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Es kann losgehen

Bernd Gräßler23. Dezember 2001

Wenige Stunden nach dem Amtsantritt der afghanischen Übergangsregierung unter Hamid Karsai am 22. Dezember hat der Bundestag der deutschen Beteiligung an der UN-Schutztruppe für das asiatische Land zugestimmt.

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Deutsche Soldaten bald auch am HindukuschBild: AP

Das Abstimmungsergebnis war deutlich: von 581 Abgeordneten stimmten 538 dem Regierungsantrag zu, 35 dagegen, acht enthielten sich der Stimme. Deutschland wird sich an der multinationalen Schutztruppe in Afghanistan beteiligen.

Nach Weihnachten könnten die ersten Bundeswehrsoldaten in Kabul eintreffen, wo sie laut Außenminister Joschka Fischer sechs Monate lang den Aufbau einer zivilen Ordnung sichern sollen: "Der Auftrag ist klar definiert als Stabilisierung der Übergangsregierung. Allein die Größenordnung lässt anderes nicht zu und es ist auch nicht intendiert."

Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht Deutschland in der Pflicht, nach der Bejahung und Unterstützung des amerikanischen Kampfeinsatzes in Afghanistan auch einen Beitrag zum friedlichen Wiederaufbau des Landes zu leisten. Es gehöre "zu den bitteren Wahrheiten", dass der Frieden in Afghanistan nur durch Krieg näher gerückt sei. Zugleich sei aber auch immer auf diplomatischem Wege eine Lösung gesucht worden. Der Kanzler betonte: "Die internationale Friedenstruppe ist also die Konsequenz politisch entschiedenen Handelns, ist die Konsequenz einer Solidarität, die ich - und ich bleibe dabei - uneingeschränkt genannt habe, weil sie sich auch auf den Gebrauch militärischer Mittel bezog."

Dem schlossen sich im Grundsätzlichen auch die Sprecher der anderen Fraktionen an. Die Bedingungen, die Deutschland an einen Einsatz seiner Soldaten gestellt habe, seien erfüllt, sagte Schröder. Zuletzt war es unter anderem darum gegangen, den Soldaten ein sogenanntes robustes Mandat zu erteilen, so dass sie sich nicht nur selbst schützen, sondern auch in Auseinandersetzungen eingreifen dürfen. Außerdem ist das Kommando der Sicherheitstruppe (International Security Assistance Force) von demjenigen des noch laufenden amerikanisch-britischen Kampfeinsatzes getrennt.

Allerdings sollen die Amerikaner im Notfall zu Hilfe eilen. Mehrere Abgeordneten der Grünen, die sich der Stimme enthielten, kritisierten, die neutrale Schutztruppe gerate in Gefahr, Konfliktpartei zu werden. Die PDS-Fraktion stimmte bis auf einen Abgeordneten geschlossen mit Nein. Der Fraktionschef der oppositionellen Linkssozialisten, Roland Claus, sagte: "Beide Missionen sind in der Tat vermischt, und wir haben etwas dagegen, dass die Öffentlichkeit schleichend daran gewöhnt wird, dass zuerst bombardiert wird, und dann die UNO die Scherben einzusammeln hat."

Die Oppositionsparteien CDU, CSU und FDP forderten erneut mehr Geld für die Bundeswehr. Sie verknüpften mit ihrer Zustimmung zum erneuten Auslandseinsatz die Aufforderung an den Kanzler, klarzustellen, welche Rolle Deutschland künftig im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu spielen habe.

"Was sind die realistischen Kosten eines solchen deutschen Beitrags und wie bringen wir sie auf? Und schließlich, welche Perspektiven und welche Sicherheit haben unsere Soldaten künftig in ihrem Beruf? Auf diese Fragen, Herr Bundeskanzler, müssen Sie Antwort geben, und denen können Sie nicht ausweichen," sagte Friedrich Merz.

Der CDU-Verteidigungsexperte Paul Breuer erinnerte daran, dass der Bundestag zum fünften Mal in diesem Jahr einen Einsatzbeschluss fasse, obwohl bei der Bundeswehr ernsthafte Ausrüstungslücken bestünden. So sei man beim Transport auf die Amerikaner angewiesen.

Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping lehnte es erneut ab, dass Deutschland in drei Monaten Großbritannien bei der Führung der Afghanistan-Schutztruppe ablöst. Man verfüge dazu derzeit weder über Struktur und Mittel. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte in einem Zeitungsinterview am Wochenende, dass man mit der
Afghanistan-Mission an die Grenze dessen gekommen sei, was Deutschland derzeit leisten könne.