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EU-Gipfeltreffen mit Putin

20. Oktober 2006

Die EU fordert von Russland handfeste Garantien für ihre künftige Energieversorgung. Die 25 Staats- und Regierungschefs rangen sich in Lahti dazu durch, dem russischen Präsidenten gemeinsam klare Bedingungen zu stellen.

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Vladimir Putin und Tarja Halonen im Auto
Gratwanderung zwischen Wunsch nach Energie und Menschenrechten - die finnische Präsidentin Tarja Halonen und Vladimir PutinBild: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel will Putin unter deutschem EU-Vorsitz im kommenden Jahr zu den gewünschten Zusagen bewegen. Die "nächste Möglichkeit" dazu biete die Verhandlung über eine Neuauflage des Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Russland, sagte Merkel in Lahti. Es läuft 2007 aus.

Russland soll Energie-Charta ratifizieren

Die Kanzlerin bekräftigte, dass die Inhalte der Energie-Charta von 1994, die Russland nie ratifiziert hat, "wichtig und unverzichtbar" seien. "Wir wollen Zugang zu den russischen Märkten, so wie Russland Zugang zu den europäischen Märkten haben will", sagte Merkel. Die Charta sieht die Absicherung europäischer Investitionen in Russland vor. Außerdem soll Moskau die Öffnung russischer Pipelines auch für Gas aus anderen Ländern in Asien garantieren. Im Gegenzug will die EU russischen Unternehmen fairen Zugang zu ihren Märkten ermöglichen.

Die EU will diese Zusagen in das nächste Partnerschaftsabkommen aufnehmen, wenn Russland die Charta weiterhin blockiert. Im Vertrag über die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit geht es um Fragen des gemeinsamen Wirtschaftsraums wie etwa das Recht europäischer Fluggesellschaften zum Überflug Sibiriens. Auch die Justiz- und Innenpolitik samt der Erteilung von Einreisevisa gehört dazu. Weitere Vertragspunkte sind die äußere Sicherheit sowie die Zusammenarbeit in Kultur, Wissenschaft und Erziehung.

Menschenrechte im europäischen Fokus

"Wir wollen gute Beziehungen zu Russland, halten aber an unseren Forderungen zu Menschenrechten und zur Lösung regionaler Konflikte fest", sagte Merkel in Anspielung auf die Krise zwischen Russland und Georgien. Der Präsident des Europa-Parlaments, Josep Borrell, warnte angesichts des Mordes an der Journalistin Anna Politkowskaja und der Georgien-Krise vor einem "Verkauf von Menschenrechten für Öl und Gas aus Russland."

Estlands Regierungschef Andrus Ansip forderte, die EU müsse eine "Balance zwischen ihren Interessen und Werten" finden. "Es wäre völlig falsch, nur auf die Interessen zu achten", sagte Ansip mit Blick auf die Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen. - Europa deckt ein Viertel seines Erdgas- und Ölbedarfs aus russischen Quellen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso wandte sich jedoch dagegen, "die Debatte über Energie übermäßig zu politisieren". Wichtig sei vor allem gegenseitige Offenheit.

Der EU-Ratspräsident und finnische Regierungschef Matti Vanhanen versprach, beim Abendessen mit Putin auch die Menschenrechte in Russland zur Sprache zu bringen. Zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs zudem über eine bessere gemeinsame Forschung und sozial ausgerichtete Reformen der Arbeitsmärkte sowie die Flüchtlingsströme an den Südgrenzen der EU gesprochen.

Einwanderungspolitik geht alle an

"Wir brauchen eine starke Gemeinschaftspolitik in Sachen Einwanderung", sagte der italienische Premierminister Romano Prodi. Das Thema gehe alle in Europa an, nicht nur Italien, Spanien und Frankreich. Zu dem Thema gehöre aber auch eine Politik der Eingliederung und der Staatsbürgerschaft für die Einwanderer. Der spanische Regierungschef José Luís Zapatero konfrontierte den Gipfel mit der Problematik allein einreisender Jugendlicher, die nach internationalem Recht nicht zurückgeschickt werden können.

Zurückhaltend äußerte sich Kanzlerin Merkel zu Plänen der EU-Kommission für ein Europäisches Technologieinstitut (EIT) und für ein europäisches Patent. Deutschland bevorzuge eine Förderung exzellenter wissenschaftlicher Leistungen in Netzwerken. "Da gibt es noch sehr, sehr viele Dinge zu klären." Das seit Jahren umstrittene EU-Patent dürfe keine neue Bürokratie und große Kosten schaffen. Beide Themen dürften die deutsche Ratspräsidentschaft 2007 beschäftigen.

Der britische Premierminister Tony Blair und sein niederländischer Kollege Jan Peter Balkenende verlangten von der Gipfelrunde schnelles und weit reichendes Handeln gegen den drohenden Klimawandel. In einem vor Beginn des Gipfels veröffentlichten Brief warnten sie: "Wir haben einen Zeitrahmen von nur zehn bis 15 Jahren, um ein katastrophales Kippen des Klimas zu vermeiden." (je)