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Cameron gibt den Zornigen

Barbara Wesel24. Oktober 2014

Nachforderungen der EU an Großbritannien im Volumen von 2,1 Milliarden Euro haben den EU-Gipfel in Brüssel überschattet. Premierminister Cameron erklärte in einer Wutrede: London zahlt nicht!

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David Cameron
Bild: picture alliance /ZUMA Press/ W.Dabkowski

Es war eine meisterhafte Aufführung, die der britische Premier zum Ende des EU-Gipfels vor der Presse gab. Als Publikum hatte David Cameron dabei zweifellos seine Bürger zu Hause im Auge. In perfekter theatralischer Steigerung gab er den 'Angry Dave', nachdem er zunächst Erfolge des Treffens beim Klimaschutz und der Ebola-Hilfe begrüßt hatte.

Aber die gut zwei Milliarden Nachforderung der EU-Kommission bei der Neuberechnung der jährlichen Beiträge zum europäischen Haushalt nannte er einfach inakzeptabel.

Das sei eine völlig ungerechtfertigte Rechnung, schimpfte der Premier, man könne ihm doch nicht plötzlich eine solche Forderung präsentieren, die schon zum ersten Dezember bezahlt werden müsse. "Wie um alles in der Welt sind die auf diese Zahl gekommen?", fragte Cameron und fügte hinzu, dass er nicht im Traum daran denke, diese Rechnung aus Brüssel zu bezahlen.

Innenpolitisches Signal

Das alles dient wohl dazu, die Europa-Skeptiker zu Hause zu beruhigen, denn hinter der tatsächlichen hohen Rechnung steht ein Routineverfahren, mit dem jedes Jahr die Wirtschaftslage aller Mitgliedsländer und ihr Beitrag zum EU-Haushalt gegengerechnet werden. So kann sich Deutschland in diesem Jahr über einen Rückfluss von 750 Millionen freuen, andere, wie auch die Niederlande, müssen nachzahlen.

Die Staats- und Regierungschefs beraten auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Foto: Anadolu)
Die Staats- und Regierungschefs beraten auf dem EU-GipfelBild: picture alliance/AA/D.Aydemir

Der scheidende Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso wunderte sich denn auch über die britische Aufregung: Die Briten hätten diesem Berechnungsverfahren schließlich zugestimmt, sie hätten sich gegen eine geplante Änderung sogar gewehrt, und selbst die Zahlen nach Brüssel gemeldet, die Grundlage der Berechnung waren. Außerdem sind bei diesen Beratungen auch Vertreter der Mitgliedsländer dabei. London kann also nicht wirklich überrascht gewesen sein. Aber David Cameron ergriff die Gelegenheit, um ein regelrechtes Drama aufzuführen.

Merkels Wink mit dem Zaunpfahl

Ein bisschen Verständnis zeigte dabei sogar die Bundeskanzlerin für die Wut ihres Kollegen: "Es ist nicht einfach, in drei Wochen zwei Milliarden Euro zu zahlen, wenn man gerade in der Haushaltsplanung ist". Diskret erwähnte Angela Merkel dabei nicht, dass den Briten gerade wieder das Geld fehlt, weil die Konjunktur zwar flott läuft, aber die Steuereinnahmen niedrig sind. Denn das Wachstum auf der Insel hat zwar eine Menge Arbeitsplätze geschaffen, es sind allerdings weitgehend Billigjobs, die kaum Lohnsteuer in die Kasse bringen. Die wirtschaftliche Lage im übrigen Europa sei dagegen 'nicht einfach' räumte die Kanzlerin ein. Es gebe zu viel Arbeitslosigkeit und nicht genug Wachstum, man müsse also Maßnahmen zur Steigerung des Wachstums, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einleiten.

Dies ist heute ihr einziger Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Italien und insbesondere Frankreich. Paris muss sich schon seit einem Jahr zum Beispiel von EZB-Chef Mario Draghi für seinen mangelnden Reformeifer kritisieren lassen. Was die Verbesserung der Situation angeht aber, blieb dieses Treffen zunächst im Allgemeinen. Weitere Beschlüsse wurden auf das Treffen im Dezember verschoben. Allein das 300 Milliarden Euro schwere Investitionspaket, das der neue Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker anschieben soll, ist zunächst beschlossen. Sie hoffe, dass dabei Mittel vor allem für die Verbesserung der digitalen Infrastruktur und für die Ausbildung in den Zukunftsberufen bereit gestellt würde, sagte dazu Angela Merkel.

Angela Merkel in Brüssel (Foto: Reuters)
Ein bisschen Verständnis für Camerons Wutausbruch zeigte Bundeskanzlerin MerkelBild: Reuters/Francois Lenoir

Streit geht weiter

Der französische Präsident Francois Hollande wiederholte nach dem Treffen, wie er sich die weitere Debatte mit der EU- Kommission über den Haushaltsplan seines Landes vorstellt: Wir werden darlegen, dass wir die Verträge respektieren und mit einem Maximum an Flexibilität auslegen. Er verteidigt die 4,3% Neuverschuldung, die gegen den europäischen Stabilitätspakt verstößt und sagt zu Kritik an seinen Reform-Bemühungen lediglich, Frankreich habe getan, was es tun musste. Der Streit wird demnächst hinter verschlossenen Türen fortgesetzt werden.

Als Erfolg des Gipfels hob die Bundeskanzlerin neben dem gestern beschlossen Klima-Kompromiss zum Schluss noch einmal die Aufstockung der Mittel für den Kampf gegen Ebola hervor. Ein Beauftragter zur besseren Koordinierung der Hilfsmaßnahmen wurde ernannt und die Mittel sollen auf eine Milliarde Euro aufgestockt werden. "Die Bekämpfung dieser schrecklichen Heimsuchung hat oberste Priorität," sagte Angela Merkel und fügte hinzu, daß Deutschland auch bereit sei, weitere Mittel bereit zustellen, falls das nötig werden sollte.