grundsätzlich ohne zusätzliche Roaming-Gebühren telefonieren, SMS senden oder im Internet surfen können. Die Abgeordneten billigten damit einen Kompromiss mit den EU-Mitgliedsländern, die sich für eine längere Übergangsfrist ausgesprochen hatten. Ursprünglich wollte die EU-Kommission ein Verbot der Roaming-Gebühren bereits Ende 2015, war damit aber am Widerstand mehrerer EU-Länder gescheitert. Ab dem 30. April 2016 werden die Roaming-Gebühren zunächst gesenkt: So soll der Aufschlag dann höchstens fünf Cent pro Minute für Anrufe, zwei Cent für SMS und fünf Cent je Megabyte Datenvolumen betragen.

Reduzierung bereits im Frühjahr 2016

Die Botschafter der EU-Staaten haben die Regeln bereits gebilligt, der EU-Rat als Vertretung der Mitgliedsländer muss noch formal zustimmen. Die Neuregelung werde für Handy-Nutzer "Grenzen innerhalb der EU abschaffen", betonte die Berichterstatterin des Parlaments, die spanische Christdemokratin Vera del Castillo. Zunächst würden Roaming-Gebühren ab dem 30. April kommenden Jahres "dramatisch reduziert", erläuterte der Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip. Die Abschaffung der Roaming-Gebühren sei dann im Juni 2017 geplant.

Der EU-Kompromiss enthält allerdings "Sicherungen" für die Telekomfirmen, denen durch das Roaming Mehrkosten entstehen. Eine "fair use"-Klausel sieht vor, dass die Befreiung von Roaming-Gebühren nur für eine "angemessene Nutzung" des Handys im Ausland gilt. Anbieter können beispielsweise bestimmte Obergrenzen für die Dauer von Telefonaten und die Zahl der versandten SMS festsetzen. Die Einzelheiten über die "Klausel zur fairen Nutzung" sollen die EU-Kommission und die zuständige Europäische Regulierungsbehörde (GEREK) bis Dezember kommenden Jahres festlegen.

sti/ml/jj (dpa,rtr)