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Erster Umbau des Medgyessy-Kabinetts

5. März 2003

- Péter Kiss löst Namensvetter ab

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Budapest, 3.3.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Dénes Vajta

Premier Péter Medgyessy hat den Rücktritt von Kanzleramtsminister Elemér Kiss zum Anlass genommen, mehrere Änderungen in seinem Kabinett vorzunehmen. Der bisherige Arbeitsminister Péter Kiss wurde zum Nachfolger des zurückgetretenen Kanzleramtsministers ernannt. Dessen Position wird in Zukunft vom bisherigen Staatssekretär im Finanzministerium, Sándor Burány, bekleidet. Weiterhin kündigte Medgyessy an, dass ab Mai Endre Juhász, Ungarns Chefunterhändler in Brüssel, als Minister ohne Geschäftsbereich ein neues Amt zur Koordination des EU-Beitritts leiten werde.

Die Debatte auf der Parlamentssitzung wurde vom Rücktritt von Elemér Kiss beherrscht. Die Opposition bezeichnete es als "skandalös", dass sich der zweite Mann der Regierung in eine "korruptionsverdächtige Affäre" verwickeln konnte. SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) -Vorsitzender Gábor Kuncze wies die Kritik entschieden zurück und brachte vor, dass die Opposition in ähnlich gelagerten Fällen überhaupt nicht gehandelt habe, wie beispielsweise den Dunaferr (Stahlwerk - MD)-Aufträgen an die Firma des Vaters von Viktor Orbán und die staatlichen Aufträge an das Rechtsanwaltsbüro von Außenminister János Martonyi. Justizminister Péter Bárándy sprach sogar von einem Paradigmenwechsel. Bereits im Fall des Korruptionsverdachts müsse ein Politiker handeln.

Bei der Neubesetzung des Postens des Kanzleramtsministers fiel zunächst der Name von Tibor Draskovics, derzeit Kabinettschef von Premier Medgyessy. "Damit das Kabinett weiterhin gut funktioniert", setzte sich Medgyessy jedoch für ein Verbleiben von Draskovics ein und durch. Neuer Kanzleramtsminister wurde schließlich der bisherige Arbeitsminister Péter Kiss, der nicht nur innerhalb der MSZP (Ungarische Sozialistische Partei- MD) einen guten Ruf als Experte genießt. Die erste Position im Arbeitsministerium wird wiederum vom bisherigen Staatssekretär im Finanzministerium, Sándor Burány, weitergeführt. Dessen Posten wird der MSZP-Politiker János Veres übernehmen, der bisher den Vizevorsitz des Budgetausschusses inne hatte.

Unmittelbar nach Bekannt werden der Umbesetzungen nahm die FIDESZ (Bund Junger Demokraten- MD)-nahe Zeitung "Magyar Nemzet", die auch den Stein in der Affäre Kiss ins Rollen gebracht hatte, Wirtschaftsminister István Csillag aufs Korn. Er soll seinem früheren Arbeitgeber, des Finanzforschungsinstituts Pénzügykutató Rt., satte Aufträge zugeschanzt haben, hieß der Vorwurf. Csillag wies jedoch darauf hin, dass die Pénzügykutató bereits unter der Regierung von Viktor Orbán Regierungsaufträge in ähnlicher Höhe erhalten hatte. Um weiteren Angriffen gegen andere Mitglieder der Regierung die Spitze zu nehmen, veröffentlichte das Kanzleramt eine Zusammenstellung über die persönliche Verflechtung von Regierungsmitgliedern mit der Privatwirtschaft.

Der Vorsitzende der Rechtsanwaltskammer, János Bánáti, entlastete wiederum die Handlungen von Elemér Kiss. Er erklärte, dass es nach bisheriger Praxis nicht üblich war, dass Rechtsanwälte, die ein politisches Amt übernehmen, ihre eventuellen Anteile an einem Rechtsanwaltsbüro abtreten. Sie würden sich weiterhin an den Unterhaltungskosten beteiligen. Lediglich an einem möglichen Gewinn wären sie nicht mehr beteiligt.

Medgyessy betonte, dass seine Regierung weiterhin einen hohen moralischen Maßstab ansetzen werde, weil "wir ein sauberes und anständiges Ungarn wollen". Außenminister und MSZP-Vorsitzender László Kovács befand, dass die Regierung mit der Art und Weise der Beilegung des Falls Kiss ihre Prüfung in "Anstand und europäischer politischer Kultur" mit "ausgezeichnet" bestanden habe. Er hob hervor, dass die Regierung, obwohl formaljuristisch kein Rechtsbruch vorgelegen hatte, bereits mit Blick auf die moralische Fragwürdigkeit gehandelt habe.

Der Koalitionspartner SZDSZ stand während der gesamten Krise geschlossen hinter der MSZP. Kritik übte die Partei lediglich daran, dass sie von Premier Medgyessy vor der Entscheidung, den bisherigen EU-Botschafter Endre Juhász zum Minister ohne Geschäftsbereich zu ernennen, nicht konsultiert worden sei.

Medgyessy entschuldigte sich und gab zu, dass der Koalitionsvertrag tatsächlich eine Abstimmung der beiden Partner verlangt hätte. Der MSZP-Vorsitzende László Kovács spielte die Frage herunter. Seiner Meinung nach ging es bei dem kritisierten Schritt nicht um die Errichtung eines neuen Ministeriums, es wurde lediglich eine Person bestimmt, die kompetent genug sei, die letzte Phase der EU-Integration Ungarns erfolgreich zu lenken.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Médian hält die Mehrheit der Befragten die Abdankung von Elemér Kiss für notwendig. Nur ein Viertel der Bevölkerung findet es akzeptabel, dass ein Rechtsanwaltsbüro staatliche Aufträge bekommt, an dem ein Minister als Eigentümer beteiligt ist. Diese Meinung wird von der Anhängern beider großen Parteien gleichermaßen geteilt.

Im allgemeinen wurde der Regierung im Zusammenhang mit der Affäre Kiss ein gutes Zeugnis ausgestellt. Nur ein knappes Viertel der Befragten sei der Meinung, dass die Affäre die Korrumpierbarkeit der Regierung beweise, während mehr als die Hälfte die Abdankung des Ministers für eine entsprechende Lösung befand. 34 Prozent der Befragten halten die Regierung Orbán für die korrupteste aller Regierungen seit der Wende, genau so viele wie die anderen Regierungen zusammen. Die Regierung Medgyessy wird nur von sechs Prozent der Befragten für die bisher korrupteste Nachwenderegierung gehalten – der besten Bewertung aller Kabinette seit 1990. (fp)