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EU muss Präsident Bush beim Wort nehmen

Grahame Lucas 22. Februar 2005

Präsident Bush hat in Brüssel die Erneuerung der transatlantischen Beziehungen beschworen: Die USA wollten eine starke EU. Eine Aufforderung, die die Europäer als Angebot zur Zusammenarbeit verstehen sollten.

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Grahame Lucas
Bild: DW

Es gibt keinen Zweifel: George W. Bush erregt heftigst die Gemüter in Deutschland und Europa. Es ist einfach, den wieder gewählten US-Präsidenten zu kritisieren. Denn er passt - auf den ersten Blick - wunderbar in die Rolle des Cowboys, der zuerst schießt und dann erst fragt, worum es überhaupt geht. Von diesem Blickwinkel aus ist der nächste Krieg gegen den Iran oder Nordkorea nur eine Frage der Zeit. Denn, so hört man oft, die USA wollten ja in der unipolaren Welt von heute ihre Interessen überall und so schnell wie möglich durchsetzen, notfalls mit militärischer Gewalt. Es gehe um die Sicherung von Ölreserven und die Aufrechterhaltung der militärischen Überlegenheit. Diese Ansichten haben in Europa zurzeit Hochkonjunktur, auch in der veröffentlichten Meinung namhafter Zeitungen.

Dabei wird inzwischen oft vergessen, dass das Böse, das die europäischen Linken mit Bush identifizieren, das heißt der Irak-Krieg, eine direkte Folge des Anschlags auf die USA am 11. September 2001 war. Denn die US-Regierung geht nach wie vor davon aus, dass man den islamistischen Terrorismus nur bezwingen kann, wenn man den Konflikt im Nahen Osten löst. Deshalb der Angriff auf Saddam Hussein, den Helden der Palästinenser - trotz aller Behauptungen, es sei Bush um die angeblichen El-Kaida-Verbindungen Saddams gegangen.

Gemeinsame Interessen mit Washington abstimmen

Gerade weil die Ausgangspositionen so unterschiedlich sind, ist der transatlantische Dialog so wichtig. Die Erkenntnis Washingtons, dass die USA die Hilfe der Europäer im Falle Irak inzwischen gut gebrauchen könnten, lässt Spielraum für eine Annäherung. Die Europäer beginnen zu begreifen, dass der militärische Druck der USA förderlich ist für die diplomatischen Bemühungen der EU, Teheran zum Verzicht auf Kernwaffen zu bewegen. Dort, wo sich die Interessen der Europäer mit denen der USA überschneiden, sollten sie die Gelegenheit nutzen, ihre Politik mit Washington eng abzustimmen. In der Haltung gegenüber Syrien scheint dies zu gelingen: Beide Seite erhöhen nun den Druck auf Damaskus, die syrischen Truppen aus dem Libanon abzuziehen. Gegenseitige Unterstützung in der Nahost-Politik kann entscheidend sein, um den Friedensprozess voranzutreiben.

Aber auch Themen wie die Zukunft der NATO, der Internationale Strafgerichtshof oder die Erwärmung des Klimas, wo keine Einigungen zu erwarten sind, müssen ernsthaft und ausführlich diskutiert werden. Das ist das zusammenwachsende Europa sich selbst schuldig.

Anzunehmen, dass George W. Bush zu keinen Zugeständnissen bereit ist, weil er grundsätzlich nur amerikanische Interessen durchsetzen will, wäre verkehrt. Andere amerikanische Präsidenten, die in ähnlicher Weise wie Bush in Europa verteufelt wurden, haben in ihrer zweiten Amtszeit gezeigt, dass sie wesentlich mehr Freiraum genießen, wenn sie nicht mehr wieder gewählt werden können.

Die Tatsache, dass George W. Bush Europa zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode die EU besucht, ist ein Zeichen, dass die USA dreieinhalb Jahre nach dem 11. September 2001 die Unterstützung der Europäer wieder brauchen. Das hat Bush auch in seiner Rede in Brüssel deutlich gemacht. Die Europäer sollten ihn beim Wort nehmen.