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Es geschah in seinem Granada – Lorcas Weg in den Tod

Steffen Leidel 4. November 2008

Der Dichter Federico García Lorca liebte das Landhaus der Familie bei Granada. Viele Sommer verbrachte er dort. Auch im Juli 1936 reiste er in die Huerta San Vicente. Das Unheil nahm seinen Lauf. Eine Spurensuche.

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Huerta San Vicente, Landhaus von Federico García Lorca
Bild: Fundación García Lorca

Der letzte Sommer des Poeten

Ein Bild des Landhauses der Familie Lorca, die Huerta San Vicente, aus glücklichen Tagen im Jahr 1931. Fast alle Sommer verbrachte die Familie hier mit Verwandten und Freunden. In der Idylle fand Federico Inspiration für sein Schreiben. Als er am 14. Juli 1936 zum letzten Mal nach Granada reist, stehen die Zeichen bereits auf Krieg. Nur vier Tage später erhebt sich das Militär unter dem Kommando von General Francisco Franco gegen die Republik. Granada fällt schnell. Die Familie Lorca erhält Todesdrohungen. Über den berühmten Sohn sagen die Faschisten, er habe mit seiner Feder mehr Schaden verursacht als andere mit ihrer Pistole. Ihnen ist er als als Dichter, Homosexueller und Befürworter der Republik verhasst.

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Huerta San Vicente, Landhaus Familie Lorca in Granada
Bild: Steffen Leidel

Später Frieden

Nur durch ein Wunder konnte das Landhaus der Lorcas vor dem Abriss bewahrt werden. Granada dehnte sich aus, Betonbauten legten sich wie eine Schlinge um die historische Altstadt und fraßen sich in die fruchtbare Ebene. Anfang der 1990er Jahre renovierte die Stadt das Landhaus und ließ um das Gebäude einen Park anlegen. Heute ist die Huerta San Vicente ein Museum. Die Räume sind originalgetreu eingerichtet worden.

Schreibzimmer des Dichters Federico García Lorca in der Huerta San Vicente, Landhaus Familie Lorca in Granada
Bild: Steffen Leidel

Das Zimmer des Dichters

Viele seiner Werke schreibt García Lorca an dem Schreibtisch in seinem Zimmer in der Huerta San Vicente. In seinem letzten Sommer will er eine Reise nach Mexiko vorbereiten, wo seine Stücke Yerma und Bluthochzeit aufgeführt werden sollen. Doch schon Ende Juli wird die Situation für ihn unerträglich. Die Faschisten nehmen Manuel Fernández Montesino fest, linker Bürgermeister von Granada und Mann seiner Schwester Concepción. Lorca beschließt im Haus des jungen Dichters und Freundes Luis Rosales Schutz zu suchen. Zwei Brüder von Rosales gehören zu den bekanntesten Falangisten der Stadt. Deshalb hofft Lorca einer Verhaftung zu entgehen. Vergebens.

Landschaft in der Nähe des Bergdorfes Viznar, Granada
Bild: Steffen Leidel

Der Weg in den Tod

Am 16. August 1936 wird Lorca von den Schergen des gefürchteten Verhaftungskommando "Escuadra Negra" im Haus des Freundes Rosales festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Am gleichen Tag wird der Mann von Lorcas Schwester, Manuel Fernández Montesino, vor der Mauer des Friedhofs von Granada erschossen. Am 18. August wird Lorca dann zusammen mit dem einbeinigen Dorfschullehrer, Dióscoro Galindo, auf einem Lastwagen nach Viznar gefahren, dem Ort seines Todes.

Früheres Schullandheim La Colonia bei Viznar, Granada
Bild: Steffen Leidel

Die Todesnacht

Heute stehen nur noch die Fundamente des ehemaligen Schullandheims "La Colonia" an der idyllischen Straße zwischen den Dörfern Víznar und Alfacar. Vor dem Bürgerkrieg verbrachten hier Schüler die heißen Sommertage. Danach wurde das Gebäude von den Faschisten als provisorischer Todestrakt benutzt. Wer nach "La Colonia" kam, war dem Tode geweiht. Der Dichter Lorca verbrachte hier seine letzte Nacht zusammen mit dem Dorfschullehrer Dióscoro Galindo und den Gewerkschaftern Francisco Galadí und Joaquín Arcollas Cabezas. Bis zuletzt soll Lorca nicht an eine Hinrichtung geglaubt haben. Als diese Gewissheit war, ließ er sich von einem der Wärter die letzte Beichte abnehmen.

