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Erneuter Überraschungsbesuch in Afghanistan

16. Juli 2010

Die Intervalle, in denen Verteidigungsminister zu Guttenberg Afghanistan besucht, werden immer kürzer, die Lage immer ernster. Der Minister rechnet mit weiteren deutschen Gefallenen in den nächsten Monaten.

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Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg im deutschen Feldlager in Kundus (Foto: DW)
Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg im deutschen Feldlager in KundusBild: DW

In der Nacht zu Freitag (16.07.2010) traf Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Hauptquartier der internationalen Schutztruppe ISAF für Nordafghanistan in Masar-i-Scharif ein. Dort wurden 40 neue US-Hubschrauber für die Nordregion in Betrieb genommen; Hubschrauber, die die Bundeswehr in logistischen Dingen, etwa beim Transport von Verwundeten, unterstützen sollen. Danach reiste der Verteidigungsminister weiter nach Kundus.

Gefährlichster Einsatzort der Bundeswehr

Taliban in Afghanistan (Foto: dpa)
"Immer professioneller" werden die Angriffe der Taliban auf die deutsche BundeswehrBild: picture-alliance/dpa

Im dortigen deutschen Feldlager informierte er sich bei den Soldaten über die Lage am gefährlichsten Einsatzort der Bundeswehr. In den vergangenen Wochen haben die Angriffe der Taliban auf die deutschen Soldaten weiter zugenommen. Zu Guttenberg zeigte sich besorgt darüber, dass die Aufständischen dabei immer professioneller vorgingen. Für den Verteidigungsminister ist es bereits die vierte Afghanistan-Reise seit seinem Amtsantritt vor knapp neun Monaten. Er wolle mit seinem Truppenbesuch vor allem zur Motivation der Bundeswehrsoldaten in einer kritischen Phase ihres Einsatzes beitragen. Er sei nach Afghanistan gekommen, "um den Soldaten die Unterstützung der Bundesregierung zu übermitteln", sagte der Verteidigungsminister. Die Soldaten in Kundus hätten zunehmend das Gefühl, die deutsche Bevölkerung interessiere sich nur für ihre Nationalelf, nicht für ihre Soldaten. Auch den Soldaten selbst müsse besser vermittelt werden, welche Ziele sie am Hindukusch verteidigten: "Schließlich waren viele am 11. September 2001 erst neun oder zehn Jahre alt."

Bei seinem Besuch betonte zu Guttenberg die entscheidende Rolle der Afghanen bei der Stabilisierung ihres Landes. "Die Bundesregierung erwartet Signale, die auch von Afghanistan selbst ausgehen müssen", sagte er mit Blick auf eine internationale Konferenz in den nächsten Tagen in Kabul. Dort soll eine Zwischenbilanz der Fortschritte seit dem Strategiewechsel gezogen werden, der im Januar in London beschlossen wurde. Um die afghanische Regierung dabei zu unterstützen, will die Bundeswehr noch im Sommer die Ausbildung afghanischer Soldaten in der Fläche ausweiten. Dafür war die Höchstgrenze für das deutsche Bundeswehrkontingent im Februar von 4500 auf 5250 Soldaten angehoben worden.

Neue Waffen für eine effektivere Aufstandsbekämpfung?

In Kundus ließ sich der Minister auch zwei neue Panzerhaubitzen vorführen, die den Soldaten erst seit einigen Wochen zur Verfügung stehen. Die Bundeswehr hatte sie einige Tage zuvor erstmals gegen die Aufständischen eingesetzt. Die schweren Artilleriegeschütze sind die schwersten Waffen, über die die Bundeswehr am Hindukusch verfügt. Die beiden 155-Millimeter-Kanonen können 40 Kilometer weit schießen und selbst auf diese Entfernung auf 30 Meter genau treffen. Die Geschütze seien "eine wichtige Waffe, um dort wirken zu können, wo man wirken muss", sagte zu Guttenberg, der die lange umstrittene Verlegung der Haubitzen nach Kundus im April angeordnet hatte.

Bundeswehrsoldaten der ISAF-Truppe bei einer Trauerfeier zum Abschied ihrer vier gefallenen Kameraden im April 2010. (Foto: dpa)
Bundeswehrsoldaten der ISAF-Truppe bei einer Trauerfeier zum Abschied ihrer vier gefallenen Kameraden im April 2010.Bild: picture-alliance/dpa

Trotz der verbesserten Ausrüstung hatte der Minister die Bundeswehr noch kurz vor seiner Reise auf weitere Verluste in Afghanistan eingestellt. Man müsse "auch in diesem Sommer mit Gefallenen rechnen", hatte er am Mittwoch am Rande einer Buchvorstellung in Berlin gesagt. Denn die Sicherheitslage habe sich in einigen Bereichen erheblich verschlechtert. "Der Einsatz wurde von Beginn an verharmlost", kritisierte zu Guttenberg. Auch er selbst habe die Situation am Hindukusch lange unterschätzt. Das habe sich allerdings geändert. "Ich spreche seit geraumer Zeit von Krieg und lasse mich von dieser Begrifflichkeit auch nicht abbringen."

Besuch deutscher Kampftruppen kurzfristig abgesagt

Wie zur Bestätigung dieser Aussagen musste der Verteidigungsminister einen geplanten Besuch deutscher Kampftruppen in der nordafghanischen Unruheprovinz Baghlan kurzfristig abbrechen. Die Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe waren in Gefechte mit den radikal-islamischen Taliban verwickelt worden, kurz bevor zu Guttenberg bei ihnen landen sollte. Auf Empfehlung des Kommandeurs der Truppe kehrte er daraufhin ins Feldlager Kundus zurück. Es wäre der erste Besuch Guttenbergs eines Truppenteils in Afghanistan außerhalb der Feldlager gewesen. "Sicherheit geht vor, auch für die Männer vor Ort", sagte zu Guttenberg. Er sei aber zuversichtlich, den Besuch zu einem anderen Zeitpunkt nachholen zu können.

Autor: Thomas Latschan (dpa, rtr)
Redaktion: Nicola Reyk