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EU erhöht Druck auf Tschechien und Polen

4. Oktober 2009

Mit großer Erleichterung haben Europapolitiker auf das "Ja" der Iren bei der Abstimmung über den Lissabon-Vertrag reagiert. Nun fehlen noch die Unterschriften der Staatspräsidenten von Polen und Tschechien.

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Der Lissabon-Vertrag auf einer EU-Flagge (Foto: European Commission Audiovisual Service / Credit © European Communities)
Die EU hofft auf das baldige Inkrafttreten des VertragsBild: EC AV Service

Mit der Zustimmung der Iren zum Lissabon-Vertrag ist die Europäische Union einen großen Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Reform vorangekommen. Damit das Vertragswerk in Kraft treten kann, muss das Dokument aber in allen 27 EU-Ländern ratifiziert werden. Die Augen der Europäischen Union richten sich nach dem "Ja" der Iren deshalb nach Osten. Die Unterschriften der Präsidenten in Polen und Tschechien stehen noch aus.

Jubelnde Befürworter des Lissabon-Vertrags in Dublin (Foto: AP)
Yes! Yes! Yes! - Großer Jubel bei EU-Anhängern in der irischen Hauptstadt DublinBild: AP

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief am Samstag (03.10.2009) beide Staatschefs zum schnellen Handeln auf. "Jetzt, da alle Mitgliedstaaten dem Vertrag von Lissabon demokratisch zugestimmt haben, muss der Vertrag so schnell wie möglich auch in Polen und Tschechien ratifiziert werden", sagte Barroso in Brüssel. Die Parlamente beider Ländern haben das Reformwerk bereits gebilligt.

EU-Skeptiker Klaus ziert sich

Der polnische Präsident Lech Kaczynski kündigte bereits an, seine Unterschrift nun "unverzüglich" unter den Lissabon-Vertrag zu setzen. Das bestätigte der Chef der Präsidentenkanzlei, Wladyslaw Stasiak, der polnischen Nachrichtenagentur PAP in Warschau. Seinen Worten zufolge wird die Unterzeichung ohne "unnötige Verzögerung" geschehen. Einen konkreten Zeitpunkt konnte er jedoch nicht nennen. Trotz vieler Appelle aus Polen und dem Ausland hatte Kaczynski seine Unterschrift bisher mit dem Hinweis auf Irland verweigert.

Vaclav Klaus bei einer Demonstration gegen den Lissabon-Vertrag in Prag am 03.10.2009 (Foto: AP)
Vaclav Klaus ist bekannt als EU-SkeptikerBild: AP

Der tschechische Präsident Vaclav Klaus betonte, den Reformvertrag auch nach dem erfolgreichen Referendum in Irland vorläufig nicht unterschreiben zu wollen. Er werde erst die Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts abwarten, erklärte Klaus in Prag. Konservative Senatoren hatten am vergangenen Dienstag das höchste Gericht des Landes angerufen, um die Verfassungsmäßigkeit des Vertragswerks prüfen zu lassen. In der Klage geht es darum, ob die Souveränitätsgarantien für Irland zur Abtreibungs- und Sicherheitspolitik den bisherigen Vertrag so stark veränderten, dass er erneut von den anderen EU-Mitgliedern ratifiziert werden müsste. Mit der Gerichtsentscheidung wird in wenigen Wochen gerechnet.

Referendum in Großbritannien?

EU-Diplomaten fürchten, dass der als EU-Kritiker bekannte Klaus die Ratifizierung des Reform-Vertrags über die Jahreswende hinauszögern könnte, um ein Referendum in Großbritannien zu ermöglichen. Der Chef der oppositionellen Tories, David Cameron, hatte den Briten ein Referendum versprochen, wenn er an die Macht komme und der Lissabon-Vertrag bis dahin nicht von allen EU-Ländern ratifiziert ist. In Großbritannien muss bis spätestens Mai 2010 gewählt werden. Nach dem jetzigen Stand der Umfragen haben die Tories einen deutlichen Vorsprung in der Wählergunst.

"So lange der Vertrag irgendwo in Europa diskutiert wird, kämpfen wir für das Referendum", sagte Cameron am Samstag vor Beginn des Parteitags der Konservativen in Manchester. Großbritannien hatte das Vertragswerk bereits im Juni 2008 abgesegnet. Sollte die Parlamentsentscheidung noch einmal umgeworfen werden, könnte das Kritikern zufolge weitreichende negative Konsequenzen für das Land in der EU haben. Es wird befürchtet, dass bei einem Referendum die traditionell euroskeptischen Briten den EU-Vertrag ablehnen könnten.

Stimmenauszählung in Dublin (Foto: AP)
Auf den meisten Stimmzetteln war diesmal "Ta" (Irisch: Ja) angekreuztBild: AP

"Ein großer Tag für Europa"

Die Iren hatten am Freitag mit einem überraschend deutlichen "Ja" dem EU-Reformvertrag zugestimmt. Insgesamt befürworteten 67,1 Prozent das Vertragswerk. Der irische Ministerpräsident Brian Cowen sagte am Samstag, die Bürger seines Landes hätten "ihrem Willen Ausdruck verliehen, im Herzen Europas zu bleiben". EU-Kommissionspräsident Barroso sprach ebenso wie der amtierende schwedische EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt von einem "großen Tag für Europa". Bundeskanzlerin Angela Merkel beglückwünschte die Iren zu ihrer Entscheidung. Auch der scheidende Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Politiker der anderen im Bundestag vertretenen Parteien - mit Ausnahme der Linkspartei - begrüßten das Ergebnis.

Die EU will ihr weiteres Vorgehen unter schwedischer Ratspräsidentschaft in der kommenden Woche bei Treffen in Brüssel und Prag mit der tschechischen Regierung abstimmen. Ziel ist es, so schnell wie möglich eine neue EU-Kommission nach den Regularien des Lissabon-Vertrags einzusetzen. Das Reformwerk soll die Entscheidungsprozesse in den EU-Institutionen beschleunigen sowie die EU demokratischer und transparenter machen. Es sieht unter anderem mehr Mitspracherechte für das EU-Parlament und weniger Blockademöglichkeiten für einzelne Regierungen vor.

Autorin: Ursula Kissel (dpa/ap/rtr/afp/epd)
Redaktion: Christian Walz