1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Eskalation in Gaza

Diana Hodali19. Juli 2014

Die israelische Armee hat eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. Man wolle die Infrastruktur der Hamas schwächen. Aber will man sie auch komplett zerschlagen? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

https://p.dw.com/p/1Cf9T
Bodenoffensive mit Panzern in Gaza (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Was war der Auslöser für die Bodenoffensive Israels?

Sie begann noch vor der fünf Stunden langen humanitären Waffenruhe, der Israel am Mittwoch (16.07.2014) zugestimmt hatte, um es der Zivilbevölkerung in Gaza zu ermöglichen, sich mit Nahrungsmitteln und Medikamenten auszustatten. Am Donnerstag hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben möglicherweise einen folgenschweren Anschlag vereitelt. 13 schwer bewaffnete Hamas-Mitglieder sollen demnach bei Sufa durch einen Tunnel auf israelisches Staatsgebiet vorgedrungen sein. Sie hätten beabsichtigt, einen nahe gelegenen Kibbuz zu stürmen, hieß es. Die Angreifer konnten durch denselben Tunnel zurück in den Gazastreifen fliehen. In Israel vermutet man, dass es noch weitere Tunnel gibt.

Welche Ziele verfolgt die israelische Regierung mit der Bodenoffensive?

Einer Erklärung von Premier Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Moshe Jaalon zufolge wolle man die "Terrortunnel aus dem Gazastreifen nach Israel" zerstören. Da es keine Möglichkeit gebe, die Tunnel aus der Luft zu treffen, müsse das vom Boden aus geschehen, sagte Netanjahu. "Unser Hauptziel ist es allerdings, Sicherheit und Ruhe für unsere Bevölkerung herzustellen", fügte er hinzu. Man habe die israelische Armee angewiesen, notfalls den Einsatz der Bodentruppen auszuweiten. "Die Hamas soll keineswegs vernichtet, aber deutlich geschwächt werden", sagt Nahost-Experte Günter Meyer vom Zentrum für Arabische Studien in Mainz. Aus israelischer Sicht werde die Hamas weiterhin benötigt, so Meyer, denn Israel fürchte ein Machtvakuum, in das radikalere Dschihadisten stoßen könnten. Israels Außenminister Avigdor Lieberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett hatten schon lange eine Bodenoffensive gefordert und notfalls sogar, das gesamte Gebiet wieder zu besetzen.

Opfer in Gazas Krankenhäusern (Foto: AFP)
Die Zahl der Opfer in Gaza steigt weiter - über 260 Menschen wurden getötetBild: AFP/Getty Images

Wie reagiert die Hamas auf die Ausweitung der Militäroffensive Israels?

Die Hamas verurteilte die Bodenoffensive. Israel habe damit die Verhandlungen um einen Waffenstillstand zerschlagen, sagte ein Hamas-Sprecher. Der im Libanon lebende Hamas-Funktionär Osama Hamdan erklärte, diese Offensive werde die Zwei-Staaten-Lösung vollkommen zerstören: "Denn die Palästinenser werden kein Vertrauen mehr haben, dass die Israelis an einer politischen Lösung interessiert sind."

Was bedeutet die gesamte Offensive für die Bevölkerung des Gazastreifens?

"Die Zerstörung der ohnehin schon völlig unzureichenden Infrastruktur wird die Lebensbedingungen und den wirtschaftlichen Überlebenskampf der Bevölkerung weiter erschweren", sagt Nahost-Experte Meyer. Seit der Machtübernahme der Hamas im Jahr 2007 ist der Gazastreifen von Israel mit einer Blockade belegt. Auch Ägypten hält die Grenze geschlossen. Der Journalist Jürgen Todenhöfer war in den vergangenen Tagen in Gaza und in Israel. In einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin sagte er, er befürchte, dass "das Volk von Gaza zusammenbrechen wird. Es lebt dort in einem Käfig auf dem engsten Flecken der Welt". Die Rettungskräfte arbeiten rund um die Uhr, Krankenhäuser sind am Rande ihrer Belastbarkeit. Es fehlt an Medikamenten. Während der ersten Nacht der Bodenoffensive hat die israelische Armee auch das Al-Wafa-Krankenhaus unter Beschuss genommen. Nach israelischen Angaben hatten militante Gruppierungen in dem Krankenhaus Raketen gelagert. "Die fehlende Hoffnung auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse wird zu einer weiteren Radikalisierung im Gazastreifen führen und mehr Menschen als je zuvor in das Lager der radikalsten islamischen Gruppen treiben", so Meyer.

Demonstranten in der Türkei protestieren gegen den Angriff von Israel auf den Gazastreifen (epa)
Proteste in der Türkei gegen die israelische OffensiveBild: picture-alliance/dpa

Wie reagiert die internationale Staatengemeinschaft?

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte am Donnerstag, er bedauere es zutiefst, dass Israel sich dazu entschlossen habe, in den Gazastreifen einzumarschieren. Dieser Konflikt könne nicht militärisch gelöst werden, sagt er. US-Außenminister John Kerry erklärte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung und werde von den USA unterstützt. Kerry habe in einem Telefonat mit Netanjahu aber auch Schritte für eine Deeskalation des Konflikts angemahnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte ebenfalls das Recht Israels auf Selbstverteidigung und erklärte, Deutschland stehe in dieser Frage an der Seite Israels.

Die Türkei hat unterdessen eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Das teilte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Freitag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: "Wir verurteilen die von Israel nach den inhumanen Morden durch Luftangriffe begonnene Bodenoperation in Gaza aufs schärfste."

Was haben vorherige umfangreiche Militäroffensiven Israels im Gazastreifen gebracht?

Beim insgesamt dreiwöchigen Militäreinsatz von 2009 wurden nach UN-Angaben mehr als 1400 Palästinenser getötet, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Mehr als 6200 Häuser wurden zerstört. Auf israelischer Seite kamen 13 Menschen ums Leben. Die israelische Offensive schwächte die Hamas militärisch, aber nicht politisch. Das erklärte Ziel, den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen dauerhaft zu unterbinden, erreichte Israel nicht. Die aktuelle Militäroffensive ist die vierte im Gazastreifen seit Juni und November 2006 sowie Januar 2009.