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Eskalation im Nahostkonflikt

Kersten Knipp5. Oktober 2015

Die Gewalt auf israelischer und palästinensischer Seite nimmt zu. Beobachter warnen bereits vor einer dritten Intifada. Noch größere Sorgen bereitet ihnen aber eine andere Entwicklung.

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Polizisten nach einem attentat in Ost-Jerusalem, 03.10.2015 (Foto: Xinhua/JINI)
Bild: picture-alliance/Xinhua/Jini

Droht im Nahostkonflikt eine neue, eine dritte Intifada? Das ist die Frage, die angesichts der eskalierenden Gewalt der letzten Tage immer häufiger gestellt wird. Er sehe einige Parallelen zum Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000, erklärte der ehemalige palästinensische Chef-Unterhändler Saeb Erekat am Wochenende in einem palästinensischen Rundfunksender. Auch der israelische Geheimdienst Shin Bet schließt einem Bericht der israelischen Zeitung "Jerusalem Post" zufolge eine neue Intifada nicht aus - auch wenn er diese noch nicht endgültig gekommen sieht.

Klar ist aber: Die Gewalt hat in den vergangenen Tagen zugenommen. Am Wochenende kam es im Westjordanland und in Ost-Jerusalem wiederholt zu Zusammenstößen zwischen jungen Palästinensern und israelischen Soldaten und Polizisten. Die Palästinenser warfen Steine und Molotowcocktails, die israelischen Sicherheitskräfte reagierten mit scharfer Munition und Gummigeschossen. Auch mit extremistischen Siedlern im Westjordanland kam es zu Auseinandersetzungen. Am Montag flog die israelische Luftwaffe einen Angriff gegen den Gazastreifen. Von dort aus war zuvor eine Rakete nach Israel abgefeuert worden.

Zuvor waren bei drei Anschlägen von Palästinensern vier Israelis zu Tode gekommen, mehrere weitere wurden verletzt. Die Angreifer wurden von der israelischen Armee getötet. Überdies erschoss die Armee am Sonntag nach palästinensischen Angaben einen 18-jährigen Palästinenser bei Unruhen in Tulkarem im Nordwesten des Westjordanlandes. Mehrere andere Palästinenser wurden verletzt.

Proteste in Hebron im Westjordanland, 02.10.2015 (Foto: EPA)
Proteste in Hebron im WestjordanlandBild: picture-alliance/dpa/A. Hashlamoun

Religiöse Extremisten missbrauchen den Konflikt

Als besonders beunruhigend gilt, dass die Auseinandersetzungen zunehmend auch von religiösen Extremisten für ihre Zwecke missbraucht werden. Ein junger Palästinenser, der am Wochenende in der Altstadt von Jerusalem einen Israeli bei einer Messerattacke tötete, war Mitglied der dschihadistischen Organisation "Islamischer Dschihad". "Die dritte Intifada hat begonnen", soll er nach Informationen der israelischen Tageszeitung Arutz Sheva auf seiner Facebook-Seite geschrieben haben.

Zwar hat der "Islamische Dschihad" sich zu dem Angriff bislang nicht bekannt. Trotzdem fürchtet das mit der Politik im Nahen Osten befasste Internet-Magazin "Al Monitor", der Konflikt könne eine zunehmend religiöse Note gewinnen. "In einer Zeit, in der religiöse Fanatiker aller Seiten bei weiten Teilen der Bevölkerung an Zulauf gewinnen, wird auch der Nahost-Konflikt zunehmend von Organisationen wie dem Islamischen Staat (IS), Al-Kaida, Hisbollah, Hamas und anderen dominiert. Auch in Israel haben religiöse Eiferer entdeckt, wie einfach es ist, die ganze Region in Aufruhr zu versetzen."

Radikale gewinnen an Zulauf

Das es dazu kommen könnte, ist nicht ausgeschlossen. Denn auf beiden Seiten haben die Radikalen an Zulauf gewonnen. Im Gazastreifen geht die regierende Hamas seit Monaten gegen radikale Dschihadisten vor. Und in Israel und im Westjordanland ist das Militär immer häufiger auch in Auseinandersetzungen mit extremistischen Siedlern verwickelt.

Während die Radikalen in Israel zahlenmäßig begrenzt sind und nur einen kleinen Teil der Bevölkerung stellen, könnte der Konflikt auf arabischer Seite zur Mobilisierung in erheblich größerem Umfang missbraucht werden. "Zwar ist der Führung des IS, von Al-Kaida, der Hisbollah und ihresgleichen das Schicksal ihrer palästinensischen Brüder ziemlich gleichgültig", schreibt "Al-Monitor". "Aber sie nutzen den ungelösten Konflikt, um junge Araber und Palästinenser zu rekrutieren."

Israelisches Militär auf Patrouille in Nablus, 03.10.2015 (Foto: Reuters)
Israelisches Militär auf Patrouille in NablusBild: Reuters/A. Qusini

Nicht bereit zu Kompromissen

Unterdessen kritisiert die Zeitung "Jerusalem Post" das Vorgehen der Regierung Netanjahu. Dieser fiele nichts anderes ein, als neue Checkpoints zu errichten oder den Verkehr palästinensischer PKW auf sicherheitsrelevanten Straßen zu unterbinden. "Das sind taktische Lösungen kleingeistiger Menschen. Es besteht keine Bereitschaft, sich auf die Gesamtsituation, in anderen Worten: die strategische Realität einzulassen." Es sei verständlich, wenn die Palästinenser es ablehnten, mit den Verhandlungen nun wieder von vorne zu beginnen. "Sie wollen endlich wissen, wohin diese Verhandlungen führen werden."

Umgekehrt hätten aber auch die Palästinenser Chancen verpasst. So hätten sie den Stopp des Siedlungsbaus vor fünf Jahren nicht genutzt, die Gespräche ernsthaft voranzutreiben. "Ebenso wie Israel sind sie zu Kompromissen nicht bereit."