1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehr Kontrolle für Finanzmärkte

20. Oktober 2011

Oft gefordert, nie umgesetzt: eine bessere Regulierung der Finanzmärkte. EU-Kommissar Michel Barnier macht nun einen neuen Versuch. Dabei nimmt er auch die Ratingagenturen ins Visier.

https://p.dw.com/p/Rs21
Barnier gestikuliert am Rednerpult (Foto:Virginia Mayo/AP/dapd)
Barnier: "Die Moral ist verlorengegangen"Bild: dapd

Kurz vor dem EU-Gipfel am Wochenende geht die Kommission noch einmal auf die Überholspur. Binnenmarktkommissar Michel Barnier kündigte in Brüssel mehr Regulierung und Transparenz auf den Finanzmärkten und strafrechtliche Verfolgung von Marktmissbrauch wie Insiderhandel und Preismanipulation an. Das soll helfen, den Euro-Raum zu stabilisieren.

Barniers Tenor: Die Details mögen hochkomplex sein, aber sie betreffen jeden. Unternehmen und Sparer erwarteten genau das: "Ein solideres, gesünderes System, die Wiederherstellung von Regeln, Transparenz und Verantwortung", sagte Barnier.

Verbesserungen auch im Verbraucherschutz

Anzugärmel eines Finanzberaters, daneben Sparschwein, im Hintergrund lachende Familie (Bild: Fotolia / Kzenon #19694437)
Anlageberater sollen Interessen der Kunden berücksichtigenBild: Fotolia/Kzenon

Bisher unregulierte Finanzprodukte sollen reguliert werden. Darunter fällt auch der sogenannte Hochfrequenzhandel von Wertpapieren, bei dem Computer ohne menschliches Zutun Wertpapiere kaufen oder verkaufen.

Aufsichtsbehörden sollen leichter eingreifen können, wenn die Stabilität oder das Funktionieren der Märkte gefährdet sind. Auch der Schutz privater Anleger soll sich verbessern: Unabhängige Finanzberater würden keine Provisionen mehr für die Vermittlung von Produkten kassieren können.

Ratings verbieten?

Die Kommission denkt ebenfalls darüber nach, die Bewertung von Staaten durch Ratingagenturen zeitweilig zu verbieten, etwa wenn ein Staat gerade über Finanzhilfen des Rettungsfonds EFSF oder des IWF verhandelt. Barnier stellte klar, er habe nicht grundsätzlich etwas gegen Ratingagenturen. "Das Thermometer löst ja nicht das Fieber aus, aber es muss richtig funktionieren, um nicht mehr Fieber anzuzeigen, als wirklich vorhanden ist."

Urteile von Ratingagenturen neigten dazu, "prozyklisch" zu sein, erklärte Barnier, also eine schwierige Lage noch zu verschlimmern, obwohl dem Land geholfen werde. Die Kommission will im November Vorschläge für strengere Vorschriften für die Agenturen vorlegen. Zum Thema Trennung von Kundengeschäft und Investitionsbereich von Banken hat die Kommission offenbar noch keine abschließende Position gefunden. Er persönlich sei jedenfalls dafür, sagte Barnier.

Schwierige Beratungen erwartet

Londoner Tower-Bridge mit Bankenhochhäusern (Foto: Dominic Lipinski/PA +++(c) dpa - Report+++)
Finanzplatz London: An seinem Widerstand scheiterten schon viele Vorschläge aus BrüsselBild: picture-alliance/dpa

Zum Schluss wurde der zurückhaltende Franzose noch einmal grundsätzlich und für seine Begriffe auch sehr emotional. "Die Folgen von Marktmissbrauch für die Gesellschaft sind unkalkulierbar. Die Moral ist verlorengegangen. Das haben wir bei einigen Praktiken auf den Finanzmärkten gesehen, ganz abgesehen von den Bonuszahlungen, die in der gegenwärtigen Krise unmäßig und nicht zu rechtfertigen sind."

Über die Vorschläge der Kommission beraten jetzt Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten und das Europaparlament. Besonders viel Widerstand wird von Großbritannien erwartet, das um die Bedeutung seines Finanzplatzes London fürchtet.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Andreas Becker