Strasse bei Viznar
Bild: Steffen Leidel

Der Spaziergang

"Gehen wir spazieren!" Diesen Satz sprachen die Henker, wenn der Zeitpunkt der Hinrichtung gekommen war. Die Gefangenen mussten auf der Straße "spazieren", um dann hinterrücks erschossen zu werden. Bis zu 3000 Republikaner sollen so auf der Straße zwischen Víznar und Alfacar gestorben sein, auch Lorca. Wie der irische Historiker Ian Gibson dokumentiert hat, brüstete sich einer der Mörder des Dichters nach der Hinrichtung in einer Bar in Granada dafür. "Wir haben Federico García Lorca getötet. Ich habe dem Schwuchtel zwei Kugeln in den Hintern gejagt", sagte Juan Luis Trescastro in der Bar Pasaje.

Unter dem Olivenbaum soll der Dichter Federico Garcia Lorca zusammen mit drei anderen Männer vergraben sein.
Bild: Steffen Leidel

Die mutmaßliche Grabstelle

Unter diesem Olivenbaum soll der Dichter Federico García Lorca zusammen mit dem Dorfschullehrer Galindo und den Gewerkschaftern Galadí und Cabezas verscharrt worden sein. Der einzige Zeuge dafür war der Totengräber selbst: Manuel Castilla, genannt der Manolillo, der Kommunist. Er überlebte durch Zufall. Die Faschisten hatten ihn dafür ausgewählt, die Opfer zu begraben. In den 1960er Jahren zeigte er dem Historiker Ian Gibson diesen Ort. In den 1980er Jahren errichteten die Behörden einen Gedenkstein und bauten den Park Federico García Lorca. Dennoch gibt es Zweifel, dass hier tatsächlich die Gebeine der Opfer liegen. Fragen kann man Castilla nicht mehr. Er ist seit langem tot.

Mutmaßliche Grabstelle des Dichters Federico García Lorca, Viznar
Bild: Steffen Leidel

Die echte Grabstelle?

Dieser Ort, genannt "El Caracolar", liegt nur wenige hundert Meter von der anderen Grabstelle entfernt. Er sieht ihr zum Verwechseln ähnlich. Experten vermuten, dass sich der Zeuge Castilla getäuscht haben könnte. Als er mit Ian Gibson in den 1960er Jahren in die Gegend kam, war er sehr nervös. Es war mitten in der Franco-Zeit und über die Gräueltaten im spanischen Bürgerkrieg zu forschen war verboten.

Mutmaßliche Grabstelle Caracolar von Federico Garcia Lorca
Bild: Steffen Leidel

Der Stein der Totengräber

Francisco Vigueras hat das Leben der drei Männer erforscht, die mit Lorca starben. Vigueras, Mitglied in der "Vereinigung für die Wiederherstellung des Historischen Gedächtnisses", glaubt, dass die vier Männer an dem Ort "El Caracolar" verscharrt worden sind. Er zeigt einen großen Stein zwischen den Olivenbäumen. "Die Totengräber markierten die Gräber mit einem Stein", sagt er. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass hier Gräber zu vermuten sind. Ob auch Lorcas Grabstelle darunter ist, kann aber nur durch eine Grabung festgestellt werden.

Sonnenuntergang an der Schlucht von Viznar bei Granada
Bild: Steffen Leidel

Die Massengräber von Víznar

Dieser erdige Weg führt hinauf zu einem der größten Massengräber Spaniens. Der Ort liegt nur wenige hundert Meter von der mutmaßlichen Grabstelle des Poeten Lorca entfernt. Bis zu 3000 Republikaner sollen über den Berg verstreut in Massengräber ruhen. Von den meisten kennt man nicht einmal die Namen.

Gedenkstein für den Dichter Federico García Lorca am Massengrab von Viznar
Bild: Steffen Leidel

"Alle waren Lorca"

Auf dem Gedenkstein am größten Massengrab von Viznar steht "Lorca eran todos" (Alle waren Lorca). Dies ist auch im Sinne der Lorca-Familie. Sie möchte nicht, dass Lorca aufgrund seiner Berühmtheit über die anderen Opfer gestellt wird.