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Es wird ernst mit der Osterweiterung

Gerda Meuer9. Oktober 2002

Die Europäische Union ist mit dem Projekt der Erweiterung einen großen Schritt voran gekommen. Zehn weitere Länder sollen bis 2004 Mitglied der Union werden. Eine große Herausforderung für Europa, meint Gerda Meuer

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Noch nie in ihrer Geschichte hat die Europäische Union so viele Staaten auf einmal aufgenommen. Wenn man Rumänien und Bulgarien dazu nimmt, denen der Beitritt für 2007 in Aussicht gestellt wurde und vielleicht noch irgendwann die Türkei, dann wird sich die Zahl von derzeit 15 Mitgliedern in nicht allzu ferner Zukunft fast verdoppeln. Und zu den Neuen zählen vor allem arme Länder.

Das ist ein Abenteuer, wie alle wissen. Aber die wirtschaftliche Bewältigung schreckt die EU dabei weniger als die politischen Konsequenzen und Unsicherheiten. Denn die Erklärung der Beitrittsreife ist ein primär bürokratischer Akt: Die zehn Staaten vor allem aus Ost- und Südosteuropa haben es in jahrelangen Anpassungsprozessen geschafft, dem EU-Standard recht nahe zu kommen - oder zumindest so nahe, dass man ihnen die letzten Hürden auch noch zutraut. Da geht es um die Qualität des Wassers, die Hygiene in Schlachthäusern oder auch den Zustand der öffentlichen Verwaltung, um Korruption und die Rolle der Justiz.

Hingegen: so gut wie gar nichts sagt diese Beitrittsreife über das aus, was damit auf die neue, große EU ideell zukommmt, wie der "Geist Europas" sich mit den vielen Neubürgern aus dem Osten verändern wird. Denn dass es tatsächlich ernst wird mit der Vereinigung des Kontinents, das ist vielen seiner Bewohner noch nicht klar. Weder den Neuen, noch den Alten im Club. Wer weiß schon, wieviel an nationaler Souveränität Staaten aufzugeben bereit sind, die erst vor zehn Jahren ihre Unabhängigkeit erkämpft haben? Und wer weiß schon, wie die Menschen im jetzigen Kern-Europa reagieren, wenn ihnen klar wird, dass die Erweiterung nicht nur ein frommer Wunsch, sondern Realität ist.

In Umfragen hat sich immer wieder gezeigt, dass die Europäer mit einer Mischung aus Angst und Skepsis auf das Projekt blicken, dass ihnen von Brüssel aus präsentiert wird. Dort weiß man das auch: Vor einem Referendum zur Erweiterung, wie es Erweiterungskommissar Verheugen vor zwei Jahren einmal vorschlug, davor hat man im alten und im neuen Europa panische Angst.

Denn was dann passieren kann, das hat man in Irland gesehen: Dort haben die Iren vor einem Jahr dem Vertrag von Nizza, der die EU institutionell fit macht für ihre Erweiterung, eine deutliche Absage erteilt. In zehn Tagen wird das Referendum wiederholt, und in Brüssel blickt man mit Zittern auf diesen Termin. Denn ein erneutes Nein der Iren würde nicht nur den Fahrplan der Erweiterung gefährden, es würde auch zeigen, wie wenig die Idee von Europa bei den Menschen verankert ist.

Viel wird nun in den kommenden Wochen und Monaten davon abhängen, wie die EU weiter für ihr Projekt wirbt. Einerseits auf nationaler Ebene, denn die Aufnahme der neuen muss in den Parlamenten im Laufe des nächsten Jahres ratfiziert werden. Aber auch institutionell: Der Konvent für die Zukunft Europas denkt seit einem guten halben Jahr über die Form des neuen Europa nach. Eines ist jedoch klar: die Zeit der Unschuld ist für die Europäer vorbei. Jetzt wird es ernst.