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Politik

EU-Beitritt der Türkei "immer unrealistischer"

21. März 2017

Autoritärer Kurs, ungeheuerliche Verbalattacken: Die Türkei entfernt sich nach Ansicht des Erweiterungskommissars der EU zunehmend von Europa. Kanzlerin Merkel will derweil nicht zulassen, dass "jedes Tabu fällt".

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Plakat mit Recep Tayyip Erdogan
Wirbt für ein "Ja" zum angestrebten Präsidialsystem: Recep Tayyip ErdoganBild: DW/K. Brady

Ein EU-Beitritt der Türkei wird nach Überzeugung von EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn "immer unrealistischer". Die Türkei bewege sich "seit längerem immer weiter weg von der EU", sagte Hahn der "Bild"-Zeitung. Der autoritäre Kurs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die geplante Verfassungsänderung in der Türkei hin zu einem Präsidialsystem seien "eine Abkehr von Europa".

Johannes Hahn
Für EU-Erweiterung zuständig: Johannes HahnBild: picture-alliance/dpa/Julien Warnand

Der Erweiterungskommissar schloss nicht aus, dass die EU-Staaten bald über einen möglichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara beraten könnten. Im Dezember hätten sie sich zwar für eine Fortführung der Verhandlungen ausgesprochen. "Aber es kann jederzeit eine Neubewertung dieser Situation aufgrund aktueller Entwicklungen geben."

Visafreiheit liegt auf Eis

Keine Chance sieht Hahn derzeit auch für die Einführung einer Visafreiheit für Türken in der EU. Solange sich die Türkei weigere, wesentliche Kriterien zu erfüllen, wie etwa die Anpassung des Anti-Terror-Gesetzes, werde es keine Visafreiheit geben, betonte Hahn. Der Österreicher wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die türkische Anti-Terror-Gesetzgebung derzeit auch dazu eingesetzt werde, Kritiker Erdogans zu verfolgen. Scharfe Kritik äußerte Hahn auch an Nazi-Vergleichen aus der Türkei, womit er sich Bundeskanzlerin Angela Merkel anschloss.

Angela Merkel
Persönlich von Erdogan angegriffen: Angela MerkelBild: picture-alliance/U. Stamm

Merkel hatte zuvor erklärt: "Wir werden nicht zulassen, dass der Zweck die Mittel immer wieder heiligt und jedes Tabu fällt." Im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland hatte Erdogan der Kanzlerin am vergangenen Wochenende erstmals auch persönlich "Nazi-Methoden" vorgeworfen. Mit Blick auf Europa sagte der Staatschef, dort könnten "Gaskammern und Sammellager" wieder zum Thema gemacht werden, aber "das trauen sie sich nur nicht".

Die Kanzlerin verwies ausdrücklich auf eine wenige Tage alte Verbalnote des Auswärtigen Amtes. Darin habe die Bundesregierung unmissverständlich mitgeteilt, dass Auftritte türkischer Politiker in Deutschland nur stattfinden könnten, wenn sie auf der Grundlage der Prinzipien des Grundgesetzes erfolgen.

Vergleiche "absolut falsch"

In die Debatte um Nazi-Vergleiche schaltete sich inzwischen auch Josef Schuster ein, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Die Vergleiche zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Nationalsozialismus, die wir in den vergangenen Tagen von türkischen Politikern gehört haben, sind nicht nur beleidigend und absolut falsch, sondern relativieren zugleich die Schreckensherrschaft der Nazis", erklärte Schuster in Berlin.

wa/cr (afp, dpa)