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"Es beruhigt unsere Bürger"

23. April 2002

- Tschechische Parteien einigen sich auf weitere Gültigkeit der umstrittenen Benes-Dekrete

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Prag, 22.4.2002, RADIO PRAG, deutsch, Marketa Mauvová

Der Text einer gemeinsamen Erklärung der tschechischen politischen Repräsentanz zu den Benes-Dekreten ist fertig. Auf das eine Seite umfassende Dokument haben sich am Freitag (19.4.) die Vorsitzenden aller fünf Parlamentsparteien geeinigt. Markéta Maurová berichtet:

Die Benes-Dekrete werden nicht aufgehoben, sie gehören jedoch der Vergangenheit an und können heute nicht mehr geltend gemacht werden. In diesem Sinne lautet eines der Prinzipien der gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden der fünf Parlamentsparteien, die sich darauf während ihres gemeinsamen Treffens mit Außenminister Jan Kavan am Freitag (19.4.) geeinigt haben. Der Text wird nun von den Parteiführungen erörtert und am kommenden Donnerstag sollen die Abgeordneten in einer Plenarsitzung darüber abstimmen. Der sozialdemokratische Parteichef Vladimir Spidla dazu:

"Ziel ist es, dass das Abgeordnetenhaus als Repräsentant des politischen Willens des gesamten tschechischen Staates einen deutlichen Standpunkt zu dieser empfindlichen Sache zum Ausdruck bringt."

Außenminister Jan Kavan betonte, dass die Tschechen keine Enteignungen fürchten müssen und andererseits, dass Europa keine Angst vor der Tschechischen Republik haben müsse. Ihm zufolge entsende das Dokument zwei Signale:

"Erstens beruhigt es unsere Bürger, dass nichts geändert wird, dass ihr Besitz nicht bedroht ist und niemand die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges anzweifelt. Und das zweite an das Ausland gerichtete Signal ist, dass wir keine Gesetzgebung haben, die neue Rechtsverhältnisse schaffen würde, unseren EU-Beitritt verhinderte, im Widerspruch zu den Acquis Communitair stünde, jemanden gefährden oder diskriminieren würde."

An der Vorbereitung des Dokuments haben sich von Anfang an auch die Kommunisten beteiligt. D.h., dass es mit der Unterstützung aller wichtigen politischen Kräfte im Lande entstanden ist. Der kommunistische Parteichef Miroslav Grebenicek:

"Alle Hauptakteure haben sich am Dokument aktiv beteiligt. Ich gestatte mir sogar zu sagen, dass es offenbar zu einem gegenseitigen Respekt und Entgegenkommen bei der Beurteilung von Details kam."

Sollte der Text keine wesentlichen Korrekturen erfahren, wird das Abgeordnetenhaus erklären, dass die Dekrete als Folge der Niederlage des Nazismus entstanden seien. Die Nachkriegsgesetze und -dekrete seien in der Zeit nach deren Annahme realisiert worden und heute könnten auf deren Grundlage keine neuen Rechtsverhältnisse entstehen. Die Rechts- und Besitzverhältnisse, die daraus folgten, seien nicht anzweifelbar, unberührbar und unveränderbar. (fp)