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"Erst kommt das Fressen, dann die Moral"

Christoph Wanner3. April 2002

Unabhängige Berichterstattung ist ein Fremdwort in der Ukraine. Wie und warum sich die Journalisten vor den Karren der Politiker spannen lassen, schildert Christoph Wanner.

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In der Ukraine liegt der Durchschnittsverdienst bei 60 US-Dollar im Monat. Auch Presseleute sehen in der Regel nicht viel mehr. Da ist für die Journalisten-Ethik häufig kein Platz. Rund um die Parlaments- und Kommunalwahlen sticht das in der Ukraine besonders ins Auge. Egal wie er heißt, egal was er sagt, Hauptsache er zahlt.

Die Rede ist vom Nebenjob-Arbeitgeber in der ukrainischen Provinz. Der ist bei Fernseh-Journalisten rund um die Wahlen oft ein Politiker. Männer ohne Geldsorgen. Häufig sogenannte „bisnessmeni", neu-reiche Geschäftsleute, manchmal auch aus der Halbwelt. Sie wollen Bürgermeister oder Landrat werden, haben meist aber keine Ahnung, wie sie sich benehmen sollen, oder wie das Vertauen der Wähler zu ergattern ist.

Für Journalisten ist das die Chance, ein paar Dollar extra zu machen. Sie arbeiten als Wahlmanager, zeigen „ihrem" Politiker, medienwirksames Auftreten. Und wenn der richtig spendabel ist, macht auch schon mal der ganze Lokalsender mit und läßt den Wahlspot des Gegners unter den Tisch fallen.

Das ist in der Ukraine übrigens auch bei den großen Sendern Praxis. Nur weniger finanziell als politisch motiviert. Denn die wichtigen Sender kontrollieren Kutschmas Leute. Alles was gegen die Interessen des Präsidenten läuft, wird einkassiert. Auch hier spielen die Journalisten eine wichtige Rolle. Entweder sie machen mit, berichten pro Kutschma und dessen Partei oder sie landen auf der Straße. Und kriegen also noch nicht einmal mehr den Durchschnittslohn.