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EU-Gipfel: Viel Programm, wenig Zeit

André Moeller15. März 2002

Am 15. und 16. März treffen sich die europäischen Regierungschefs in Barcelona zu ihrem Frühjahrsgipfel. Angesichts der Themenfülle ist es fraglich, ob der Zeitplan eingehalten werden kann.

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Lädt zum Gipfel nach Barcelona: José Marìa Aznar.Bild: AP

In einem Brief an seine Kollegen nennt Jose María Aznar, spanischer Regierungschef und amtierender Präsident des Europäischen Rats, die wichtigsten Themen des anstehenden Gipfels. Er will sich bei dem Treffen auf

  • Strategien zur Schaffung von Vollbeschäftigung,
  • eine bessere Aus- und Weiterbildung,
  • die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Finanzmarktes und
  • die Liberalisierung der Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationsmärkte konzentrieren.

Ziele sind schon lange vorgegeben

Die Themen, die jetzt auf der Tagesordnung stehen, sind eigentlich schon lange vorgegeben. Auf dem Lissaboner Sondergipfel im März 2000 haben die EU-Staatschefs sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Union bis zum Jahr 2010 zum "stärksten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen".

Dazu gehören nach Ansicht der Regierungsoberhäupter nicht nur ein langfristiges Wirtschaftswachstum, ausgeglichene Staatshaushalte und "liberalisierte" Märkte, zum Beispiel in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und Finanzen. Zudem soll es auch noch Vollbeschäftigung und einen "aktiven Wohlfahrtsstaat" geben.

Frühjahrsgipfel dienen der Leistungskontrolle

Seit Lissabon sollen die Frühjahrsgipfel dazu dienen, die Erfolge auf dem Weg dorthin zu überprüfen. Konkret sind folgende Eckwerte vereinbart worden: Ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich drei Prozent im Jahr und eine Steigerung der Beschäftigungsquote von derzeit 61 auf 70 Prozent im Jahr 2010. Um das zu erreichen, müsste die Union 20 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen.

Zugleich werden die EU-Staaten aufgefordert, mehr Geld in die Bildung ihrer Bürger zu investieren. Die Zahl der 18 bis 24-jährigen, die mit der zehnten Klasse ohne weitere Berufsausbildung die Schule verlässt, soll halbiert werden.

Totale Liberalisierung bei vollem Sozialausgleich

Kritiker werfen den Staatschefs vor, sich das Unmögliche zum Ziel gesetzt zu haben. Der Widerspruch zwischen einer vollkommenen wirtschaftlichen Liberalisierung und der weitgehenden Erhaltung sozialer Schutzräume ließe sich nicht auflösen. Das ginge dann im Zweifelsfall zu Lasten der sozial Bedürftigen.

Und tatsächlich stößt die Liberalisierung bislang vom Staat geschützter Wirtschaftsbereiche vermehrt auf den erbitterten Widerstand einzelner Mitgliedstaaten. Während der britische Premierminister Tony Blair und die Regierungschefs von Italien (Silvio Berlusconi) und Spanien (José Marìa Aznar) massiv eine Deregulierung der Wirtschaft und die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte fordern, zeigen sich Paris und Berlin skeptisch.

Beispielsweise weigert sich Frankreich bislang, auf dem Energiemarkt die Dienstleistungsmonopole der Staatsunternehmen EDF und GDF (Elektrizitäts- und Gasversorgung) aufzulösen. Vor dem Ende der französischen Präsidentschaftswahl dürfte sich daran nach Einschätzung von Experten auch nichts ändern.

Keine "neoliberalen Wirtschaftsreformen"

Bei der Liberalisierung der Finanzmärkte gilt hingegen Deutschland als Bremse. Die Regierungen von Belgien und Luxemburg warnen sogar öffentlich davor, die "Modernisierung der EU auf neo-liberale Wirtschaftsreformen zu beschränken". Sie wollen in Barcelona das soziale Europa sichern.

Romano Prodi, der Präsident der EU-Kommission drängt die EU-Mitglieder unterdessen, sich spätestens bis zum Ende der spanischen Ratspräsidentschaft auf einen Zeitplan für die Öffnung der Märkte zu verständigen.

Weitere Problem-Themen des Barcelona-Gipfels: Die Finanzierung des Milliarden-Projekts "Galileo" ist alles andere als gesichert. Mit diesem Programm für Navigationssatelliten wollen die Europäer eine Alternative zur US-Satellitenortung mit dem GPS-System aufbauen. Auch über die Erweiterung der EU wird man sprechen müssen. Die 13 Beitrittskandidaten, von denen zehn schon im Jahr 2004 aufgenommen werden sollen, sitzen in Barcelona mit am Tisch.

Erhöhung der Entwicklungshilfe

Eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wird von den Staaten der EU vermutlich einvernehmlich beschlossen. Sie werden damit einem Vorschlag Spaniens folgen. Das Land hatte vorgeschlagen, eine Mindestmarke für die Entwicklungshilfe in den EU-Staaten von 0,33 Prozent zu fixieren.

Das würde zu einem durchschnittlichen Satz von 0,39 Prozent gegenüber derzeit 0,33 Prozent führen. Deutschland lag bislang darunter. Die Vereinten Nationen versuchen bereits seit drei Jahrzehnten, die Industriestaaten zu einer Entwicklungshilfe von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verpflichten.

Nahost-Initiative

Hinzu kommt: Das zweitägige Treffen in der katalonischen Metropole wird von außenpolitischen Themen dominiert werden. Vor allem die explosiven Lage wird die Gipfelteilnehmer beschäftigen. Die Außenminister haben sich bereits darauf verständigt, dass die EU gemeinsam mit den USA, Russland und der Arabischen Liga eine neue Vermittlungs-Initiative starten will.

Dabei unterstützt die EU den neuen Friedensplan des saudischen Kronprinzen Abdullah. Dieser sieht die Anerkennung Israels durch die arabische Welt vor, wenn ein palästinensischer Staat mit Jerusalem als Hauptstadt gegründet wird. Auch wird von der EU eine klare Aussage zur Präsidentschaftswahl in Simbabwe erwartet. Wenig Platz dürfte das zweitägige Programm für weitere außenpolitische Themen lassen, wie zum Beispiel das zukünftige europäische Engagement in Afghanistan.