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Juncker will Türkei nicht entgegenkommen

7. August 2016

Für die Visafreiheit müsse die Regierung in Ankara die vereinbarten Bedingungen erfüllen, fordert der EU-Kommissionspräsident. Den immer heftiger umstrittenen Flüchtlingspakt mit Ankara verteidigt Juncker aber.

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Jean-Claude Juncker, Portrait im EU-Parlament in Straßburg (Foto: rtr)
Bild: Reuters/V. Kessler

Nein, es war keine Liebeserklärung an die Türkei, im Gegenteil. Nicht weil man schwierige Nachbarn wie die Türkei besonders liebe, müsse man mit ihnen zusammenarbeiten, erklärte Jean-Claude Juncker. Es gehe vielmehr darum, menschliches Leid zu mindern, sagte der EU-Kommissionspräsident und bezog sich damit auf das derzeit heftig debattierte Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei.

Die Europäische Union habe zu Beginn des Jahres nicht länger zuschauen können, "wie Zehntausende in der Ägäis sterben", sagte Juncker der Berliner Zeitung "Tagesspiegel" und bekräftigte, es sei deswegen notwendig, an der Flüchtlingsvereinbarung mit Ankara festzuhalten.

Kein Entgegenkommen bei der Visafreiheit

In Sachen Visafreiheit aber erteilte der EU-Kommissionschef den Forderungen aus Ankara eine Absage. Es müssten erst alle vereinbarten Bedingungen erfüllt werden, bevor die EU türkischen Bürgern eine Einreise auch ohne Visum erlaube. Dazu gehöre unter anderem eine Änderung der Anti-Terror-Gesetzgebung. "Grundrechte, wie etwa die Pressefreiheit, dürfen nicht einfach mit dem Hinweis auf die Anti-Terror-Gesetzgebung ausgehebelt werden", sagte Juncker. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte Anfang August gesagt, sein Land werde das EU-Flüchtlingsabkommen beenden, wenn die EU der Türkei nicht bis Mitte Oktober die Visafreiheit zubillige.

Österreich will Veto gegen türkischen EU-Beitritt einlegen

Angesichts des harten Vorgehens der türkischen Regierung gegen ihre Gegner nach dem versuchten Militärputsch wächst in Deutschland und in der EU die Kritik an der Zusammenarbeit mit Präsident Recep Tayyip Erdogan. Immer häufiger werden Forderungen nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen laut. So kündigt Österreichs Außenminister Sebastian Kurz ein Veto gegen das Eröffnen weiterer Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen an. "Ich habe Sitz und Stimme im Außenministerrat. Dort geht es darum, ob neue Verhandlungskapitel mit der Türkei (einstimmig) eröffnet werden. Und da bin ich dagegen", sagte der Politiker der konservativen Volkspartei (ÖVP) der Wiener Tageszeitung "Kurier".

In Deutschland sprach sich der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, für einen sofortigen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen aus.

Parlamentarier rufen zu Gelassenheit auf

Doch viele Stimmen warnen vor unüberlegten Schritten. So forderte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, Europa dürfe die demokratieorientierten Türken, die sich auf die EU verlassen haben, nicht im Stich lassen. Die EU-Beitrittsgespräche seien eine der wenigen Möglichkeiten, auf Rechtsstaatlichkeit in der Türkei zu drängen.

Die Flaggen der EU und der Türkei hängen schlaffe nebeneinander (Foto: dpa)
Die Luft ist raus: Das Verhältnis der Türkei und der EU ist derzeit nicht das besteBild: picture-alliance/dpa/Landov

Und auch der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, rief in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zu größerer Gelassenheit auf. Die Türkei halte sich beim Flüchtlingsabkommen an ihre Abmachungen mit der EU, versorge nach wie vor rund drei Millionen Flüchtlinge und unterbinde das Schlepperwesen. Ankara selbst habe ein Interesse daran, das Flüchtlingsabkommen nicht aufzukündigen, zeigte sich Kauder sicher. Präsident Erdogan wisse, dass die Türkei "in wirtschaftlicher Hinsicht stark von Investitionen aus Europa abhängig ist". Zur Visafreiheit für Türken sagte er, das Land habe es selbst in der Hand, ihren Bürgern Reisen in die EU zu erleichtern. Es müsse lediglich die verabredeten Voraussetzungen erfüllen.

cw/wl (dpa, afp, kna, edp, rtr)