1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ich wäre dankbar für deutsches Engagement"

Dirke Köpp / Cécile Leclerc19. Januar 2014

Zentralafrikas Erzbischof Dieudonné Nzapalainga wirbt in Europa um Hilfe für sein Land, das von einer Welle der Gewalt verwüstet wird. "Höchste Zeit für Truppen und Geld", sagt der Monseigneur im DW-Exklusivinterview.

https://p.dw.com/p/1AtJv
Monseigneur Dieudonné Nzapalainga, Erzbischof von Bangui (Foto: DW)
Bild: DW/C. Leclerc

DW: Monseigneur Nzapalainga, die EU will 500 Soldaten in die Zentralafrikanische Republik (ZAR) entsenden. In Deutschland wird jetzt darüber diskutiert, wie man Ihrer Heimat helfen kann. Es geht konkret um Transportflugzeuge und Luftbetankung für einen europäischen Militäreinsatz. Was erhoffen Sie sich vom deutschen Engagement?

Monseigneur Dieudonné Nzapalainga: Frankreich unterhält die Mission Sangaris, daneben gibt es die afrikanische Eingreiftruppe MISCA, und Frankreich sollte bei seiner Mission unterstützt werden. Ich erwarte von Deutschland, dass es sich Frankreich annähert. Frankreich ist bereits vor Ort tätig und weiß, was dort benötigt wird, damit die Sicherheit schnell wiederhergestellt werden kann. Damit die Menschen schnell wieder einen Alltag haben, damit das Land wiederaufgebaut werden kann. Der zentralafrikanische Staat existiert nicht mehr. Es gibt nur noch einen Phantomstaat. Deutschland könnte Frankreich militärisch und finanziell unterstützen, und es kann dabei helfen, wieder sicheren Zugang zu Nahrungsmitteln zu gewährleisten.

Wenn Deutschland also Transportflugzeuge schickt, bin ich sehr dankbar. Denn bislang sind vor allem afrikanische Soldaten vor Ort. Doch die afrikanischen Armeen sind oft nicht so gut ausgestattet wie die europäischen. Wir haben den Unterschied zwischen den afrikanischen Soldaten und denen der französischen Mission Sangaris gesehen, was die Ausstattung mit Flugzeugen oder Fahrzeugen angeht. Deutschland sollte Frankreich daher in seiner Mission unterstützen.

Französische Soldaten in Bangui, Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, 04.01.2014 (Foto: AFP/Getty Images)
Französische Soldaten in Bangui, Hauptstadt der Zentralafrikanischen RepublikBild: Miguel Medina/AFP/Getty Images

Dann reichen also die Missionen Sangaris und MISCA nicht aus, um die Sicherheit wiederherzustellen?

Ich habe großen Respekt vor den Soldaten, die in meinem Land sind, um es zu stabilisieren, und die helfen, die Gewalt so weit unter Kontrolle zu halten, dass man zumindest von einer prekären Ruhe sprechen kann. Aber diese Kräfte reichen einfach nicht aus: Unser Land ist 623.000 Quadratkilometer groß (also fast so groß wie Frankreich, d. Red.)! In weiten Teilen gibt es Seleka-Rebellen, die sich wie große Herren aufführen. Wer kümmert sich um die Zivilbevölkerung dort? Werden die Menschen dort massakriert, verfolgt, gefoltert oder getötet? Es ist höchste Zeit, dass die internationale Gemeinschaft Truppen und Geld bereitstellt, um der hilflosen Bevölkerung beizustehen.

Die ersten Soldaten werden aber sicher nicht vor Ende Februar dort sein. Ist das nicht zu spät?

Ich hoffe inständig, dass es nicht zu lange dauert! Denn das Land braucht dringend Hilfe. Der neue Übergangspräsident und sein Premierminister werden Unterstützung brauchen. Wie sollen sie ihre Autorität ausspielen, wenn es überall Milizen gibt, die sich nicht darum kümmern, was die Regierung in Bangui sagt, weil sie am anderen Ende des Landes sind? Die Zentralafrikanische Republik darf kein Niemandsland werden. Sonst könnte die ganze Region destabilisiert werden: Die Zentralafrikanische Republik hat Grenzen mit sechs afrikanischen Ländern. Wir wollen nicht, dass das Land eine Brutstätte oder ein Rückzugsort für bewaffnete Gruppen und Söldner wird.

Aber sind wenige hundert EU-Soldaten nicht viel zu wenig?

Ich bin sehr dafür, dass die Missionen Sangaris und MISCA so schnell wie möglich zu einer UN-Mission werden. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass es dann mehr Soldaten und mehr Geld gibt - auch für die Verwaltung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Wahlen unter guten Bedingungen stattfinden können, und dass die, die gewählt werden, breite Unterstützung finden. Die Menschen in den Dörfern und Regionen müssen darüber reden, was geschehen ist und wie es dazu gekommen ist. Diejenigen, die Straftaten begangen haben, müssen bestraft werden. Die anderen müssen wieder integriert werden. Einen solchen Prozess können Blauhelm-Soldaten sicher unterstützen.

Erzbischof Dieudonné Nzapalainga segnet Flüchtlinge nach der Messe, 08.12.2013 (Foto: AFP/Getty Images)
Erzbischof Dieudonné Nzapalainga segnet Flüchtlinge nach der MesseBild: Sia Kambou/AFP/Getty Images

Es ist schwer, nach all den Grausamkeiten und Massakern das Vertrauen zwischen den Religionsgemeinschaften wiederherzustellen. Sie engagieren sich bereits seit mehreren Monaten gemeinsam mit anderen religiösen Führern mit einer Friedensbotschaft - bislang aber ohne großen Erfolg.

Leider gibt es Menschen, die gegen unsere Botschaft arbeiten. Leute, die um alles in der Welt die Macht haben wollen und daher junge Leute als Kanonenfutter benutzen. Aber wir haben unsere Botschaft. Wenn einer von uns religiösen Führern seine Gemeinschaft zum Krieg aufrufen würde, würde es zu einer neuen Katastrophe kommen: zu einem Genozid. Aber wir halten zusammen und verbreiten unsere Botschaft gegen allen Gegenwind. Wir können unser Land nur durch Brüderlichkeit, Dialog und Zusammenhalt wieder aufbauen.

Die Vereinten Nationen haben sogar vor einem Genozid in der Zentralafrikanischen Republik gewarnt. Wie beurteilen Sie diese Befürchtungen?

Man muss die Genozid-Warnungen ernst nehmen. Denn die Menschen sind in einem Stadium, in dem sie nichts mehr aufhalten kann: Sie haben alles verloren, keine Hoffnung mehr, ihr Leben hat oftmals keinen Sinn mehr. Viele sind zu allem bereit. Davor müssen wir uns fürchten. Denn diese Gefühle können sich verselbständigen und gegen eine bestimmte Gruppe richten. Und da der Anschein erweckt wird, es herrsche Krieg zwischen Christen und Muslimen, müssen wir aufpassen und laut "Nein" sagen. Denn sonst kommt es tatsächlich zu Massakern zwischen den Gemeinschaften.