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Überall Unsicherheit

9. November 2011

Die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Österreichs kämpfen für eine Finanztransaktionssteuer, also die Besteuerung aller Finanzgeschäfte. Aber nicht nur Briten und Schweden leisten Widerstand.

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Mehrere EU-Finanzminister begrüßen sich händeschüttelnd (Foto: dapd)
Viel Lächeln, viel Uneinigkeit: Finanzminister umringen EZB-Chef Draghi (2.v.l.)Bild: dapd

Beim G20-Gipfel in Cannes waren die Länder der Eurozone mit der Idee gescheitert, eine weltweite Finanztransaktionssteuer einzuführen. Es war nicht das erste Mal. Viele Experten sagen, nur global habe so eine Steuer einen Sinn, weil das Geschäft sonst in die Länder ohne Besteuerung abwandere.

Doch der belgische Finanzminister Didier Reynders will nicht ewig warten. "Wenn man die Finanztransaktionssteuer in der EU einführen könnte, wäre das eine gute Entwicklung. Wenn das nicht geht, müssen wir es eben in der Eurozone schaffen. Es muss möglich sein", sagte Reynders am Dienstag (08.11.2011) beim EU-Finanzministertreffen in Brüssel. Seine österreichische Amtskollegin Maria Fekter stimmte ihm zu, "weil wir damit auch ein Signal an den Markt senden. Uns bereiten die Märkte Probleme, also sollen sie selber auch zur Stabilisierung beitragen."

Wäre die Steuer eine Wachstumsbremse?

Abendlich angeleuchtete Skyline von Singapur (Foto: dpa)
Angst vor Abwanderung: zum Beispiel nach SingapurBild: dpa

Wenn nur die Eurozone eine Finanztransaktionssteuer einführen würde, könnte das zum Beispiel Schweden gar nicht verhindern, weil es bewusst an seiner Währung festhält. Doch Finanzminister Anders Borg will trotzdem versuchen, die Euro-Länder davon abzuhalten. "Die Finanztransaktionssteuer funktioniert nicht. Damit würgt man nur sehr erfolgreich das Wachstum in Europa ab, und die Steuer würde auch die Kreditkosten für Schuldenstaaten erhöhen." Selbst innerhalb der Eurozone gibt es Bedenken. So befürchtet Luxemburg, dass Finanzinstitute die Steuer an die Kunden weitergeben würden - und gibt deswegen nur "gelbes Licht".

Griechenland, Italien - die politische Krise verschärft sich

Silvio Berlusconi neben Koalitionspartnern im Parlament (Foto: dapd)
Italiens Premier Berlusconi (M.) gilt in der EU längst als UnsicherheitsfaktorBild: dapd

Der Schwede Borg meint, die EU beschäftige sich zu viel mit Nebenkriegsschauplätzen wie eben der Transaktionssteuer. "Europa geht die Glaubwürdigkeit aus. Und die Lösung für die Krise hoher Schulden müssten geringere Schulden sein. Die Verantwortung dafür liegt bei den Staaten mit hohen Schulden, und das sind natürlich Griechenland und Italien." In beiden Ländern kommen im Moment Überschuldung und politische Krisen zusammen. Doch während in Griechenland die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit offenbar kurz bevorsteht, dauert in Italien die politische Unsicherheit an. Und damit droht auch dem großen Italien die Ansteckung durch das Griechenland-Virus.

Unerwünschte Ratschläge vom Nicht-Klubmitglied Großbritannien

Eine Brandmauer wollten die Euro-Staaten um gefährdete Länder wie Italien legen. Der britische Schatzkanzler George Osborne vermisst sie aber nach wie vor. "Es ist ja schön und gut zu sagen: 'Wir haben die Brandmauer'. Aber die Eurozone muss auch der Welt überzeugend darlegen, dass die Brandmauer existiert und dass sie über genügend Mittel verfügt."

Das sind allerdings genau die Worte, über die sich viele Euro-Regierungen so aufregen. Denn Großbritannien will zwar nicht dem Euro beitreten und sich auch möglichst an keinen Rettungsaktionen beteiligen, erteilt den Euro-Ländern aber fleißig Ratschläge, wie sie ihre Krise mit möglichst umfangreichen Steuermitteln beheben sollen. London ist auch der wohl schärfste Gegner einer Finanztransaktionssteuer.

Anreiz zum sparsamen Wirtschaften erhalten

Wie hoch die Brandmauer gegen Ansteckung ist, ist für den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble aber gar nicht die entscheidende Frage. "Es mangelt nicht an Investoren in der Welt, die gerne in Europa investieren möchten. Es mangelt an Vertrauen." Die Brandmauern seien wichtig "für die Übergangszeit". Daher auch die Banken-Rekapitalisierung und die bessere Nutzung des Rettungsfonds EFSF.

Schäuble ist aber bei alledem wichtig, "dass wir nicht die Anreizhebel verringern, die darauf hinwirken, dass alle Länder, zumindest der Eurozone, ihre Verpflichtungen zu einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik erfüllen." Schäuble reagierte damit auf Befürchtungen nicht zuletzt in Deutschland, die Eurozone werde am Ende fast bedingungslos Hilfe leisten und damit alle überfordern.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel

Redaktion: Tamas Szabo