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Erneute Streiks in Deutschland

5. Juni 2002

Die Streikwelle hat Deutschland wieder. Durch Warnstreiks bei der Deutschen Post AG sind hunderttausende Briefe nicht ausgeliefert worden. Zudem ist das Arbeitgeberlager der Bauindustrie zerstritten.

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Rot für die Gelbe Post: Streiks legen die Briefzustellung lahmBild: AP

Nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di demonstrierten in Hamburg und in Cottbus am Dienstag (4. Juni 2002) mehrere hundert Beschäftigte für deutliche Lohnerhöhungen für die rund 170.000 nicht verbeamteten Post-Mitarbeiter. Allein in Hamburg seien dadurch 500.000 Briefsendungen vor allem an Wirtschaftsunternehmen liegen geblieben. Die Post sprach von etwa 200.000 Sendungen. Der Gewerkschaft zufolge sollen die Warnstreiks in den kommenden Tagen verstärkt und ausgeweitet werden. Betroffen seien dann Berlin, Brandenburg, Sachsen und Baden-Württemberg.

In Hamburg habe Ver.di-Chef Frank Bsirske auf einer Kundgebung darauf verwiesen, dass die Post hohe Gewinne erwirtschafte und auch die Gehälter im Post-Vorstand gestiegen seien, sagte eine Gewerkschaftssprecherin. Deutliche Lohnsteigerungen auch für die Beschäftigten seien daher gerechtfertigt.Verdi fordert Lohnanhebungen von 6,5 Prozent. Die Post hat bislang kein Angebot vorgelegt und will dies in der dritten Tarifrunde am 10. und 11. Juni tun. Wie hoch das Angebot sein wird, ist bisher nicht bekannt.

Ost-West-Konflikt der Bauarbeitgeber

Unterdessen machten westdeutsche Bau-Arbeitgeber ihre ostdeutschen Kollegen für das Scheitern der Tarifverhandlungen in der Branche verantwortlich. "Nicht die Gewerkschaft ist das Problem, die ostdeutschen Verbände sind es" sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie Nordrhein-Westfalen, Josef Zantis, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Die Ost-Arbeitgeber seien nicht einmal zu einer moderaten Gehaltserhöhung bereit gewesen.

Beim Zweckverband Ostdeutscher Bauverbände hieß es, in der gegenwärtigen Situation gebe es keine Verhandlungsspielräume im ostdeutschen Baugewerbe. Die Gewerkschaft IG Bau hatte am Montag beschlossen, eine Urabstimmung für einen Arbeitskampf ab dem 17. Juni einzuleiten. Es wäre der erste Streik in der Baubranche seit rund 50 Jahren. Zuvor war die Schlichtung für die 950.000 Beschäftigten der Branche gescheitert. Die Arbeitgeber hatten erklärt, für September 2002 bis März 2003 drei Prozent mehr Lohn geboten zu haben. Die Gewerkschaft hatte die Angebotshöhe wegen der 'Leermonate' mit nur 1,75 Prozent beziffert.

Die IG Bau war mit einer Forderung von 4,5 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Zantis sagte, Ost-Unternehmen mit ihren niedrigeren Mindestlöhnen als im Westen würden diesen Vorteil bei Ausschreibungen im Westen konsequent ausspielen. Da im Osten nur 25, im Westen aber 55 Prozent der Bauarbeiter gewerkschaftlich organisiert seien, bestehe zudem die Gefahr, dass ein Streik vor allem westdeutsche Betriebe und damit diejenigen treffe, die sich zuvor stark um eine friedliche Tarifeinigung bemüht hätten.

Andere Branchen ziehen nach

Außer bei der Post und am Bau gibt es derzeit auch im Versicherungsgewerbe mit rund 240.000 Beschäftigten und im Einzelhandel mit bundesweit 2,5 Millionen Mitarbeitern Tarifstreitigkeiten. Für das Versicherungsgewerbe und den Handel hat Verdi bereits die Einleitung von Urabstimmungen über Streiks und für das Bankgewerbe mit seinen 470.000 Beschäftigten Warnstreiks angekündigt. Darüber hinaus hat Verdi bundesweit private Abfall-Entsorgungsfirmen mit rund 160.000 Mitarbeitern zu Warnstreiks aufgerufen und mitgeteilt, dadurch könne es zu Verzögerungen beim Abtransport von Hausmüll kommen. (Reuters)