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Politik

EU-Gipfel: Bemühte Einigkeit

16. Dezember 2016

Streit vermeiden war oberstes Ziel dieses Gipfels. Das ist den Staats- und Regierungschefs gelungen, viel mehr aber auch nicht. Christoph Hasselbach berichtet aus Brüssel.

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EU-Gipfel in Brüssel
Bild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

EU-Gipfel in Brüssel

Großbritannien will die EU verlassen, da versuchen die anderen zusammenzurücken. Das zeigte sich auch am neuen Gipfelformat: Erst das reguläre Treffen der 28, anschließend wurde die britische Premierministerin Theresa May nach Hause geschickt. Die anderen 27 tagten dann in informeller Runde weiter, um über die Modalitäten des Brexit zu sprechen. An einem Grundsatz wollen die verbleibenden Mitglieder unbedingt festhalten: Wer Zugang zum Binnenmarkt haben will, muss auch die EU-Personenfreizügigkeit akzeptieren. Großbritannien will bisher beides: den Marktzugang und die Kontrolle über EU-Einwanderung.

Belgien | EU-Gipfel | Theresa May
Theresa May blieb nicht mehr bis zum Ende Bild: REUTERS/E. Vidal

Dass die EU bei diesem Prinzip durchaus Risse zeigt, verdeutlicht der Umgang mit einer Volksabstimmung in Dänemark vor einem Jahr. Die Folge davon ist ein Ausstieg Dänemarks aus der europäischen Polizeibehörde Europol. Die EU will aber mit Dänemark eine Sonderregelung finden, um gerade in den Zeiten des Terrors die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Vor allem im Europaparlament sieht man das mit Sorge. Manfred Weber, als EVP-Vorsitzender Chef der größten Fraktion, sieht darin gerade die "Rosinenpickerei", die die EU auch Großbritannien vorwirft.

Immer wieder Russland

Immerhin schaffte es die EU, die Russland-Sanktionen wegen Moskaus Rolle im Ukraine-Konflikt um ein weiteres halbes Jahr zu verlängern. Das geht nur einstimmig. Und da die Sanktionen auch den Volkswirtschaften mancher Mitgliedsstaaten schaden, ist der Beschluss durchaus ein Zeichen der Geschlossenheit. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, dessen Land im Moment den Vorsitz im Ministerrat führt, hatte die Sanktionen noch am Vortag für unsinnig erklärt. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande haben dagegen für die Verlängerung geworben.

Die Sanktionen haben allerdings nichts mit dem russischen Vorgehen in Syrien zu tun. Hier haben die Regierungschefs Russland zwar ausdrücklich eine Mitverantwortung für das Leid der Zivilbevölkerung in Aleppo "einschließlich der gezielten Angriffe auf Zivilpersonen und Krankenhäuser" vorgeworfen. Folgen hat das für Moskau aber nicht. Die Rolle der EU in Syrien beschränkt sich weitgehend auf die des entsetzten Zuschauers.

Syrien Krieg - Evakuierungen in Aleppo
Rolle des entsetzten Zuschauers: Evakuierung in AleppoBild: Getty Images/AFP/K. Al-Masri

Auch ein Gipfelbeschluss zur Ukraine hat mit Russland zu tun: Das Assoziierungsabkommen mit Kiew konnte bisher nicht inkraft treten, weil die Niederländer in einer Volksabstimmung dagegen gestimmt hatten. Eigentlich ist solch ein Abkommen eine Vorstufe für eine spätere EU-Mitgliedschaft, die Russland strikt ablehnt. Aber auch 61 Prozent der Niederländer konnten sich mit der Aussicht nicht anfreunden. Jetzt haben die Staats- und Regierungschefs eine Zusatzerklärung verabschiedet, aus der hervorgeht, dass die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens nicht zu einer späteren Mitgliedschaft, zu Sicherheitsgarantien für Kiew oder zu einer Niederlassungsfreiheit für ukrainische Bürger in der EU  führen wird. Ministerpräsident Mark Rutte freut sich: "Die EU kann jetzt die Front gegen die destabilisierende Politik Russlands geeint halten." Andererseits befürchtet er, "es wird nicht leicht", die Ratifizierung durchs Parlament zu bekommen. In den Niederlanden stehen ohnehin im März Parlamentswahlen an, und Umfragen deuten auf starke Zuwächse der EU-feindlichen Partei für die Freiheit von Geert Wilders. Wilders hatte vor dem Referendum Stimmung gegen das Ukraine-Abkommen gemacht.

Migration in Zeiten des Populismus

Ein Thema dominiert die EU-Gipfel jetzt seit fast anderthalb Jahren: die Migration. Unter dem Druck einer zunehmenden  Fremdenfeindlichkeit in ihren Ländern und anstehender Wahlen setzen die Regierungen inzwischen nur noch auf Abschottung. Auf der Balkanroute ist ihnen das weitgehend gelungen, auch wegen des EU-Türkei-Abkommens. Daran hält die EU fest - trotz aller Bedenken wegen Präsident Erdogans Vorgehens gegen Andersdenkende. Jetzt will die EU auch den Menschenschmuggel über das Mittelmeer eindämmen. Dazu will sie sogenannte Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern schließen: Länder, die Migranten an der Flucht nach Europa hindern und Abgeschobene zurücknehmen, sollen mit Geld und wirtschaftlicher Unterstützung belohnt werden. Diesem Plan hat sich auch Bundeskanzlerin Merkel angeschlossen. Die umstrittene Verteilung von Flüchtlingen in der EU, wie sie Merkel immer wieder gefordert hat, wurde vertagt.

Afrika Kanzlerin Merkel besucht Niger
Auch Merkel hat sich um eine "Migrationspartnerschaft" mit Niger bemühtBild: Reuters/T. Djibo

Ein oft unbeqeumer Gast hat sich bei diesem Gipfel aus Brüssel verabschiedet. Wie keiner seiner Vorgänger hat Parlamentspräsident Martin Schulz die Rolle des Parlaments immer wieder eingefordert und vor Alleingängen der Nationalstaaten gewarnt. Schulz will nach vielen Jahren in Brüssel im kommenden Jahr in die deutsche Politik gehen und möglicherweise deutscher Außenminister werden, vielleicht sogar Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl im Herbst 2017. Früher hieß es, abgehalfterte nationale Politiker würden nach Europa abgeschoben, wo sie keine Dummheiten mehr machen könnten. Schulz wäre ein ganz anderes Beispiel: ein erfolgreicher EU-Politiker, der seine Europakarriere als Sprungbrett für die nationale Politik nutzen will - und der in den Umfragen in Deutschland glänzend abschneidet.