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Ermutigendes Signal

2. März 2012

Es ist ein wichtiger Schritt: Nach jahrelangem Warten wird Serbien EU-Beitrittskandidat. Aber es könnte ein langer Weg werden, meint Verica Spasovska.

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Kommentar Deutsch

Optimismus in Serbien - das Land ist endlich offiziell Beitrittskandidat. Das ist zunächst einmal eine Chance, nicht mehr und nicht weniger. Denn andere Länder auf dem Westbalkan haben schon lange diesen Status, ohne der EU in den vergangenen Jahren wirklich näher gerückt zu sein. Zum Beispiel Mazedonien, das wegen des Namensstreits mit Griechenland seit Jahren auf der Stelle tritt und bis heute keinen Termin für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erhalten hat.

Dennoch: Mit diesem außenpolitischen Erfolg in der Tasche kann der serbische Präsident Boris Tadic gestärkt in den Wahlkampf gehen. Im Mai wird ein neues Parlament gewählt. Deutlicher kann die Unterstützung aus Brüssel für seinen pro-europäischen Kurs kaum ausfallen. Nationalkonservative politische Gegner wie der ehemalige serbische Premierminister Vojislav Kostunica werden es angesichts dieser Rückendeckung aus Brüssel schwerer haben auf Stimmenfang zu gehen. Zumal die Geste aus Brüssel Serbien endgültig vom Image des Paria-Staates befreit, das dem Land wegen seiner Rolle während der kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan zwei Jahrzehnte anhaftete. Die Tür zur euroatlantischen Integration steht weiter auf als je zuvor.

Kosovo-Frage ist noch offen

Um den Weg weiter zu beschreiten, muss allerdings der Territorialstreit mit dem Kosovo gelöst werden. Denn solange die Frage der Eigenstaatlichkeit des Kosovo, das Serbien noch immer als Teil seines eigenen Territoriums beansprucht, umstritten bleibt, belastet sie die demokratische Entwicklung sowohl Serbiens als auch des Kosovo, behindert sie den EU-Beitrittsprozess beider Länder und spaltet die EU. Noch immer haben fünf EU-Mitgliedsländer das Kosovo nicht als souveränen Staat anerkannt.

Erschwerend hinzu kommt Serbiens mehr oder weniger offenes Werben für den Anschluss des mehrheitlich von Serben bewohnten Nordkosovo an Serbien. Eine Lösung der Kosovo-Frage durch erneute Grenzverschiebungen? Davon ist dringend abzuraten, weil erneute Grenzkorrekturen auf dem Balkan einen Dominoeffekt nach sich ziehen würden, da sie Nachbarländer wie Bosnien-Herzegowina und Mazedonien angesichts der Probleme, die es zwischen den Ethnien in diesen Ländern gibt, direkt betreffen. Zudem haben bereits mehr als 80 Länder das Kosovo in seinen bestehenden Grenzen anerkannt. 

Verica Spasovska (Foto: DW)
Verica Spasovska ist Leiterin der Mittel-Südosteuropa Hauptabteilung der DW

Eine Perspektive für die ganze Region

Erneute Grenzverschiebungen sind keine Lösung für die Kosovo-Frage. Sie kann langfristig nur gelöst werden, wenn die EU das Thema entschieden auf die Agenda hebt. Unter ihrer Vermittlung müssen echte Verhandlungen über den Status des Nordkosovo geführt werden, der den "Dialog" zwischen Belgrad und Pristina über die Lösung von Alltagsproblemen ablöst. Wenn sich die Europäische Union nach Zypern einen weiteren Territorialkonflikt ersparen will, muss sie sich aktiver als bisher als Vermittler einschalten.

Die Einladung aus Brüssel ist nicht nur für Serbien ein wichtiger Schritt auf dem EU-Integrationspfad. Sie zeigt auch, dass die EU trotz aller Turbulenzen, die von der Finanzkrise ausgelöst wurden, an ihrer Erweiterungsstrategie gegenüber den Ländern des Westbalkans festhält. Das ist für alle Länder der Region, die sich auf dem Weg in die EU befinden, ein ermutigendes Signal ihre Reformbemühungen fortzusetzen.

Reformen sind nötig

Der Brüsseler Beschluss darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Serbien noch vieles im Argen liegt und die serbische Regierung jetzt erst recht unpopuläre Reformen anpacken muss:  Die öffentliche Verwaltung des Landes muss modernisiert werden, Korruption stärker als bisher bekämpft und übermäßige Bürokratie abgebaut werden. Da die Auswirkungen der Finanzkrise auch in Serbien Spuren hinterlassen haben, muss die Regierung in Belgrad echte Wirtschaftsreformen umsetzen, zum Beispiel volkseigene Betriebe endlich privatisieren. Auch die Unabhängigkeit der Justiz muss gewährleistet werden.

Die Regierung in Belgrad sollte dem Wahlvolk die Wahrheit sagen: Der Beitritt zur EU ist nur durch schmerzhafte Reformen zu haben. Das könnte den Optimismus dämpfen. Aber es schützt vor falschen Erwartungen und einem bösen Erwachen. Wie sich das anfühlt, davon können die griechischen Nachbarn zur Genüge berichten. 

Autorin: Verica Spasovska
Redaktion: Zoran Arbutina